Liebe Kollegen - denkt auch mal an Euch!

Die vergangenen Jahre waren alles andere als einfach für Ärztinnen und Ärzte. Dr. Petra Sandow plädiert dafür, jetzt auch einmal an sich selbst und die eigene Gesundheit zu denken.

Ärzte sollten nicht nur für Patienten, sondern auch für sich selbst sorgen

Wir alle haben in den Praxen ja drei schwere Jahre hinter uns. Wir haben ununterbrochen mit Hochdruck gearbeitet. Sehr viele Patienten mit Infektionskrankheiten, die Impfungen, viel mehr Arbeitsaufwand als sonst, dazu jede Menge Dinge, die zusätzlich Nerven gekostet haben: andere Praxis-Abläufe, den ganzen Tag mit FFP2-Maske im Gesicht, neue Abrechnungsmodi, IT-Umstellungen, elektronische AU. Das hat viele von uns Niedergelassenen einfach aufgebraucht. Auch mich. Die Motivation, morgens aufzustehen, wurde immer schwächer, alles fühlte sich zäher und anstrengender an. Man fieberte schon mittwochs dem Wochenende entgegen. Eine andauernde Schwunglosigkeit stellte sich ein. Rückblickend könnte man sagen: Das war wie die Vorstufe zum Burnout.

Und nun ist das Schlimmste erst einmal Geschichte - und ich sorge jetzt mal für mein Seelenheil und meine eigene Gesunderhaltung. Die Abläufe haben sich einigermaßen normalisiert, die Praxen sind etwas leerer, Corona hat sich abgeschwächt. Sodass ich auf die Idee gekommen bin, auch einmal wieder auf Freizeit und Urlaub zu gucken. Auf das, was mir gut tut. Was mir Kraft und Energie zurückbringt. Ich denke, wir Ärzte können hier einmal das Gleiche tun, was alle anderen auch tun: Für uns sorgen. Uns Gutes tun.

Abtauchen, um aufzutanken!

Wir wollen ja weiter unseren Job gut machen, wir wollen für unsere Patienten da sein. Und dafür brauchen wir Regeneration. Unsere Patienten schicken wir zur Kur. Das sollten wir im übertragenen Sinn auch mit uns selbst machen. Raus aus der Mühle, zu sich kommen, tief durchatmen, genießen. Zum ersten Mal in meinem rund dreißigjährigen Berufsleben habe ich jetzt die Reißleine gezogen. Und gehe sechs Wochen nicht mehr in die Praxis. Ich bin einfach zu Hause, im Wald, mit meinem Pferd. Die ersten Tage habe ich gar nichts gemacht. Im Sessel gesessen, Zeit verstreichen lassen, sinnlos Netflix geguckt. Das tat so gut! Und ich zweifle überhaupt nicht daran, dass ich das Recht dazu habe. Dass mir das zusteht. Ich sehe ja die Alternative: nach Corona haben viele Kollegen ihre Praxen aufgegeben. Gerade die Älteren dachten: Ich habe lange genug gearbeitet, das tue ich mir nicht mehr an. In nicht so attraktiven Lagen haben sie auch keine Nachfolger gefunden. Schlimm für die Patienten. Das finde ich sehr schade. Damit ich weitermachen kann, bin ich jetzt also mal eben weg.

Ich bin tatsächlich nicht unabkömmlich!

Wer denkt: Das kann ich mir nicht leisten, wer sorgt dann für meine Patienten? Dem sage ich: Wenn man sich mit den Kliniken in Verbindung setzt, findet man immer Assistenzärzte, die gern Vertretung machen. Und die können das auch. Bei besonderen Problemen bin ich auch telefonisch erreichbar. Aber in den ersten drei Wochen kam genau ein einziger Anruf aus der Praxis! Wer also denkt, er sei unabkömmlich, der irrt in der Regel. Und ja, es ist eine klare finanzielle Einbuße, ich muss ja die Vertretung bezahlen. Aber was nützt mir ein prall gefülltes Konto, wenn eine Gesundheit nicht mehr mitspielt? Wir kennen die Daten, die zeigen, dass sich nach anhaltendem Stress Herz- und Krebserkrankungen häufen. Das habe ich abgewogen und die Entscheidung war klar: Wenn ich langfristig weitermachen will, muss ich kurz mal aussteigen. Ich muss dafür sorgen, dass der Stress aus dem Körper verschwindet. 

Wie es sich anfühlt? Ganz wunderbar! Ich bin jeden Tag draußen, spüre, wie die Energie zurückkommt. Und das Beste: Langsam kommt die Lust zurück, bald wieder in die Praxis zu gehen. Der Schwung wächst wieder. Das habe ich gehofft. Und genauso ist es gekommen. Also ich kann das wirklich nur jedem empfehlen: Abtauchen, um aufzutanken!