Was hinter männlichen Fertilitätsstörungen stecken kann

Ernährung, Lebensstil, Umweltchemikalien, physikalische Faktoren – all dies kann die reproduktive Gesundheit von Männern beeinträchtigen. Die Beratung zu möglichen Risikofaktoren ist eine wichtige präventive Aufgabe in der andrologischen Sprechstunde.

Gut zu wissen: Angriffspunkte im männlichen Reproduktionssystem 

Wie beeinflussen Nikotin und Alkohol die Chance auf Schwangerschaft?

Bei Genussmitteln wie Nikotin und Alkohol ist die Datenlage klar. Schädliche Wirkungen auf die männliche Fertilität sind hier gut belegt. Nikotin reduziert die Spermienqualität und vermindert die Schwangerschaftsraten nach Konzeption in vivo wie auch nach In-vitro-Fertilisation. Alkohol wirkt über die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse oder über direkte testikuläre Schädigungen. Riskanter Alkoholkonsum verlängert das Zeitintervall bis zum Auftreten einer Schwangerschaft („time to pregnancy“) signifikant.

Auch manche physikalische Faktoren wirken sich nachweislich negativ auf die Hodenfunktion aus. So kann ionisierende Strahlung je nach Dosis und Fraktionierung von einer vorübergehenden Oligozoospermie bis hin zur irreversiblen Azoospermie führen. Wärme beeinträchtigt die Spermienfunktion ebenso. Ob regelmäßige Saunabesuche, heiße Bäder oder eine überwiegend sitzende berufliche Tätigkeit – alles, was die Skrotaltemperatur erhöht, beeinträchtigt die Spermienqualität. 

Handys und Fertilitätsstörungen: Besteht ein Zusammenhang? 

Weniger klar ist der Einfluss elektromagnetischer Strahlung auf die Fertilität beim Mann. Die Handynutzung steht schon seit vielen Jahren im Verdacht, gesundheitsschädigend zu sein. Tierexperimente und In-vitro-Studien deuten zwar auf eine veränderte Spermiengenese und -funktion hin. Nachgewiesen ist der Effekt auf humane Spermien bisher allerdings nicht.

Ein weiterer Gefahrenbereich sind Berufsstoffe und Umweltchemikalien. So können Pestizide, Lösungsmittel, Weichmacher und Tenside die männliche Fertilität beeinträchtigen. Allerdings gibt es nur für wenige Stoffe nachgewiesene Effekte. Eindeutig sind die Daten dagegen bei den Schwermetallen Blei und Quecksilber. Neben einer beruflichen Exposition können auch Zahnfüllungen mit Amalgam oder verunreinigte Nahrungsmittel wie Fisch und Meeresfrüchte kritisch sein.

Fertilität: durch Feinstaub beeinträchtigt?

In den letzten Jahren sind vermehrt Stoffe mit hormonähnlicher Wirkung in den Fokus von Wissenschaft und medialer Berichterstattung getreten. Dazu gehören Chemikalien wie polychlorierten Biphenylen (PCB) und Bisphenol A, aber auch Phyto- und Mykoöstrogene. Obwohl manche dieser Substanzen beim Menschen nachgewiesen werden konnten, bleibt fraglich, inwieweit sie sich auf Fertilität und Reproduktion auswirken und welche Konzentrationen als bedenklich einzustufen sind.

Auch Feinstaub und Mikroplastik sind in Zeiten von Klimawandel und Umweltzerstörung große Themen. Tatsächlich wurde für Feinstaubpartikel (< 2,5–10 μm) bereits eine Assoziation zu Spermienqualität und -funktion gefunden. Mikroplastik ließ sich zumindest tierexperimentell auch im männlichen Fertilitätstrakt nachweisen, wo es zu Zell- und Gewebeschäden führen kann.

Die Liste möglicher toxischer Einflüsse auf die Reproduktionsfähigkeit des Mannes ließe sich weiter fortführen. Auch Medikamente, insbesondere der Missbrauch von androgen-anabolen Steroiden (AAS) oder frei verkäuflichen Analgetika, können die Spermienproduktion beeinflussen. Und schließlich haben auch Bewegung und Essgewohnheiten Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit. 

Fazit für die Praxis

Die Palette an möglichen fertilitätsschädigenden Einflüssen ist groß. Fest steht: Je mehr Lifestyle-Faktoren und exogene Noxen zusammenkommen, umso ungünstiger für die reproduktive Gesundheit. Und gleichzeitig kann die konsequente Meidung relevanter Schadstoffe die Fertilität verbessern. Gerade in der Beratung von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch ist diese Botschaft wichtig.

Quelle:

Schuppe HC, Köhn, FM. Umweltfaktoren, Lebensstil und männliche Fertilität. Urologie 2022; 61: 1217–1228. https://doi.org/10.1007/s00120-022-01951-z