Nach meiner Beobachtung kann ich bei den Patienten keinen Rückgang des Interesses an der Hautkrebs-Vorsorge erkennen. Die allgemeine Aufklärung, auch über die sozialen Medien, hat zu einem zunehmend verantwortungsvollen Umdenken auch bei jüngeren Menschen geführt und auch der Trend zum exzessiven Solariumbesuch ist erheblich abgeebbt. Patienten aller Altersgruppen, sogar Kleinkinder mit ihren Eltern, kommen ausdrücklich mit dem Wunsch nach einer Hautkrebsfrüherkennung zu mir.
Ich vermute folgendes: Das Problem liegt weniger bei den Patienten, sondern vielmehr im System, das einen reibungslosen Informationsfluss vom hausärztlichen Screeningergebnis zur zeitnahen fachärztlichen Expertise im Bereich Dermatologie erschwert.
Es war meiner Überzeugung nach eine sehr gute Idee, das System des Hautkrebs-Screenings in der hausärztlichen Medizin zu etablieren, sowohl um die dermatologischen Fachkollegen zu entlasten, als auch um suspekte Fälle frühzeitig zu detektieren - um gegebenenfalls den Verdachtsfall zum Experten zu überweisen. Und hier liegt auch schon das Problem. Denn Wartezeiten von mehreren Monaten für einen Hautarzttermin sind keine Seltenheit. Viele Patienten berichten, dass sie wegen Überlastung der Facharztpraxen oftmals überhaupt gar nicht angenommen werden.
Ein Grund für den Hausarzt, sich da möglicherweise zunehmend zurückzuhalten, ist weniger die geringe Bezahlung für den Aufwand des Screenings, sondern eher die große Verantwortung, die dahintersteckt. Der absolvierte Wochenendkurs für das klinische Screening ohne Erfordernis einer Dermatoskopie kann jahrelange dermatologische Erfahrung nicht kompensieren. Kann ein suspekter Befund nicht zeitnah dermatologisch verifiziert werden, belastet diese Situation auch den Hausarzt oder die Hausärztin, insbesondere dann, wenn ein relevanter Befund verschleppt wurde oder in Vergessenheit gerät. Hinzu kommen auch Terminengpässe anderer Fachrichtungen wie Kardiologie, Pulmologie oder Psychiatrie, die die hausärztliche Medizin fachlich und personell zunehmend fordern. Vor dem Hintergrund von Telefonwarteschleifen und Online-Terminvergabesystemen ist selbst das persönliche hausärztliche Engagement, Termine für die Patienten zu organisieren, zumeist frustrierend.
Ein Screening ist nur sinnvoll, wenn das Ergebnis desselben auch zeitnah fachlich verifiziert wird. In Berlin zum Beispiel wartet ein GKV-Patient schon mal gut ein halbes Jahr auf einen Facharzttermin. Das heißt, er oder sie ist beunruhigt, kriegt aber keine fachlich fundierte Hilfe. Und wenn es sich um schwarzen Hautkrebs handeln sollte, ist das natürlich extrem gefährlich. Viele Patienten kehren dann wieder zum Hausarzt zurück und konfrontieren ihn mit der Problematik, womit dieser dann irgendwie doch in der Verantwortung steht. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass den Patienten geraten wird, sich selbst um einen Termin bei einem Hautfacharzt für den Hautcheck zu bemühen.
Zum einen spielt der im Vergleich zu anderen klinisch-ambulanten Fachrichtungen viel geringere „Scheinwert“ eine große Rolle. Rein sachlich ist dieser Unterschied nicht nachzuvollziehen. Die gewissenhafte dermatologische Untersuchung, insbesondere das Hautscreening, bedarf einer Untersuchung des gesamten Integumentes. Dabei ist die Untersuchung älterer Menschen oft zeitaufwendig, diagnostische Verfahren ebenfalls und die Patienten müssen gerade bei akuten Dermatosen zumeist mehrfach im Quartal einbestellt werden. Dieser Aufwand der insgesamt sehr engagierten Kollegen wird aus meiner Sicht nach GKV finanziell nicht ausreichend abgebildet. Der Engpass muss dann eben durch besser dotierte IGEL-Leistungen oder gar Selbstzahlerleistungen, insbesondere die ästhetische Dermatologie (Lasermedizin, Augmentation, Rejuvenation, Liposuction etc.) kompensiert werden. Nicht wenige Facharztpraxen wechseln deshalb sogar vollumfänglich in die Privatisierung. Damit kann auch erklärt werden, warum sich die Hautarztpraxen zunehmend in den großstädtischen Zentren konzentrieren. Gerade im Flächenland gibt es vielerorts gar keine Hautärzte mehr. Außerdem besteht schon seit Jahren eine Tendenz der Reduktion von dermatologischen Bettenzahlen in den Kliniken. Aus all diesen Gründen kommt es zur Verminderung der hautfachärztlichen Kapazität in der Regelversorgung.
Außerdem gibt es auch noch einige kritische Aspekte bezüglich der Leistungsbeschreibung und der Vergütung des Hautscreenings. Sogar langjährig universitär tätige Hautfachärzte müssen den Wochenendkurs zum Erlernen des Hautscreenings absolvieren und diesen mit nahezu 1000 Euro selbst bezahlen. Die Regelleistung des Screenings erfasst, wie eingangs erwähnt, nur die klinische Inaugenscheinnahme ohne Erfordernis der zur sinnvollen Einschätzung an sich unverzichtbaren dermatoskopischen Untersuchung. Kurz gesagt, zur Regelleistung gehört nur die Blickdiagnose - ohne Hilfsmittel. So kann also grundsätzlich in der Hautfacharztpraxis die für die Expertise erforderliche Dermatoskopie dem Patienten als Selbstzahlerleistung mit 60 Euro in Rechnung gestellt werden, ein aus meiner Sicht inakzeptabler Zustand, bei dem aber viele Kollegen sich dem Patienten gegenüber kulant zeigen. Auch der zeitliche Abstand des Screenings als Regelleistung von 3 Jahren scheint aus fachlicher Sicht zu lang.
Das Screening kann bei Patienten ab 35 Jahren abgerechnet werden. Doch was sagt man den jüngeren Patienten, bei denen ein Hautcheck indiziert ist? Aus meiner Sicht gehört der Hautcheck grundsätzlich zur Regelversorgung. Bei einer Forsa-Befragung unter Anspruchsberechtigten, die noch nie bei einer Hautkrebs-Vorsorge waren, gaben ein Fünftel derer die lange Wartezeit auf einen Termin, sowie die Unsicherheit hinsichtlich der Anspruchsberechtigung und der Kostenübernahme als Grund an.
Mein Fazit: Wenn wir einen Rückgang bei der Hautkrebs-Früherkennung sehen, liegt es ganz gewiss nicht am mangelnden Interesse der Patienten, sondern am falschen System. Aus dem Leidensdruck der Patienten erwächst Handlungsbedarf, denn die Hautkrebsinzidenz sowohl bei hellen als auch beim schwarzen Hautkrebs nehmen zu.