Klinikreform: Konsens noch vor der Sommerpause

Einen "Durchbruch" nannte Karl Lauterbach die Sitzung mit Minstern und Senatoren für Gesundheit. Auf dem Weg zur Klinikreform konnten sich Bund und Länder annähern.

Kompromiss zwischen Bund und Ländern bei Krankenhausreform

Der Fahrplan für die große Krankenhausreform steht, ein Kompromiss zwischen Bund und Ländern soll spätestens am 29. Juni bei der nächsten Sitzung der Gesundheitsminister des Bundes und der Länder in Form eines Eckpunktepapiers erzielt werden, das Grundlage für einen in der Sommerpause vom BMG zu erarbeitenden Referentenentwurfs sein soll. Darauf haben sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die Minister und Senatoren für Gesundheit der Länder am Donnerstag verständigt. Gemeinsam werten sie die Ergebnisse als "Durchbruch", es sei "ein guter Tag für die Krankenhäuser" gewesen, so Lauterbach.

NRW wird Blaupause für eine bundeseinheitliche Reform

Ziel ist, so betonten Lauterbach und seine AmtskollegInnen Melanie Schlotzhauer (Hamburg), Karl-Josef Laumann (Nordrhein-Westfalen) und Manfred Lucha (Baden-Württemberg), dass die Reform am 1. Januar 2024 in Kraft treten kann und sukzessive über eine Konvergenzphase in der Versorgung umgesetzt wird. Eine Entscheidung des Bundeskabinetts wäre danach im Spätsommer zu erwarten, die parlamentarischen Beratungen könnten im Frühherbst beginnen.

Auf der Suche nach einem Kompromiss ist Lauterbach den Ländern ein gutes Stück entgegengekommen: Abweichend von dem Modell des Expertenrats der Bundesregierung, der über 120 verschiedene Leistungsgruppen und deren Zuordnung zu vier verschiedenen Versorgungslevels empfohlen hatte, orientiert sich der jetzt gefundene Kompromiss sehr stark an der Krankenhausreform von NRW mit 60 Leistungsgruppen. Dies soll nun im Wesentlichen für die bundesweit geltende Reform zugrunde gelegt werden. Diese gut 60 Leistungsgruppen bilden nach Angaben der Minister und Senatorinnen etwa 98 Prozent aller somatischen Krankenhausfälle ab.

Mittelfristig: Qualität bestimmt Vergütung

Die künftige Finanzierung der Krankenhausbetriebskosten erfolgt, wie in der Ursprungsplanung vorgesehen, über drei Elemente: das Pflegebudget (etwa 20 Prozent der Kosten), die leistungsmengenunabhängige Vorhaltevergütung (40 Prozent) und fallzahlabhängigen Entgelten (40 Prozent). 

Dazu werden alle von Krankenhäusern erbrachten Fälle Leistungsgruppen zugeordnet. Ab dem Jahr 2024 weisen die Länder den Krankenhäusern Leistungsgruppen zu, die sich zunächst neben einzelnen, fachlich gebotenen Ergänzungen an dem NRW-Modell orientieren. Für die Konvergenzphase in den Jahren 2025 und 2026 soll dies zunächst budgetneutral sein, das heißt, für die Krankenhäuser ergeben sich keine Erlösveränderungen aus der Reform.

Schon ab 2024 Transparenz über Strukturqualität

Dennoch soll die Reform Druck auf Kliniken, ihre Träger und die Länder als nach wie vor Verantwortliche der Investitionsfinanzierung ausüben, um strukturelle Verbesserungen und vor allem ein homogen hohes Qualitätsniveau zu erreichen. Alle Leistungsgruppen sind mit bundeseinheitlich geltenden Qualitätskriterien verknüpft, die vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und der Arbeitsgemeinschaft der Medizinisch-Wissenschaftlichen Fachgesellschaften – sie sind auch für die Weiterentwicklung der Leistungsgruppen zuständig – erarbeitet worden sind. Nach der Konvergenzphase, also spätestens ab 2027, wird die Einhaltung der Qualitätskriterien zur Voraussetzung für die Auszahlung der Vorhaltefinanzierung. Damit, so Lauterbach, entsteht ein erheblicher Anreiz für die Länder, Kliniken, die die Qualitätsanforderungen gegenwärtig  nicht erfüllen, nachzurüsten.

Erstmals entsteht mit der Definition von Leistungsgruppen und den ihnen zugeordneten Qualitätskriterien Transparenz darüber, welche Krankenhäuser in welchen Leistungsbereichen diese Kriterien bereits jetzt erfüllen. Im Zuge der Beratungen sei dies, so Lauterbach, empirisch für mehr als 1700 Krankenhäuser überprüft worden. Dabei sei eine erhebliche qualitative Heterogenität festgestellt worden: danach erfüllt eine größere Anzahl von Kliniken nicht die Qualitätskriterien für die Leistungen, die sie erbringen, andere Kliniken scheinen de facto "überqualifiziert" zu sein – sie erbringen nicht die Leistungen, für die sie aufgrund ihrer personellen und strukturellen Fazilitäten qualifiziert sind. Dieser Unterschied soll ab dem Beginn des nächsten Jahres – also schon während der Konvergenzphase – für alle Bürger, insbesondere für alle einweisenden Ärzte, transparent gemacht werden. 

An der Zuordnung der Krankenhäuser zur Versorgungslevels will der Bund in den Bundesgesetzen (Krankenhausfinanzierungsgesetz, SGB V) weiter festhalten, die Länder können dafür eine andere Nomenklatur verwenden, in Baden-Württemberg etwa Primärversorgung für das Level 1i. Die Zuordnung zu einem bestimmten Level, so wurde einmütig betont, sage nichts über die Qualität der Leistungserbringung und des Krankenhauses aus. Man versucht damit, Sorgen von Kommunalpolitikern zu entkräften, in deren Region als Folge der Reform keine Kliniken höherer Versorgungslevels mehr existieren.

Level 1i: Zentrale Rolle für die ärztliche Weiterbildung

Eine besondere Rolle sollen künftig Krankenhäuser des Levels 1i einnehmen: sie sollen eine sektorenübergreifende und integrierte Gesundheitsversorgung in der Region organisieren. Dazu zählen Kooperationen mit niedergelassenen Fachärzten und Leistungserbringern aus der Pflege. 

Erstmals wird auch das Thema ärztliche Weiterbildung in einem Papier des Bundesgesundheitsministeriums adressiert:

"Die Standorte der Level 1i-Krankenhäuser sollen wesentlicher Bestandteil in der ärztlichen und pflegerischen Aus- und Weiterbildung sowie weiterer gesundheitsberufe sein. Im Verbund mit anderen Kliniken sollen sie eine zentrale Rolle in der Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie des Pflegepersonal bekommen."