Real-World-Daten untermauern Potenzial von Neurofilament-Leichtketten im Serum als Biomarker für Multiple Sklerose

Erhöhte Serumkonzentrationen von Neurofilament-Leichtketten (NfL) gehen laut einer großen, beim diesjährigen ECTRIMS-Kongress präsentierten Real-World-Studie mit schlechterer neurologischer Funktion einher.

Vom Wunsch zur Wirklichkeit: Monitoring der Krankheitsaktivität mittels einfachem Blut-Test?

Erhöhte Serumkonzentrationen von Neurofilament-Leichtketten (NfL) gehen laut einer großen, beim diesjährigen ECTRIMS-Kongress präsentierten Real-World-Studie mit schlechterer neurologischer Funktion einher.

Neurofilamente sind wie bewegliche Gerüste für die Erhaltung der Struktur von Axonen. Neuronale Schädigungen führen zur Freisetzung von Neurofilament-Komponenten, welche in den Liquor und schließlich ins Blut gelangen. Erhöhte NF‑Konzentrationen im Liquor sind im Rahmen verschiedener ZNS‑Erkrankungen mit starker Nervenschädigung beschrieben, wie traumatischen Hirnverletzungen, Motoneuron-Erkrankungen und Multipler Sklerose (MS).

Bisherige Evidenzlage

Studien der letzten Jahre konnten zeigen, dass MS‑PatientInnen höhere NF‑Level aufweisen als Menschen ohne MS, dass die Spiegel nach Schüben und in Zusammenhang mit MRT‑Läsionen erhöht sind und der Marker möglicherweise ab Erkrankungsbeginn helfen kann, eine Vorhersage über die Verlaufsschwere zu treffen. Nach Therapie mit hocheffektiven DMTs sinken die NF-Werte im Liquor.1

Der klinische Nutzen eines Liquor-Markers wäre natürlich limitiert, da hierfür regelmäßige Liquor-Punktionen nötig wären. Für Behandler und PatientInnen wäre ein Serum-Marker wesentlich besser. Dieser Ansatz wurde in den vergangenen Jahren von weiteren Arbeiten stark verfolgt. Um als prädiktiver Marker eingesetzt werden zu können, muss Serum-NfL in großen, heterogenen MS‑Populationen mit unterschiedlicher Demografie und Komorbiditäten überprüft werden. Auf dem diesjährigen ECTRIMS in Stockholm, dem weltweit größten Kongress zur MS, präsentierte Real-Life-Daten lieferten nun solche Evidenz, die das Konzept bestätigt.2,3

Große neue Analyse untermauert Potenzial von Serum-NfL als Biomarker

"Serum‑NfL entwickelt sich zu einem starken Biomarker-Kandidaten, der mit der Erkrankungsschwere korreliert" und zeigt "Potenzial für den Einsatz zur Erkrankungsüberwachung und Risikostratifikation", sagt Prof. Kathryn Fitzgerald von der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore. Sie stellte im Praxisalltag dokumentierte Daten von fast zweitausend MS‑PatientInnen aus 10 Zentren in den USA und Europa vor, die  TeilnehmerInnen des sog. 'MS PATHS'-Programms waren.3

Ein Viertel der untersuchten MS‑PatientInnen (25%) hatten hohe NfL-Serumwerte und diese PatientInnen verzeichneten eine signifikant größere Behinderung:
Im Vergleich zu MS‑PatientInnen mit normalen NfL-Spiegeln war ihre Gehgeschwindigkeit 10% langsamer, ihre manuelle Dexterität (die Geschwindigkeit, mit der koordinierte Hand- und Fingerbewegungen ausgeführt werden können) um 7% niedriger und die kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit um 8% geringer. Auch die von den PatientInnen selbst berichtete Beeinträchtigung fiel höher aus.

Die häufigsten Begleiterkrankungen waren Niereninsuffizienz (38%), Übergewicht (35%), Hypertonus (28%), Hyperlipidämie (17%) und Diabetes (6%).
Für diabetische MS‑Patienten betrug die Wahrscheinlichkeit eines erhöhten Serum‑NfLs mehr als das Doppelte. Prof. Fitzgerald meint, der Zusammenhang zwischen Übergewicht und NfL‑Serumleveln dagegen sei "komplex und variiere nach Behinderungsgrad."
Zu den anderen untersuchten Komorbiditäten ergab sich keine Assoziation. Da das Serum-NfL mit dem Alter ansteigt, wurde dies bei der Festlegung von Schwellenwerten berücksichtigt.

Fazit

"Die Daten bestätigen die bisherige Evidenz darin, dass NfL im peripheren Blut ein vielversprechender Kandidat als Marker für die Krankheitslast bei MS‑Patienten ist", summiert Prof. Fitzgerald. Weitere Studien müssten der Frage nachgehen, ob andere Vorerkrankungen die Beziehung zwischen NfL‑Werten und MS‑Outcomes auf lange Sicht  beeinflussen.3

Referenzen:
1. Can blood neurofilaments be used to monitor disease activity? Multiple Sclerosis Research Blog https://multiple-sclerosis-research.org/2017/11/can-blood-neurofilaments-be-used-to-monitor-disease-activity/ (2017).
2. Serum neurofilament light chain is associated with MS outcomes and... by Kathryn Fitzgerald. https://onlinelibrary.ectrims-congress.eu/ectrims/2019/stockholm/279375/kathryn.fitzgerald.serum.neurofilament.light.chain.is.associated.with.ms.html?f=listing%3D0%2Abrowseby%3D8%2Asortby%3D1%2Asearch%3DSerum+neurofilament+light+chain+is+associated+with+MS+outcomes+and+comorbidity+in+a+large+population+of+people+with+multiple+sclerosis.
3. #ECTRIMS2019 - Serum Neurofilament Light Is Potential MS Biomarker. Multiple Sclerosis News Today https://multiplesclerosisnewstoday.com/news-posts/2019/09/04/ectrims2019-talk-23-serum-neurofilament-light-chain-is-associated-with-ms-outcomes-and-comorbidity-in-a-large-population-of-people-with-multiple-sclerosis/ (2019).