Guten Tag Frau Doktor, ich bin auch Arzt

Wenn sich Ärzte als Patienten vorstellen, sollte sie dann ihren Arztberuf offenlegen? Gibt es bestimmte Gründe dagegen? Eine Umfrage.

Wenn sich Ärztinnen und Ärzte als Patienten vorstellen

Übersetzt aus dem Italienischen

Wenn sich Ärztinnen und Ärzte sich als Patienten vorstellen, sollte sie dann den Arztberuf offenlegen? Diese Frage löste vor ein paar Wochen eine heftige Debatte auf Twitter aus:

"Wenn Sie als Arzt zu einem Termin kommen, sagen Sie mir bitte, dass Sie Arzt sind. Nicht, weil ich Sie anders behandeln würde, sondern weil wir so leichter in der Fachsprache sprechen können." - Dr. Ashley Winter

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So der Tweet von Dr. Ashley Winter1, einer Urologin aus Portland im US-Bundesstaat Oregon. Sie sagte weiter: "Das bedeutet nicht, dass ich weniger patientenorientiert oder weniger einfühlsam mit einer Ärztin oder einem anderen Gesundheitsdienstleister umgehen würde. Es heißt nur, dass ich, anstatt zu sagen 'Sie bekommen einen Katheter, der Ihren Urin in einen Beutel ableitet', sagen kann: 'Sie bekommen einen Blasenkatheter'."

Ihr Tweet ergab sich aus einer Begegnung mit einem Patienten, der sich gegenüber Dr. Winter erst als Arzt zu erkennen gab, nachdem sich die Ärztin die Zeit genommen hatte, einen chirurgischen Eingriff in einfacher, verständlicher Sprache zu erklären.

"Ich erläuterte ihm den Eingriff natürlich unter der Annahme, dass er ein intelligenter erwachsener Mensch sei, aber auf eine für Laien verständliche Weise", sagte Dr. Winter gegenüber Medscape Medical News. "Das war mir peinlich. Ich hätte ihn nicht anders behandelt, aber ich hätte den Eingriff mit ihm in Fachsprache besprechen können. In gewisser Weise war es meine Schuld", sagte sie. "Ich habe mir nicht die Zeit genommen, zu Beginn des Termins nach seiner Arbeit zu fragen."

Der Tweet von Dr. Winter löste zahlreiche Reaktionen aus. Etliche meldeten sich in dem Thread zu Wort und äußerten ihre Meinung zu diesem Thema.

"Als Assistenzärztin im zweiten Jahr behandelte ich einen Kardiologen im Ruhestand und, ganz ehrlich, er hat mich das Ergebnis seiner Echokardiografie allein auswerten lassen. Er hat mir nicht gesagt, dass er auch Arzt ist. Ich erfuhr das ein paar Tage später und wollte nur sterben", postete @MaddyAndrewsMD.

Eine andere Kollegin erinnerte sich an ein ähnlich peinliches Erlebnis in der Praxis, als sie mit einer Patientin, deren Ehemann lächelnd in der Ecke saß, über ihre Kopfschmerzen sprach. "Später erzählten die beiden meiner Sprechstundenhilfe, dass er pensionierter Allgemeinmediziner sei, der schon länger Arzt ist, als ich lebe. Ich wollte sterben", postete @JSinghDO.

Ich bin ein Kollege, aber auch Patient

Daraufhin meldeten sich viele Fachleute aus der Medizin sowie Patientinnen und Patienten zu Wort. Einige schrieben, dass sie ihren Beruf nicht offenlegen wollten, weil das ihre Behandlung negativ beeinflussen würde.

Zum Beispiel kommentierte @drhelenrainford: "Meiner Erfahrung nach ist die Behandlung dann weniger 'fürsorglich', wenn klar ist, dass ich Ärztin bin. Man redet dann mit mir, als würden wir den Fall eines anderen Patienten besprechen. Ohne Einfühlungsvermögen werden mir dann nur die Fakten und sogar ernste Befunde rücksichtslos um die Ohren gehauen. Eine fürchterliche Situation als Patientin... aber das ist noch einmal eine ganz andere Geschichte!"

@lozzlemcfozzle meint: "Ich behalte das lieber für mich. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Erläuterungen unter der Annahme übersprungen werden, dass ich schon 'Bescheid wisse', oder dass mein Gegenüber ein wenig nervös wird, wenn ich es erwähne!"

Aus Angst vor Anmaßung und Überheblichkeit

Andere Kolleginnen und Kollegen fühlen sich unwohl oder kommen sich überheblich vor, wenn sie ihre beruflichen Qualifikationen preisgeben oder sie befürchten, dass sie wie jemand mit dem Anspruch auf eine privilegierte Behandlung wirken könnten.

@MsBabyCatcher schrieb: "Das fällt mir schwer, weil ich nicht möchte, dass man mich für überheblich hält oder dass ich diejenige sei, die die Art und Weise der Behandlung vorgibt."

@RedStethoscope antwortete auf @MsBabyCatcher: "So ging es mir auch, bis ich einige Male wirklich schlecht behandelt wurde und mir andere Mütter aus dem medizinischen Bereich dazu rieten, die Arztkarte auszuspielen. Seitdem ich deutlich mache, dass ich Ärztin bin, erhalte ich eine bessere/einfühlsamere Behandlung."

Offenbar finden es viele Ärztinnen und Ärzte "schwierig“ und "unangenehm", sich bei einem Arzttermin zu erkennen zu geben. Einige versuchen diese Unbeholfenheit zu umgehen, indem sie zur Eröffnung des Gesprächs absichtlich bestimmte medizinische Begriffe verwenden, anstatt einfach zu sagen, dass sie selbst vom Fach sind.

Wieder andere machten Vorschläge, wie man das Thema direkter angehen könnte, wenn man sich im Behandlungszimmer als Patient vorstellt, etwa so: "Zu Ihrer Information, ich bin Arzt, aber heute benötige ich wirklich Ihre Hilfe und Ihren Rat."

Klare Kommunikation und Transparenz

In einem Interview mit Medscape Medical News erklärte Dr. Charlotte Blease2, Expertin für Medizinethik: "Ich halte es auf jeden Fall für sehr vernünftig, einem anderen Arzt gegenüber offenzulegen, dass man selbst Arzt ist. Man kann mit gutem Grund davon ausgehen, dass sich das positiv auf die Qualität der Kommunikation und die damit verbundene Transparenz auswirkt. Wenn die Verwendung medizinischer Fachbegriffe zum besseren Verständnis der Patienten, zu mehr Autonomie und zu einer gemeinsamen Entscheidungsfindung beiträgt, dann kann dies ein Vorteil sein. Da Ärzte bestrebt sein sollten, mit allen Patienten effektiv zu kommunizieren und individuelle Bedürfnisse und den jeweiligen Kenntnisstand zu berücksichtigen, sehe ich keinen Grund zu verheimlichen, dass man selbst Arzt ist."
 

Quellen

  1. Ashley Winter: Privatprofil @AshleyGWinter, Twitter. Stand: 14. Oktober 2021.
  2. Sharon Worcester: Should You Tell Your Doctor That You're a Doctor?, Medscape Medical News. Stand: 09. November 2021.