Nephrologie wirbt um den Ärztenachwuchs

Die Nephrologie verzeichnet medizinische Fortschritte, kämpft aber gegen Nachwuchsmangel und die Risiken der geplanten Klinikreform.

Die Zukunft der Nephrologie

Euphorie angesichts des medizinisch-therapeutischen Fortschritts – Sorgen wegen möglichen Fachkräftemangels und kontraproduktiver Auswirkungen der Krankenhausreform: das charakterisiert die aktuelle Situation der Nephrologie. Beides sind bestimmende Themen der von Donnerstag bis Sonntag in Berlin stattfindenden 17. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie.

Aufgrund neuer diagnostischer und therapeutischer Erkenntnisse sowie Arzneimittelinnovationen, beispielsweise aus dem Bereich der Diabetologie, konnten Nierenerkrankungen in den letzten fünf bis zehn Jahren wesentlich spezifischer und effektiver behandelt werden und langfristig das Risiko für Dialysepflicht oder gar Transplantationen erheblich reduzieren. Vor diesem Hintergrund gewinne die Früherkennung von Nierenerkrankungen, die über lange Zeiten symptomlos bleiben, eine wachsende Bedeutung. Sinnvoll wäre es, so Kongresspräsidentin Professor Julia Weinmann-Menke (Universität Mainz), den Check-up 35 um entsprechende Früherkennungsuntersuchungen zu ergänzen. Ein positives Signal dazu habe die WHO gegeben, die die chronische Nierenerkrankungen als Volkserkrankung anerkannt habe.

Zunehmend Sorgen bereite den Nephrologen, so der Präsident der Fachgesellschaft, Professor Martin Kuhlmann vom Vivantes-Klinikum Friedrichhain in Berlin, die Nachwuchssicherung. Derzeit sei die fachärztliche Versorgung im Durchschnitt noch gewährleistet, allerdings mit absehbaren Lücken in ländlichen Regionen. Mit Stipendien und einem organisierten Austausch zwischen erfahrenen Fachärzten und ärztlichem Nachwuchs versuche die Fachgesellschaft, jüngeren Ärzten das Fachgebiet nahezubringen. Angesichts der Innovationen, neuer und gezielter Therapieoptionen und der Möglichkeit, zu den durchweg chronisch kranken Patienten über Jahre hinweg auch eine persönliche Bindung aufzubauen, äußert sich Kuhlmann geradezu „enthusiastisch". Besonders optimistisch sieht er die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten seines Fachs und die Aussichten für die jüngere Ärztegeneration. Derzeit sieht er die Nephrologie mit rund 3000 Fachärzten in 1000 Praxen niedergelassener Ärzte und Dialysezentren sowie 145 Zentren als eigene Abteilungen an Krankenhäusern durchweg noch gut aufgestellt.

Risiken der Klinikreform

Gerade diese zertifizierten Zentren, die mit ihrer Qualifikation eigentlich der Intention der Krankenhausreform schon entsprechen, seien aber in ihrem Bestand durch die Krankenhausreform gefährdet. Ursächlich dafür ist, dass in vielen Bundesländern die erbrachte nephrologische Versorgung oftmals in der Leistungsgruppe „allgemeine Innere Medizin“ verbucht wird und nicht der Leistungsgruppe „Komplexe Nephrologie“ zugeordnet ist. Das führe dazu, dass die Leistungen gerade der zertifizierten nephrologischen Zentren und eigenen nephrologischen Krankenhausabteilungen unterbewertet sind, kritisiert die Generalsekretärin der Fachgesellschaft, Dr. Nicola Helmbold. Das gefährde auch längerfristig die Weiterbildung einer ausreichenden Zahl von Nachwuchskräften. Ein weiterer Kritikpunkt an der Klinikreform: Die Bemessung der geplanten Vorhaltebudgets basieren auf den historischen Abrechnungsdaten der Jahre 2023/24 und werde der Dynamik der Entwicklung von Patientenzahlen nicht gerecht.

Effizienzgewinne durch Heimdialyse

Auf der anderen Seite sehen Nephrologen allerdings auch erhebliches Rationalisierungspotential bei der Versorgung dialysepflichtiger Patienten. So werden fast 95 Prozent der betroffenen Patienten in Deutschland mit der Hämodialyse in Zentren behandelt, nur etwa fünf bis sechs Prozent nutzen die medizinisch gleichwertige Option einer Peritonealdialyse zu Hause. Die Peritonealdialyse, so Kuhlmann, erfordere initial einen intensiven Schulungsaufwand der betroffenen Patienten, erlaube danach aber eine wesentlich größere Eigenständigkeit und mache sie unabhängig von den ansonsten mehrfach wöchentlichen Fahrten ins Dialysezentrum. Neben der größeren Autonomie der Patienten seien Einsparungen insbesondere bei Fahrtkosten ein Nutzen, den die Krankenkassen haben könnten.

Der niedrige Anteil der Heimdialyse sei ein deutsches Spezifikum: Andere Länder wie Schweden oder Frankreich erreichen Versorgungsanteile von 20 Prozent, unter anderem durch Vorgabe von Mindestquoten. In Hongkong werden sogar 80 Prozent der Patienten durch Heimdialyse versorgt; dort gilt sie als erste Wahl der Regelversorgung.