Die Herausforderungen der Erstbefüllung der ePA: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst?

Das Chaos um die ePA ist perfekt: Ärzte kassieren für nutzlose Einträge, während Hausärzte leer ausgehen. Ein System voller Fehlzündungen.

Asoziale Ärzte? Gibts das? Bei der ePA anscheinend schon!

Die sogenannte Erstbefüllung der elektronischen Patientenakte treibt Blüten. Ich höre dazu Seltsames von Kollegen. Darüber kann man lachen, aber man sieht auch, wozu Ärzte so alles fähig sind. Manche scheinen irgendwie asozial zu sein. Ganz einfach gesagt, lädt das undurchdachte gesetzliche System dazu ein, sich so zu verhalten. Wer Erster ist, macht Kasse. Super Idee!

Das treibt uns im Moment alle um, und das ist das Thema der nächsten vier Monate. Solange gilt die Gebührenordnungsziffer: rund 11 Euro für den Ersten, der die Akte eines Patienten befüllt. Aber der Reihe nach. Die ePA ist noch nicht verpflichtend, aber technisch bereits möglich. Und es gibt auch Patienten, die das schon haben wollen. Und nun bekommt der erste Arzt, der etwas in diese Akte eingibt, dafür rund 11 Euro.

Wir haben natürlich alle gedacht, da gehören erstmal aktuelle Befunde und Ähnliches drauf. Oder eben auch wichtige Dinge aus der Historie, Röntgen-Thorax etc. – sodass die anderen Kollegen Zugriff auf diese wichtigen Daten haben. Und wir dachten, dafür sind diese 11 Euro gedacht. Aber in der Praxis sieht es nun anders aus: Du gibst irgendetwas ein, und schwupp, bist du der sogenannte Erstbefüller, der die Ziffer abrechnen kann. Das kann beispielsweise einfach der Medikationsplan sein. Und das kann jede Fachrichtung tun. Aber es kann nur einer tun.

Wenn der Zahnarzt Erster! schreit, ist die Ziffer für den Hausarzt weg

Das bedeutet, wenn der Patient zum Zahnarzt geht, und der gibt vielleicht ein: Patient hat eine Amalgam-Allergie – damit ist die Erstbefüllung geschehen. Und die Abrechnung geht an den Zahnarzt. Und für all das, was wir Hausärzte machen -- Medikationspläne, Röntgenbefunde, das MRT, den Laborbefund – bekommen wir noch genau: 1,12 Euro. 

Der Fehler ist: Es ist völlig unreguliert, wer die Erstbefüllung vornimmt und was eingegeben werden kann und muss. Was ist die Folge? Ein besonders krasses Beispiel hat mir ein Kollege geschickt. Da hat ein Orthopäde einen Zettel vorbereitet, auf dem steht: “Erster!” Diesen Zettel scannt er ein und packt ihn in die Patientenakte. Damit grast er diese Erstbefüllungs-Prämie systematisch ab und die, die die Arbeit wirklich machen, bekommen nichts. Oder eben diese 1,12 Euro. Wenn der Kollege vielleicht tausend Patienten hat, rechnet er für ein paar Tastendrücke 11 000 Euro ab. Und das ist jetzt Standard. Frechheit siegt.

Diese Ziffer war zur Refinanzierung von neuer Hardware gedacht.

Ich denke, diese Ziffer der Gebührenordnung war natürlich anders gedacht. Die war für uns Hausärzte, die den Großteil der Arbeit machen. Aber tatsächlich ist es nun so, dass wir erstbefüllte Patientenakten bekommen, in denen irgendetwas steht, was keiner braucht und keinem nützt. Das ist auch deswegen so ärgerlich, weil der ursprüngliche Gedanke ja war, dass dieses Geld als Refinanzierung für neue, notwendige Hardware gedacht war. Man braucht einen neuen Konnektor, man braucht ein spezielles Lesegerät, neue Geräte an jedem Schreibtisch, in die wir die Karte einstecken – das kostet alles Geld. Aber durch diese pervertierten Situationen landet das im Irgendwo. Und wir Hausärzte ärgern uns und gucken in die Röhre. Hinzu kommt, dass diese Ziffer nur bis zum 31.12. 2025 gilt. Denn die Kostenträger sagen: Ab dann ist das Pflicht und ab dann gibt es gar kein Geld mehr dafür. Das gehört dann zu unserer normalen Arbeit. Das führt gegenwärtig zu einer Art Windhundrennen. Wer schnell ist, kann seine Leistung abrechnen, wer zu spät kommt…naja, der guckt in die Röhre.

Der Patient muss für diese Erstbefüllung nicht in der Praxis sein. Er muss nur irgendwann mal seine Chipkarte abgegeben haben. Also setzen sich manche jetzt morgens um 5 Uhr in die Praxis oder setzen eine Hilfskraft ein, die ganz schnell mal in jede ePa einen mehr oder weniger sinnvollen Befund eingibt.

Wieder einmal ein Beispiel für ein nicht zu Ende gedachtes Gesetz. 

Man hätte natürlich rechtzeitig festlegen müssen, was zu einer Erstbefüllung gehört. Damit wäre beispielsweise der Zahnarzt automatisch aus dem Rennen. Das können eigentlich nur diejenigen tun, die Zugriff auf die ausführlichen Daten des Patienten haben. Das wäre ein fairer Weg gewesen. Und nicht das Windhundrennen, das wir nun erleben.

Dennoch macht es Sinn, jetzt die eigenen Patienten durchzugehen und die ePA zu befüllen, denn da liegt jetzt noch für die nächsten drei Monate Geld im System, das wir für die notwendige neue Hardware verwenden können. Ende des Jahres läuft die Ziffer aus. Und die Investitionen müssen dann selbst refinanziert werden. Wir machen es so, dass wir bei jedem Patienten, auch wenn er sich nur ein Rezept holen will, in die Akte reingucken und sie befüllen. Das sind zusätzliche Arbeitsstunden, die ich natürlich bezahle.

Zahnärzte und Gynäkologen haben bei der Erstbefüllung die Nase vorn

Es ist eigentlich gar nicht so viel Aufwand. Wir müssen die ePA laufend pflegen und nur wenn es rückwirkend einen wirklich wichtigen Befund gibt, muss dieser noch eingespielt werden. Alles andere, was der Patient selbst noch in der ePA haben will, muss die Krankenkasse machen. 

Ich habe übrigens von einem Kollegen gehört, der sich auskennt, weil er an entsprechenden Stellen mitarbeitet, dass die Fachrichtungen, die sich am meisten bei der Erstbefüllung hervortun, sich sozusagen breit machen, die Zahnärzte und die Gynäkologen sind. Die haben offenbar als erste begriffen, dass da eine Menge Geld zu holen ist. Vielleicht haben deren Fachgesellschaften ihre Mitglieder rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht. Und für meine hausärztlichen Kollegen möchte ich das hiermit auch getan haben. Wir haben nichts zu verschenken.

Ab Januar wird es dann vermutlich eine neue Ziffer für jeden Befund geben, den wir aufladen. Aber das wird sehr viel weniger sein als jetzt.