Akute myeloische Leukämie: Patienten sehen ihre Situation meist zu pessimistisch

Eine Krebsdiagnose schürt in erster Linie die Angst vor dem Tod. Diese Angst ist offenbar bei älteren Patienten mit akuter myeloischer Leukämie besonders ausgeprägt und beeinflusst die Wahrnehmung ihrer Erkrankung, so eine aktuelle Studie – mit deutlichen Auswirkungen auf ihre Therapieentscheidung.

Onkologen und Patienten mit diametral unterschiedlichen Einschätzungen

Eine Krebsdiagnose schürt in erster Linie die Angst vor dem Tod. Diese Angst ist offenbar bei älteren Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) besonders ausgeprägt und beeinflusst die Wahrnehmung ihrer Erkrankung, so eine aktuelle Studie. Im Vergleich mit der Einschätzung durch behandelnde Ärzte sind AML-Patienten eher vom baldigen Sterben überzeugt, und setzen aufgrund dieser Angst größere Hoffnung auf eine Heilung – mit deutlichen Auswirkungen auf ihre Therapieentscheidung.

Erhalten Patienten die Diagnose "AML", geht es für sie plötzlich um Leben und Tod. Darüber hinaus verbessern die ihnen angebotenen Therapiealternativen das Gefühl nicht, den Krebs besiegen zu können. Ganz im Gegenteil erscheint das "empfundene" Mortalitätsrisiko für viele ältere AML-Patienten sehr viel höher zu sein, als es ihr behandelnder Onkologe beurteilt.

Tatsächlich bleibt älteren Patienten mit AML oft nur die Wahl, sich einerseits für eine Intensivtherapie zu entscheiden, die potenziell kurativ ist, aber in der Regel aufgrund der Nebenwirkungen auch das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko erhöht. Andererseits steht ihnen eine nichtintensive Therapieoption offen, welche weniger Nebenwirkungen hat, aber auch kein kuratives Potenzial bietet.

Beim Patienten entsteht durch solche Auswahlmöglichkeiten der Eindruck: "Mit Intensivtherapie sterbe ich an den Nebenwirkungen oder eben am Krebs." Wundert es da wirklich, dass ältere AML-Patienten ihre Überlebenschancen geringer einschätzen als ihr Arzt?

Wie steht es um die Heilungschancen?

Die aktuelle Studie aus den USA verglich die Wahrnehmung von 100 Patienten (Intensivtherapie: n = 50; nicht-intensive Therapie: n = 50) und 11 behandelnden Ärzten in Bezug auf Risiken und Nutzen der jeweiligen Behandlung. Im Ergebnis schätzten 91 % der Patienten, dass sie zeitnah behandlungsbedingt versterben würden. Dementgegen rechneten die Ärzte lediglich mit einer etwa 12%igen behandlungsbedingten Mortalität.

Interessant ist zudem: Während die Ärzte bei den Patienten mit Intensivtherapie Heilungschancen nur um 49 % prognostizierten, hofften 98 % der intensiv behandelten Patienten auf eine sehr wahrscheinliche Heilung.

Selbst die AML-Patienten, welche nicht-intensiv behandelt wurden, hofften noch zu 82 % auf eine baldige Heilung. Die Onkologen auf der anderen Seite bewerteten die Heilungschancen innerhalb dieser Gruppe auf lediglich 13 %.

Warum solche Erkenntnisse für die Praxis wichtig sind?

Die Studie zeigte, dass die meisten älteren Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie ihre Überlebenschancen eher pessimistisch, jedoch über die Maßen optimistisch in Bezug auf die Heilungschancen beurteilten.

Daraus ergibt sich für die Praxis, dass es gerade älteren AML-Patienten an der Fähigkeit mangelt, fundierte Therapieentscheidungen zu treffen. Ärzte sollten sich demnach noch intensiver mit den Hoffnungen und Ängsten ihrer Patienten auseinandersetzen und die Fakten auf eingängige Weise darlegen.

Das Ziel nach Diagnosestellung soll dabei stets sein, die Patienten in die Lage zu versetzen, selbstentscheidend und gut informiert – gemeinsam mit dem behandelnden Onkologen – zu einer für den Patienten in der jeweiligen Situation bestmöglichen Therapieentscheidung zu kommen.

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Quelle:
El-Jawahri A et al., Patient-Clinician Discordance in Perceptions of Treatment Risks and Benefits in Older Patients with Acute Myeloid Leukemia. The Oncologist 2018; 23: 1–8; doi: 10.1634/theoncologist.2018-0317