Patienten mit rheumatoider Arthritis und Anämie

Der Interleukin-6-Inhibitor Tocilizumab bewirkt laut einer retrospektiv durchgeführten Datenbankanalyse einen signifikanten Anstieg der Hämoglobinspiegel von Patienten mit rheumatoider Arthritis. Besonders ausgeprägt war der Effekt bei Patienten mit einer Anämie und Therapiebeginn im ersten Jahr nach RA-Diagnose.

Wie Tocilizumab den Hämoglobinspiegel anhebt

Der Interleukin-6-Inhibitor Tocilizumab bewirkt laut einer retrospektiv durchgeführten Datenbankanalyse einen signifikanten Anstieg der Hämoglobinspiegel von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA)1. Besonders ausgeprägt war der Effekt bei Patienten mit einer Anämie und Therapiebeginn im ersten Jahr nach RA-Diagnose. Die klinische Relevanz ist jedoch noch ungewiss.

Anämie ist ein häufiges Phänomen bei Patienten mit aktiver RA und üblicherweise durch niedrige Eisen-Serumspiegel bei normaler oder erhöhter Eisenspeicherung charakterisiert. Dabei besteht eine Assoziation zwischen der Anämie und der körperlichen Behinderung sowie einer erhöhten Mortalität. In diesen Prozess sind proinflammatorische Zytokine wie Interleukin (IL)-6 und der Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-alpha involviert. So beeinträchtigen TNF-alpha und IL-1 die Erythropoese. IL-6 bewirkt eine Erhöhung der Spiegel des Proteins Hepcidin-25, das an der Regulation des Eisenmetabolismus beteiligt und eine häufige Ursache für eine Anämie bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen ist2. Wenn aber IL-6 eine derart zentrale Rolle bei der Entstehung einer Anämie im Rahmen chronischer Erkrankungen spielt – so die Autoren der vorliegenden Publikation –, könnte der IL-6-Inhibitor Tocilizumab die Anämie bei Patienten mit rheumatoider Arthritis günstiger beeinflussen als andere Biologika1.

Mehr als 150.000 Patientenakten ausgewertet

Um diese Hypothese zu überprüfen, werteten die Wissenschaftler aus Australien, den USA und der Schweiz Real-World-Daten von Patienten aus, die in der US-amerikanischen "Centricity Electronic Medical Record" (CEMR)-Datenbank registriert waren. Bei über 35.000 an dem Register beteiligten Ärzten standen für die Auswertung insgesamt mehr als 34 Millionen elektronische Patientenakten des Zeitraums 1995 bis April 2016 zur Verfügung.

Hinsichtlich der Behandlung der RA mit Tocilizumab (TCZ), Tofacitinib (TOFA), biologischen krankheitsmodifizierendem antirheumatischen (bDMARDs) oder nicht-biologischen DMARDs (nbDMARDs) wurden die folgenden vier Patientengruppen definiert:

  1. TCZ-Gruppe: Patienten, die TCZ und niemals TOFA erhalten hatten (n=3.732).
  2. TOFA-Gruppe: Patienten, die TOFA und niemals TCZ erhalten hatten (n=3.126).
  3. obDMARD-Gruppe: Patienten, die nur ("only") bDMARDs und niemals TOFA oder TCZ erhalten hatten (n=55.964).
  4. onbDMARD-Gruppe: Patienten, die nur nbDMARDs und niemals ein bDMARD oder TOFA erhalten hatten (n=91.236).

Insgesamt wurden 283.756 Patienten mit der Diagnose "RA" identifiziert, unter ihnen 272.621, bei denen die Diagnose am 1. Januar 2000 oder später gestellt wurde. Die Einschlusskriterien erfüllten 153.788 Patienten im Durchschnittsalter von 58 Jahren. 77% waren Frauen, 71% weiße Kaukasier, 22% gegenwärtige oder Ex-Raucher und 43% zum Zeitpunkt der Erstverschreibung des jeweiligen Medikamentes ("Indextag") übergewichtig. Bei 21% bis 29% der Patienten der vier Gruppen war am Indextag eine Anämie dokumentiert. Das mittlere Follow-Up betrug 3,5 Jahre. 55% der Patienten der TCZ-Gruppe wechselten innerhalb der ersten zwei Jahre auf ein anderes bDMARD. In der TOFA-Gruppe wurden innerhalb von 1,2 Jahren 30% der Patienten auf ein bDMARD umgestellt oder zusätzlich darauf eingestellt.

Anämie-Parameter nur in der TCZ-Gruppe gebessert

Unter TCZ kam es innerhalb der ersten sechs Monate zu signifikanten Verbesserungen der Anämie-Parameter. Die Hämoglobinspiegel stiegen um durchschnittlich 0,22g/dl nach sechs Monaten und 0,23g/dl nach 24 Monaten an. Der Hämatokrit nahm um 0,78% bzw. 0,96% zu. In den drei anderen Gruppen veränderten sich beide Parameter nicht signifikant. Bei den mit TCZ behandelten Patienten mit dokumentierter Anämie am Indextag betrug der Anstieg des Hämoglobins nach sechs und 24 Monaten 0,4 bzw. 0,72 g/dl. Der Hämatokrit-Wert stieg bei diesen Patienten um 1,08% nach sechs Monaten und 2,06% nach 24 Monaten an. Bei Patienten mit dokumentierter Anämie am Indextag kam es auch in den drei anderen Gruppen im Mittel zu einem Anstieg der Hämoglobinspiegel. Unter TCZ hatten die Patienten jedoch eine 86% höhere Wahrscheinlichkeit des Anstiegs um mindestens 1g/dl nach zwei Jahren (p<0,001). Nur mit Patienten der TOFA-Gruppe verglichen, war die Wahrscheinlichkeit um 67% erhöht. Patienten, bei denen innerhalb des ersten Jahres nach der RA-Diagnose mit einer TCZ-Therapie begonnen wurde, hatten eine 95% höhere Wahrscheinlichkeit eines signifikanten Anstiegs der Hämoglobinspiegel nach sechs Monaten als die Patienten der anderen Gruppen. Ob sich der Anstieg der Hämoglobinspiegel unter TCZ auch in einer verbesserten Lebensqualität niederschlägt, etwa durch einen Rückgang der Fatigue, lässt sich aus diesen Daten allerdings nicht schließen.

Quellen:
1. Paul SK, Montvida O, Best JH et al. Effectiveness of biologic and non-biologic antirheumatic drugs on anaemia markers in 153,788 patients with rheumatoid arthritis: New evidence from real-world data. Semin Arthritis Rheum 2018; 47: 478-484.
2. Suzuki S, Nakano S, Ando S et al. Hepcidin-25 gives an indication of the therapeutic effectiveness of tocilizumab in rheumatoid arthritis – Relationship between disease activity of rheumatoid arthritis and anemia. Rev Bras Reumatol Engl Ed 2017; 57: 637-664.