Der Deutsche Ärztetag hat sich dafür ausgesprochen, dass der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate und nach einer Beratung der Frau außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden sollte. In der Debatte um eine Abschaffung des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch mahnt der Ärztetag politisch Verantwortliche zum Augenmaß: „Sowohl das Recht der Frauen auf reproduktive Selbstbestimmung als auch das Recht des Ungeborenen auf Leben ist zu beachten“, heißt es in einem am Freitag getroffenen Beschluss. Die Entscheidung zu einem Abbruch sei eine persönliche Gewissensentscheidung. Wer sich dazu entschließe, müsse wirksam vor Drangsalierungen, Bedrohungen und Angriffen geschützt werden. Es dürfe aber auch kein Arzt zum Schwangerschaftsabbruch gezwungen werden.
Unterstützung für den Vorstoß des Ärztetages kommt vom Deutschen Hausärzteverband. Der rechtliche Status quo sei nicht mehr tragbar, weder für die betroffene Frau noch für Ärzte, so die Vorsitzenden Professor Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beyer. Durch die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen entstehe eine rechtliche Grauzone, die die medizinische Versorgung gefährde.
Mit 212 Stimmen bei 19 Gegenstimmen hat der Deutsche Ärztetag am Donnerstag dem zwischen der Bundesärztekammer und dem PKV-Verband ausgehandelten Entwurf einer neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zugestimmt und den Vorstand beauftragt, das Konzept gemeinsam mit der PKV Bundesgesundheitsministerin Nina Warken zu übergeben. Nach einem 20-jährigen Reformprozess wurde damit ein wichtiger Meilenstein für die grundlegende Novellierung der GOÄ erreicht, die in großen Teilen seit mehr als 40 Jahren unverändert war.
Charakteristika des nun vorliegenden konsentierten Konzepts sind:
Seit 2017 hat der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt den Reformprozess federführend organisiert. Dabei habe es eine bislang einmalige Beteiligung von Fachgesellschaften und Berufsverbänden gegeben. Allein in die drei Workshops 2016 und 2017 seien rund 400 Experten, 65 Berufsverbände und 35 Fachgesellschaften eingebunden gewesen. Die Akteure wurden auch zwischen 2019 und 2021 in 54 Fachgesprächen zur Ermittlung der Leistungsbewertungen aus ärztlicher Sicht einbezogen. In 28 Fachgesprächen sei das Clearingverfahren realisiert worden, um letzte Details zu klären.
Mit der neuen GOÄ werde erreicht, dass
Nachdrücklich warnte Reinhardt – auch vor dem Hintergrund kritischer Stimmen in den Wochen vor dem Ärztetag – vor einem Scheitern der Reform. Auf die Dauer werde die völlig veraltete GOÄ auch für die PKV keinen Bestand haben können. Dann entstehe real die Gefahr, dass das duale System der Vergütung politisch aufgegeben und der EBM auch zum Maßstab der Honorierung für Privatbehandlungen werde.
Der 129. Deutsche Ärztetag hat Bund, Länder und Kommunen aufgefordert, in enger Kooperation mit der Ärzteschaft und anderen Akteuren im Gesundheitswesen zentrale Reformen umzusetzen.
An erster Stelle steht der Ausbau der Krankheitsprävention und der Gesundheitskompetenz im Rahmen einer nationalen Public Health-Strategie, wobei die junge Generation besonders im Fokus steht. Health Literacy müsse verpflichtender Bestandteil der Bildungsarbeit in Kitas und Schulen werden. Dies müsse durch Werbeverbote für ungesunde Nahrungsmittel ergänzt werden. Ebenso sollten Tabak und Alkoholika stärker besteuert werden.
Der Ärztetag begrüßt ausdrücklich den Plan der Regierungskoalition, die Patientensteuerung und Koordinierung der Inanspruchnahme durch ein Primärarztsystem besser zu organisieren. Vorgeschlagen wird dazu ein Runder Tisch „Versorgungssteuerung“.
Medizinische Versorgungszentren sind grundsätzlich sinnvoll, doch der Ärztetag sieht Regulierungsbedarf bei problematischen Entwicklungen durch Fremdinvestoren. Es brauche sichere Rahmenbedingungen, dass Ärzte in MVZ ihre diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen auf Basis medizinischer Kriterien treffen, Transparenz über die Inhaberschaft von MVZ, Verbot von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, Erbringung des vollen Leistungsspektrums der im MVZ vertretenen Fachgebiete.
Die beschlossene Krankenhausreform müsse unter dem Gesichtspunkt von mehr Praktikabilität bei Personal- und Strukturvorgaben für die Leistungsgruppen fortgeführt werden. Bei der Umsetzung der Reform müsse die Sicherung der ärztlichen Weiterbildung angemessen berücksichtigt werden, unter anderem durch Stärkung von Verbundstrukturen und Abbau der Hürden bei der Arbeitnehmerüberlassung. Essenziell sei die Verankerung des ärztlichen Personalbemessungssystems. Die geplante Überarbeitung des neuen Vergütungssystems müsse nicht erst 2027, sondern unverzüglich gestartet werden.
Die Entbudgetierung sei zur nachhaltigen Sicherung und Stabilisierung der ambulanten Versorgung notwendig. Die laut Koalitionsvertrag vorgesehene Prüfung einer Entbudgetierung von Fachärzten in unterversorgten Gebieten dürfe nicht nur unter Kostenaspekten, sondern müsse auch unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Versorgung gesehen werden. In einem weiteren Schritt müssten auch fachärztliche Leistungen entbudgetiert werden, die auf primärärztliche Überweisung erbracht werden.
Zur Vorbereitung eines Entbürokratisierungsgesetzes schlägt der Ärztetag die Bildung einer Task Force vor. Dabei sollen bereits vorliegende Vorschläge aus der Selbstverwaltung ausgewertet werden.
Der Ärztetag mahnt dringend die Umsetzung der Approbationsordnung an. Die Zulassungsvoraussetzungen zum Medizinstudium müssten überarbeitet werden - mit dem Ziel, dass nicht nur Einser-Abiturienten zugelassen werden. Ferner müsse die ärztliche Weiterbildung finanziell besser abgesichert werden, etwa durch eine Weiterbildungspauschale aus dem Gesundheitsfonds. Notwendig seien ferner bessere Rahmenbedingungen für Ärzte, die auch im Ruhestand noch tätig sein wollen.
Künstliche Intelligenz wird als bereits existierende Realität angesehen und chancenreich beurteilt. Notwendig beim Einsatz von KI-Technologien seien Datenschutz, Sicherheit, Verantwortlichkeiten und die Beurteilung der Auswirkungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis. Dafür müssten auch ethische Leitlinien entwickelt werden.
Der 2020 gestartete Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst sollte fortgesetzt werden. Die Besetzung ärztlicher Stellen im ÖGD müsse durch qualifizierte Ärzte sichergestellt werden.
Wachsende Bedrohungen durch Krisen, Kriege, Pandemien sowie insbesondere durch den Klimawandel, erforderten die Stärkung der Resilienz der Gesundheitsversorgung. Dafür brauche es ausreichende Vorräte an Medikamenten und Medizinprodukten, die Sicherung von Lieferketten durch Diversifizierung, eine strukturierte Organisation von Kompetenzen und permanentes Training von Abläufen in Krisenfällen sowie die nachhaltige Sicherung von Fachkräften. In Deutschland bestehe dabei erheblicher Nachholbedarf. Darüber hinaus verabschiedete der Ärztetag zahlreiche Anträge zu Aspekten des Klimawandels: dessen Auswirkungen auf die Gesundheit, die Rolle des Gesundheitswesens als Mitverursacher und notwendige Gegenmaßnahmen.
Knapp zwei Drittel der Bundesbürger würden auf die freie Arztwahl verzichten, wenn sie dafür schneller einen Facharzttermin nach einem Hausarztbesuch erhalten könnten. Das geht aus einer Forsa-Umfrage unter 8583 Bundesbürgern im Auftrag des AOK-Bundesverbandes hervor. Jeder zweite Befragte berichtete, dass er als GKV-Versicherter bei der Terminvergabe im Vergleich zu Privatpatienten benachteiligt worden sei - überwiegend bei einer telefonischen Terminvereinbarung, aber auch bei Online-Terminvergaben. 17 Prozent berichteten, zeitnah einen Termin erhalten zu haben, weil sie die Behandlungskosten selbst gezahlt hätten.
Die Entwicklung der Impfquoten gegen HPV zeigt keine Fortschritte. Nach einer Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen (WIdO) lag die Impfquote bei AOK-versicherten Mädchen im Alter von 15 Jahren im dritten Quartal 2024 bundesweit bei 49,5 Prozent und damit um einen Prozentpunkt unter der Quote des Vorjahres. Auch mittelfristig zeigen sich nur geringfügige Fortschritte: 2018 lag die Impfquote bei Mädchen bei 45,3 Prozent. Deutschland liegt damit noch weit entfernt vom Ziel der WHO, bis 2030 eine Impfquote von 90 Prozent zu erreichen. Noch niedriger liegen die Quoten bei Jungen, für die die STIKO die Impfung ebenfalls empfiehlt: 30 Prozent sind vollständig, 40 Prozent mindestens einmal geimpft.
Regional gibt es erhebliche Unterschiede: In allen östlichen Bundesländern liegt die Quote der geimpften Mädchen bei über 60 Prozent, an der Spitze in Sachsen-Anhalt mit 65,7 Prozent. Schlusslicht ist Bremen. Teils wurden hier auch die Quoten deutlich gesteigert, so in Brandenburg um 10 Punkte. Schlusslicht ist Bremen mit einer Quote von 32,9 Prozent. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland auf Platz 19. Länder wie Island, Norwegen, Portugal, Spanien und Schweden haben das WHO-Ziel mit 95 bis 85 Prozent vollständig oder fast erreicht.
Ein ähnlich düsteres Bild der Impfprävention zeigt sich bei der Nutzung der Herpes zoster-Impfung. Generell empfiehlt sie die STKO für alle Menschen über 60 und für Menschen mit chronischen Erkrankungen ab dem 50. Lebensjahr. In dieser Zielgruppe liegt die Impfquote bei lediglich 17,5 Prozent, wie das Unternehmen GSK mitteilt. Menschen mit Diabetes haben ein um 36 Prozent erhöhtes Risiko, an Herpes zoster zu erkranken.
Die Kommunale Abwasser-Richtlinie (KARL) der EU könnte nach Angaben des Branchenverbandes Pro Generika die Metformin-Produktion in Europa unmöglich machen. Damit würden erhebliche Versorgungsprobleme für rund drei Millionen Diabetiker in Deutschland verursacht werden, die mit diesem Arzneimittel behandelt werden. Die Abwasser-Richtlinie sieht für Kläranlagen eine vierte Reinigungsstufe vor, mit der auch Medikamente und deren Rückstände aus dem Abwasser gefiltert werden können. Die Kosten für die Nachrüstung soll zu einem großen Teil von der Pharma-Industrie getragen werden. Laut Pro Generika würde dies die Kosten der Metformin-Produktion um 445 Prozent erhöhen, die Herstellung in Europa wäre damit angesichts ohnehin schon niedriger Generikapreise nicht mehr rentabel. Die Patienten müssten dann mit teureren Alternativen behandelt werden. Pro Generika hat dafür Mehrkosten von bis zu 1,5 Milliarden Euro für die GKV errechnet.
Auf Vorschlag von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat das Bundeskabinett am Mittwoch den bisherigen Patientenbeauftragten Stefan Schwartze in seinem Amt bestätigt. Neue Bevollmächtigte für die Pflege ist die Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler. Neuer Sucht- und Drogenbeauftragter ist der Bonner Virologe Professor Hendrik Streeck, der neu in den Bundestag eingezogen ist.