Rätselhafte akrale Läsion: Rasant wachsender Knoten am Finger einer Schwangeren

Eine 28-jährige Lehrerin im sechsten Schwangerschaftsmonat stellt sich mit einem rasch wachsenden, kirschgroßen, glasigen Knoten am Zeigefinger vor. Die Läsion entwickelte sich innerhalb von sechs Wochen und blutet leicht bei Berührung. Welche Diagnose vermuten Sie?

Anamnese

Die 28-jährige Oberstufenlehrerin ist wegen eines schmerzlosen, aber größenprogredienten Tumors am Zeigefinger der linken Hand sehr beunruhigt. Dieser sei im Zeitraum von etwa  6 Wochen aus einem zunächst nur streichholzkopfgroßen roten Knötchen herangewachsen. Es bestünde starke Verletzlichkeit, denn schon bei kleineren Bagatelltraumen käme es zur Blutung. Ein Trauma im Bereich der Hand ist ihr nicht erinnerlich. Die Patientin ist im 6. Monat schwanger.

Hautbefund

Am Fingerendglied des linken Zeigefingers imponiert ein etwa kirschgroßer, vulnerabel wirkender, glasiger rötlich-gelblicher Knoten. Das übrige Integument erscheint unauffällig. Insbesondere axillär links unauffälliger LKN-Status (Abb. 1).

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Abb. 1: Patientin im 7. SSM (a). An der lateralen Endphalanx des Dig. II links findet sich ein maximal 2 cm durchmessender glasig glänzender, fibrinös belegter, teils hämorrhagisch tingierter, teils rund und breit aufsitzender Exophyt (b-d). Die Umgebung ist moderat gerötet. Der obere Anteil wird von der noch intakten Epidermis kragenartig umschlossen (e,f). Dermatoskopisch ist eine ausgeprägte Vaskularisiation mit Hämorrhagien auffällig. Daneben findet sich auch eine Impetiginisierung (g,h).

Paraklinik

Unauffälliges Routinelabor.

Mikrobiologie

Bakteriologischer Abstrich: Mäßig Straphylococcus aureus.

Virologie: HSV1 und HSV2 negativ.

Radiologie

Röntgen der linken Hand: insbesondere im Bereich des 1. Strahles unauffälliges Handskelett. Hinweis auf Weichgewebeschwellung im Bereich der Endphalanx Dig II. Ausschluss einer Osteomyelitis. 

Therapie und Verlauf

Die blickdiagnostische Betrachtung eines solchen derb palpablen vulnerabel-erosiven Knotens zwingt zu einer Reihe von Differenzialdiagnosen. Gerade in der besonderen Situation der Schwangerschaft war eine rasche Klärung, insbesondere der Dignität, erforderlich.

In Frage kam ein epitheliales Neoplasma, etwa im Sinne eines Spinalioms, dem jedoch das relativ rasche Wachstum und das junge Lebensalter der Patientin entgegensprach. Ein rasches malignes Wachstum wäre etwa bei einem Osteosarkom oder einem malignen Melanom denkbar. Letztes hätte hier allerdings ein eher seltenes amelanotisches Melanom sein müssen, denn dermatoskopisch war keinerlei pathologisches Pigment erkennbar. Das maligne epitheloide Hämangioendotheliom (EHE) ist ein sehr seltener maligner vaskulärer Tumor, der eher vom Endothel der Blutgefäße ausgeht und zumeist innere Organe betrifft. Ein Hämangiosarkom oder ein ossäres Sarkom waren entsprechend des unauffälligen Röntgenbefundes unwahrscheinlich. Ein Keratoakanthom, ein benigner schnellwachsender epithelialer halbkugeliger Tumor mit zentralem Hornpfropf in den lichtexponierten Arealen, tritt in den allermeisten Fällen jenseits des 60. Lebensjahres auf. 

Auch bestimmte virale Infektionen können knotige Hautläsionen hervorrufen. Die durch epitheliotrophe humane Papillomaviren (HPV) hervorgerufene Verrucae vulgares zeigt sich durch hautfarbene oder grauweiße Knoten, die allenfalls kleine punktförmige Hämorrhagien aufweisen. Erosiv-nässende Knoten im Bereich der akralen Extremitäten wie im vorliegenden Fall können vor allem durch die Kuhpocken erzeugt werden. Diese Poxviren werden zunehmend über Hausratten und Katzen übertragen und verursachen erosiv-krustige Knoten an den Kontaktstellen. Wie auch die Schafpocken (Orf) werden die Kuhpocken aber bislang zumeist bei beruflicher Exposition erworben. Im vorliegenden Fall machte die hinsichtlich Haus-oder Nutztierkontakt negative Anamnese eine derartige Dermatose unwahrscheinlich. Gegen eine Herpes simplex-Infektion sprach der lange Bestand, der exophytische Aspekt und letztlich auch die negative Virologie. 

Welche Verdachtsdiagnose haben Sie, wenn Sie die Fallbeschreibung genauer betrachten? Welche Fragen würden Sie dem Patienten stellen, um den Fall zu lösen?

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