Klimawandel entgegenwirken – eine "Mammut"-Aufgabe?

Können wir der Erderwärmung gezielt entgegenarbeiten und somit künftig das Leben auf der Erde schützen? Ein Forschungsteam setzt dabei Hoffnungen auf geklonte Mammuts.

Wollhaar-Mammut durch CRISPR und moderne Gentechnik?

Eine interessante neue Idee ist es, das Auftauen des sibirischen Permafrost-Bodens und die Freisetzung von Methan zu verringern. Methan (CH4) trägt nach Kohlendioxid (CO2) am meisten zum Klimawandel bei. Es entsteht, wo organisches Material unter Luftausschluss abgebaut wird, also in Sümpfen und am Meeresboden. Methan ist 25-mal klimaschädlicher als CO2, hält sich jedoch viel kürzer in der Atmosphäre.

Nach dem Plan von Prof. George Church von der amerikanischen Harvard-Universität in Cambridge soll das seit tausenden von Jahren ausgerottete Wollhaar-Mammut mit Hilfe der Gentechnik und den Gen-Scheren CRISPR wieder erschaffen werden. Es soll dann in einem Schutzgebiet in Sibirien in riesigen Herden angesiedelt werden. Mehr dazu im Interview mit Prof. Church im Anschluss.

Der ambitiöse Plan soll schon in sechs Jahren ausgeführt sein. Es sind bereits 60 Millionen Startkapital gesammelt worden. Und doch gibt es viele Skeptiker der Idee und des Planes. Die US-Firma Collossal setzt den umstrittenen Plan um.

Vor etwa 50.000 Jahren breitete sich der Homo sapiens auf der Welt aus und veränderte diese unwiderruflich. Man fragt sich heute: Wie sähe die Erde aus, wenn es die Menschheit nie gegeben hätte? Wie viele Tier- und Pflanzenarten würden noch existieren? "Wir haben die DNA, die Technologie und die führenden Experten auf dem Gebiet, um sie alle zurückzuholen", heißt es optimistisch bei Collossal. Church wirbt seit Jahren mit der Idee, ausgestorbene Tierarten wiederzubeleben, z. B. den Riesenvogel Dodo. Bislang fehlte ihm aber das Geld dafür. 

2027 das erste Mammufanten-Kalb?

Nach aktuellem Stand soll  im Jahr 2027 das erste Kalb geboren werden. Strenggenommen wird aber kein Wollhaar-Mammut kreiert, wie es vor seiner Ausrottung  gelebt hatte. Ziel sei es, so Church und sein Team, einen kälteresistenten Elefanten zu schaffen, der aber wie ein Mammut aussieht und sich so verhält – sozusagen ein “Mammufant.” 

AdobeStock_311955912.jpegDie Forschenden kombinieren Zellen des Asiatischen Elefanten mit gefundenen Urzeit-Genen des Mammuts, eine Elefanten-Leihmutter soll das hybride Mammut dann austragen. Die Experten wollen dazu auch die Genschere CRISPR-Cas9 nutzen, mit der DNA gezielt geschnitten werden kann. Entsprechende Mammut-Gene werden in die Elefanten-DNA präzise eingebaut.

Die Gene sollen zum Beispiel für ein dichtes Fell und für zusätzliche Fettschichten sorgen, so die Paläontologin Victoria Herridge vom National History Museum in London. Ein extrem komplexes Verfahren.

Laut Church ist das vorliegende Genmaterial eines Mammuts nicht ausreichend, um es komplett  zu klonen. Der tauende Permafrost-Boden gibt zwar immer wieder Reste der riesigen Tiere frei. Blut, Gewebe oder aus Stoßzähnen freigelegte DNA-Reste gewähren zwar gute Einblicke in die Evolution des Mammuts – beim Klonen eines Mammuts haben sie allerdings noch nicht wirklich geholfen.

Können Mammufanten das Tauen des Permafrostbodens verlangsamen?

Weshalb sollen die Tiere überhaupt wieder durch die Arktis trampeln? Mammufanten könnten, so Church, einen Beitrag dazu leisten, dass der Permafrostboden weniger schnell schmilzt. Das Freisetzen klimaschädlicher Treibhausgase von den tiefgefroren Böden soll so verhindert werden. Die Mammutkopien würden den Schnee feststampfen und so das Auftauen der Böden erschweren, so die Theorie. 

Die Mammufanten könnten in einem riesigen Naturschutzgebiet im Nordosten Sibiriens freigelassen werden, das von den russischen Wissenschaftlern Sergei und Nikita Zimow – Vater und Sohn – geleitet wird. Übertriebene Erwartungen sollten laut den beiden allerdings nicht in die Mammut-Klone gesteckt werden: Die Chancen, dass alles gleich perfekt werde, seien gering. Durch Mammuts ließe sich der Klimawandel nicht direkt bekämpfen, arktische Landschaften könnten aber als Weideland vielfältiger und widerstandsfähiger gemacht werden.

Der Permafrostboden der nördlichen Erdhälfte speichert bekanntlich fast doppelt so viel Kohlenstoff, wie derzeit in der Atmosphäre enthalten ist. Wenn der Boden auftaut, beginnen Mikroorganismen und Bakterien die Pflanzen- und Tierreste zu zersetzen, die seit Jahrtausenden in der Erde lagern. Dabei produzieren sie Kohlendioxid und Methan. Steigt also die globale Temperatur weiter an, könnte der Permafrost mehr Treibhausgase freisetzen, so Dr. Guido Grosse, Permafrostforscher an der AWI-Forschungsstelle Potsdam. Die Freisetzung wäre allerdings nicht schlagartig, wie oft in den Medien befürchtet wird.

Grosse hat allerdings Zweifel, dass sich das Auftauen der gefrorenen Böden aufhalten lässt, denn es geht um viele Millionen Quadratkilometer Permafrostregion. Sie müssten von einer enorm hohen Tierdichte bevölkert werden. Bis entsprechend viele Tiere vorhanden wären, um der Erwärmung in der Arktis entgegenzuwirken, dauert es einfach zu lange. Für ihn ist nach wie vor entscheidend: Fossile Emissionen aus Kohle, Öl, und Erdgas müssen beendet werden – so schnell wie möglich.

Auch andere Wissenschaftler zeigen sich skeptisch: Prof. Gareth Phoenix von der Universität Sheffield zufolge sei es sogar nachteilig, wenn in den von Mammuts besiedelten Gebieten nur noch Gras und keine Bäume wachsen. Bäume und Moos in den bewaldeten arktischen Regionen könnten für den Schutz des Permafrosts entscheidend sein.

Mammuts bräuchten auch einen intakten Lebensraum

Selbst wenn Church der Durchbruch gelingen sollte (Nobelpreis?), stellt sich die Frage: Können die Tiere überhaupt langfristig in freier Natur überleben? Um etwa Nachkommen zu erzeugen, müsste der russischen Wissenschaftlerin Lena Grigoriewa  zufolge das gesamte Ökosystem der Tiere wiederhergestellt werden. Nicht unproblematisch in Zeiten, in denen schon die Eisbären sich immer weiter südlicher auf Futtersuche begeben müssen, da das Eis nicht mehr dick genug für ihre Robbenjagd ist.

Zimow schliesst zumindest aus, dass Mammuts den Menschen gefährlich werden könnten. Sie würden niemandem schaden. Auch in der modernen Welt könnte die Population unter Kontrolle gehalten werden. Probleme würden eher Jäger machen, die Mammut-Stoßzähne erbeuten wollen.

Am wichtigsten ist jedoch, dass 1.400 Gigatonnen Kohlenstoff im Boden eingeschlossen sind, die aufgrund der höheren Durchschnittstemperaturen freigesetzt werden. Ein Großteil davon ist Methan, das wesentlich schädlicher für das Klima ist als Kohlendioxid. Das ist wichtiger als die anthropogenen Kohlenstoffquellen, bei denen es sich hauptsächlich um Kohlendioxid handelt, die nur zehn Gigatonnen pro Jahr ausmachen. Es wäre also wichtig, die Temperaturen zu senken.

George Church im Interview über die Mammufanten

Wie können die Mammufanten helfen?

Church: Einige Modelle deuten darauf hin, dass ein höheres Verhältnis von Gras zu Bäumen, wie es vor Tausenden von Jahren der Fall war, auf dreierlei Weise helfen würde: erstens durch eine höhere Reflexion der Sonneneinstrahlung. Zweitens lassen grasende Pflanzenfresser, die den Schnee zertrampeln, die minus 40 Grad Temperature besser zum Boden durchdringen, um den methanreichen Boden am Auftauen zu hindern. Eine dicke, flauschige Schneeschicht ist wie eine Daunendecke, aber wenn man den Schnee so zusammenpresst, dass er zu festem Eis wird, hat er eine sehr hohe Wärmeleitfähigkeit.

Und der dritte Vorteil wäre eine bessere Fotosynthese-Rate durch das Gras, weil das CO2-Bindung und nicht bloß eine Verlangsamung des Kohlenstoffverlustes bedeutet.

Der erste Schritt besteht darin, eine Technologie zu entwickeln, mit der Dutzende bis Tausende Änderungen an der Keimbahn vorgenommen werden können. Der zweite Schritt wäre, die Reproduktion so weit zu steigern, dass die Tiere in einem angemessenen Zeitraum eine Wirkung entfalten können. Und drittens geht es darum, sie so zu platzieren, dass sie von Knotenpunkten aus in Regionen mit hohem Kohlenstoffgehalt und geringer menschlicher Bevölkerungsdichte wandern.

Haben wir die Technologie für präzise gentechnische Änderungen?

Church: Ja. Es wurden bei verschiedenen Schweinestämmen 42 Veränderungen zum Zweck der späteren Organtransplantation erfolgreich durchgeführt. Sie sind so gesund, dass sie Organe für präklinische und klinische Versuche an Menschen spenden. Für die Mammuts haben wir eine Liste von Editierungen zusammengestellt, bei denen die mütterlichen und väterlichen Genvarianten der kälteresistenten Vorfahren gleich waren. In vielen Fällen werden diese auf die Kälteresistenz ausgerichtet sein.

Was muss man noch tun, damit die Tiere an die Umwelt gut angepasst sind?

Church: Die meisten der Kältetoleranz-Gen-Varianten betreffen die Dicke der Fettschicht, das Haar und die Wolle – und zwar am ganzen Körper. Auch kleine Ohren, spezialisierte Fettdepots, Skelettstrukturen, Stoßzähne. Wir wollen sowohl kurze als auch lange Stoßzähne erzeugen. Kurze Stoßzähne könnten auch einen Schutz gegen Elfenbein-Wilderei darstellen. Oder gar keine Stoßzähne, denn in freier Wildbahn hat sich gezeigt, dass Elefanten auch ohne Stoßzähne zurechtkommen. 

Stammen diese Gene aus Mammut-DNA-Proben? Ist die ursprüngliche genetische Struktur der Mammuts überhaupt bekannt?

Church: Ja, es gibt viele gefrorene Mammuts. Mammut-Genome gehören zu den am besten sequenzierten Genomen der Welt. Auch Elefanten-Genome stehen gleich an zweiter Stelle hinter dem des Menschen. Wir haben also eine gute Kartierung der Gene, denn insbesondere die Asiatischen Elefanten sind den Mammuts mit 99,6 Prozent Erbgutübereinstimmung sehr ähnlich. Die Veränderungen, die wir zum Beispiel im Blut, im Hämoglobin, vornehmen, liegen vielleicht in der Größenordnung von fünf. Man kann es sich fast so vorstellen, dass Elefanten und Mammuts Mutanten des jeweils anderen sind.

Wie wollen Sie eine ausreichend große Mammutpopulation aufbauen, auch um Inzucht zu vermeiden?

Church: Die Idee ist, mit einer Herde Asiatischer Elefanten zu beginnen, die ein paar wolligere Mitglieder hat und groß genug ist, um schnell zu einer vielfältigen Herde heranzuwachsen. Es gibt eine große Überlappung bei den Temperaturen – Winter für die Asiatischen Elefanten und Sommer für die Mammuts ist ziemlich ähnlich. Sie werden dabei von Anfang an genetisch vielfältig sein, weil sie die Vielfalt der Elefantenwirte plus die Vielfalt, die wir einführen, besitzen. Wir versuchen auch, die künstliche Vermehrung außerhalb des Körpers zu ermöglichen, sodass wir im Prinzip gleichzeitig Tausende Tiere mit unterschiedlichen genetischen Kompositionen erschaffen können.

Sie planen also, künstliche Gebärmütter für Mammuts zu verwenden?

Church: Richtig! Unsere zwei Gründe sind, dass wir erstens die natürliche Fortpflanzung der gefährdeten Elefantenarten auf keinen Fall beeinträchtigen wollen. Der zweite Grund ist, dass wir die gesamte Entwicklung beobachten möchten. Dabei ist es viel einfacher, die Entwicklung in einem Labor zu verfolgen, als wenn sie in einer wilden Mutter stattfindet.

Unser Team kooperiert mit dem Pleistozän-Park in Sibirien, wo Sergei und Nikita Zimov die Beziehungen von ungefähr zehn wieder ausgewilderten Arten untersuchen. Wir können von dieser Dynamik lernen, da es der Umgebung, in der wir arbeiten wollen, sehr nahekommt. Außerdem ist es wichtig, nach Möglichkeiten zu suchen, ihre Wanderungen zu lenken. Vielleicht können wir ihre Bewegung durch das gezielte Pflanzen von Stauden beeinflussen. Aber wir werden ihre Wanderungen weit weg von allen Bevölkerungszentren beginnen, für den Anfang mindestens 100 Kilometer. Kann der Plan schnell genug funktionieren, um den Klimawandel rechtzeitig einzudämmen? Wir hoffen es.

Wie würden Sie den Erfolg des Projekts messen?

Church: Messungen von Kohlendioxid, Methan und Bodentemperaturen: Die Freisetzung von Methan und Kohlendioxid soll verringert werden und die mittlere Sommer- und Wintertemperatur am Boden sinken.

Nochmal, warum Künstliche Gebärmutter?

Church: Um die stark gefährdete Elefanten-Art nicht durch Zucht-Experimente weiter zu belasten. Wir glauben, dass wir durch die künstlichen Gebärmütter von den ersten paar Elefantenkälbern auf Tausende parallel hochskalieren können. Die Skalierung hängt damit nicht von dem langsamen Zuchtprozess ab. Normalerweise dauert es etwa neun Jahre bis zur Geschlechtsreife, fast zwei Jahre bis zur Schwangerschaft, und sie bekommen nur ein Kalb pro Schwangerschaft. Wenn wir also wollen, dass es schnell geht, müssen viele Embryonen gleichzeitig wachsen – und zwar ohne Leihmütter. 

Man darf gespannt sein!
 

Referenzen:

  1. Mail-Austausch zwischen Reinhard Renneberg und George Church
  2. heise online: Wie wiederbelebte Mammuts die Arktis retten können. Online-Artikel. Letzter Zugriff: 14.02.2023
  3. Firma Colossal: https://colossal.com/mammoth/. Letzter Zugriff: 14.02.2023
  4. Spiegel Online: https://www.spiegel.de/international/world/should-the-woolly-mammoth-be-brought-back-to-life-a-caeb7d13-c1f7-4372-a59b-c8fd085249a9. Letzter Zugriff: 14.02.2023
  5. Pleistocene Park: https://pleistocenepark.de/publikationen-veroeffentlichungen/. Letzter Zugriff: 14.02.2023
  6. engoo.com: https://engoo.com/app/daily-news/article/company-plans-to-bring-woolly-mammoths-back-to-the-arctic/HvYsaB1pEeyl2rNiRRCZeA. Letzter Zugriff: 14.02.2023
  7. ResearchGate: https://www.researchgate.net/publication/345716347_Yunyugen_-the_Late_Pleistocene_locality_of_the_mammoth_fauna_in_the_basin_of_the_Yana_River_North-Eastern_Siberia. Letzter Zugriff: 14.02.2023