EUPROMS: Patientenstudie mit Aha-Effekt

EUPROMS ist die erste rein Patienten-getriebene Studie zum Einfluss des Prostatakarzinoms auf die Lebensqualität. Einige der Ergebnisse überraschen, andere stimmen nachdenklich, so die Einschätzung der medizinischen ExpertInnen auf dem EAU 2020.

Frühe Diagnose führt zu weniger aggressiver Behandlung

EUPROMS ist die erste rein Patienten-getriebene Studie zum Einfluss des Prostatakarzinoms auf die Lebensqualität. Einige der Ergebnisse überraschen, andere stimmen nachdenklich, so die Einschätzung der medizinischen ExpertInnen auf dem EAU 2020  In jedem Fall jedoch ist es an der Zeit, die Patientenaufklärung zu überdenken.

André Dechamps ist kein Mediziner. Er ist Ingenieur und "nebenbei" auch Vorsitzender der größten europäischen Dachorganisation für Männer mit Prostatakrebs Europa UOMO. Anlässlich des virtuellen EAU 2020 stellte Dechamps am vergangenen Wochenende die Studie EUPROMS vor, die bisher erste und einzige rein durch Patienten geplante und durchgeführte Studie zur Lebensqualität von Männern mit Prostatakarzinom.

20 Minuten Online-Umfrage als Ausgangspunkt

Patienten aus dem gesamten EU-Gebiet, die sich wegen eines Prostatakarzinoms in Therapie befanden, füllten zu Beginn der Studie eine 20-minütige Online-Umfrage aus. Dabei kamen im Wesentlichen drei validierte Fragebögen zur Lebensqualität (QoL) zum Einsatz: EPIC-26, EORTC-QLQ-C30 sowie EQ-5D5L. Alle Fragebögen lagen in 19 Sprachen vor. Insgesamt nahmen 2.943 Patienten aus 24 Ländern teil, was in etwa 0,1% der Patientenpopulation in der EU entsprach.

Das Durchnittsalter der Patienten lag bei 70 Jahren zu Beginn der EUPROMS-Studie. In diesem Alter bestand beim Durchschnitt der Männer bereits seit 6 Jahren die Diagnose Prostatakarzinom.82% der Studienteilnehmer lebten mit einem Partner/einer Partnerin, 14% waren zuhause allein.

66% der Männer hatten bisher ein Therapieverfahren durchlaufen, 22% befanden sich bereits in der Zweitlinienbehandlung. Die Operation rangierte bei beiden Gruppen dabei an erster Stelle, gefolgt von ADT sowie einer aktiven Überwachung.

Ergebnisse, die über Verfahren nachdenken lassen sollten

Im Ergbenis zeigte sich, dass die gefühlte Beeinträchtigung durch Inkontinenz der Harnblase bei der Prostatektomie am geringsten ausfiel. Die Sexualfunktion (Erektionsvermögen) litt am deutlichsten unter der Strahlentherapie. Darüber hinaus verstärkten Strahlen- und Chemotherapie jeweils die erlebte Fatigue sowie Schlafstörungen. In der Summe scheint die Chemotherapie beim Prostatakarzinom am stärksten die Lebensqualität zu verringern.

Interessant war zudem, dass besonders Männer in einem frühen Stadium der Erkrankung bessere QoL-Werte angaben, ihre Lebensqualität demnach weniger stark eingeschränkt war. Dies wird dadurch unterstützt, dass außer einer aktiven Überwachung jede Form der Behandlung die Lebensqualität in gewisser Weise reduzierte. Daher sollte der Fokus in der Zukunft darauf liegen, das Prostatakarzinom noch früher zu erkennen, um den Männern, für die ein solches Vorgehen sicher ist, eine aktive Überwachung anbieten zu können.

Aus Sicht der Patienten ist zu hoffen, dass die Studienergebnisse Anlass dazu geben, realistischere Erwartungen in den Vorgesprächen zu vermitteln, denn alle derzeit verfügbaren Behandlungsstrategien werden in mehr oder minder schwerem Ausmaß, die Lebensqualität einschränken.

Um es mit den Worten Dechamps' auszudrücken: "Der Patient kümmert sich nicht um die Quelle seiner Inkontinenz. Was allein für ihn zählt ist, dass er inkontinent ist und dadurch an Lebenqualität verliert."

Was sagen MedizinerInnen zur Studie?

Aus Sicht der Urologinnen und Urologen hat die Studie einige interessante Stärken, aber ebenso Schwächen. Zu den Stärken gehört beispielsweise, dass die Studie auf Real-World-Daten basiert, demnach das praktische Erfahren der Situation in der Klinik abbildet. Hinzu kommt, dass die Studie mit nahezu 3.000 Antworten eine sehr große Stichprobe liefert und die Erfassung der Lebensqualität mit einem langen Follow-up von 6 Jahren erfolgte. Zudem ist die Studie multimodal angelegt und erfasst die derzeit gebräuchlichen Therapieoptionen beim Prostatakarzinom. Besonders wichtig ist ebenso, dass als Grundlage der Online-Befragung wissenschaftlich validierte Fragebögen genutzt wurden.

Die Schwächen der EUPROMS-Studie liegen vor allem darin begründet, dass es sich um eine reine Beobachtungsstudie handelte, dass die Ausgangswerte zur Bestimmung der Lebensqualität nicht ermittelt werden konnten und es möglicherweise einen Bias aufgrund des Antwortverhaltens Betroffener geben könnte. Ferner waren Süd- und Osteuropa in den Umfragen unterrepräsentiert.

Dennoch ist das Ziel für die Zukunft klar definiert: Eine frühe Diagnose des Prostatakarzinoms führt zu weniger aggressiven Behandlungen, wodurch die Lebensqualität weniger stark beeinträchtigt wird. Dafür sollen die UrologInnen und Urologen ihre gemeinsamen Anstrengungen noch verstärken, um die Früherkennung des Prostatakarzinoms deutlich zu verbessern.

Quelle:
Dechamps A. The real effect of prostate cancer treatment: EUPROMS study first patient driven quality of life study ever. In: Game changing session 3; EAU 2020, 18.07.2020