Im Rahmen der abschließenden Beratungen des Bundeshaushalts für 2026 sind auf der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses noch einmal wichtige Entscheidungen für den Bereich Gesundheit gefallen.
So erhält das Bundesforschungsministerium Mittel, die es erlauben, eine „Nationale Dekade gegen Postinfektiöse Erkrankungen“ auszurufen; für die Jahre 2026 bis 2036 werden dafür 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Schwerpunkte sind ME/CFS sowie postvirale Autoimmunkrankheiten. Geplant sind Forschungsprojekte in den Bereichen Pathophysiologie und Immunologie, Diagnostik und Biomarker sowie zur psychischen Gesundheit. Ebenfalls sollen klinische Studien vorangetrieben werden. Die Zahl der Experten soll durch Nachwuchsförderung erhöht werden. Ferner sollen KI-basierte Anwendungen entwickelt werden, die eine gesicherte Speicherung und das geschützte Teilen aller gewonnenen Daten ermöglichen. Postinfektiöse Erkrankungen wie Long COVID und sind komplex und haben unterschiedliche Erscheinungsformen. Bisherige Therapien sind allenfalls symptomatisch.
Weitere Entscheidungen der Haushaltspolitiker betreffen den Etat des Bundesgesundheitsministeriums: Damit Beitragssatzsteigerungen für die Pflegeversicherung vermieden werden, soll der bereits zugesagte Kredit von 1,5 um 1,7 Milliarden Euro aufgestockt werden. Der Verband der Ersatzkassen kritisiert, dass damit die Finanzierungsproblematik nicht kausal gelöst wird. Ferner erhält das BMG für ein neues Forschungsprojekt zur Frauengesundheit 11,5 Millionen Euro. Auf diese Weise soll ermittelt werden, wie Versorgungslücken geschlossen werden können.
Das von Bundesgesundheitsministerin Warken geplante Spargesetz, mit dem Beitragssatzerhöhungen in der GKV zum Jahreswechsel vermieden werden sollen, stößt auf Widerstand im Bundesrat. Sein Gesundheitsausschuss hat empfohlen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Der Grund ist die vorübergehende Aussetzung der Meistbegünstigungsklausel für die Ermittlung der Erlössteigerung der Krankenhäuser. Diese können für die Refinanzierung ihrer Sachkosten bislang unter der vom Statistischen Bundesamt erwarteten und der tatsächlichen Kostensteigerung die für sie bessere Variante wählen. Das Moratorium spart den Kassen 1,8 Milliarden Euro jährlich. Die Länder kritisieren, dass damit die vom Bund finanzierten Soforttransformationskosten in Höhe von zwei Milliarden Euro jährlich nahezu aufgezehrt werden.
Der ergänzte erweiterte Bewertungsausschuss, der aus der KBV, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem GKV-Spitzenverband sowie zwei unparteiischen Mitgliedern besteht, hat sich auf eine starke Erweiterung des Katalogs von Hybrid-DRGs geeinigt. Statt der bislang 22 sollen ab dem kommenden Jahr 69 Hybrid-DRGs von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern abgerechnet werden können. Das Fallzahlvolumen könnte damit von 280.000 auf rund 900.000 Fälle steigen, die ehemals vollstationär erbracht worden sind. Das betrifft beispielsweise kardiologische Diagnostikleistungen, Appendektomien und Cholezystektomien.
Aus Sicht des GKV-Verbandes müssten die Leistungsbewertungen der Hybrid-DRGs, die derzeit noch relativ hoch seien, abgesenkt und in Richtung EBM-Bewertung konvergieren.
Im dynamisch wachsenden Segment der biosimilaren Arzneimittel sieht das wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen (WIdO) ein Sparpotential zwischen knapp 700 Millionen und 2,33 Milliarden Euro – je nach Ausmaß der Austauschbarkeit wirkstoffgleicher Biosimilars. Von dem Gesamtmarkt der Biosimilars mit einem Volumen von 5,66 Milliarden Euro gelten nach Auffassung des WIdO 4,23 Milliarden Euro als grundsätzlich substituierbar. Um dies zu konkretisieren, hat der Gemeinsame Bundesausschuss im Juni ein Beratungsverfahren eingeleitet und führt dazu in diesen Tagen eine Expertenanhörung durch. Wirkstoffe, die dann als substituierbar gelten, würden einem verschärften Preiswettbewerb ausgesetzt werden, wodurch auch in Deutschland die bereits in anderen Ländern erfolgten Preisnachlässe möglich würden, hofft das WIdO. Das Institut plädiert dafür, dass der Gesetzgeber eine verbindliche Austauschregelung über die parenteralen Zubereitungen hinaus in den Apotheken vorschreibt. Das Bundesgesundheitsministerium will allerdings die Entscheidung des Bundesausschusses und die sich daraus ergebende Substitutionspraxis beobachten und plant von sich aus derzeit keine weitergehenden Regelungen.
Der Branchenverband Pro Biosimilars sieht erweiterte Substitutionsregelungen kritisch. Er warnt vor einer Entwicklung wie bei chemischen Generika, wo der exzessive Preiswettbewerb über Rabattverträge in Kombination mit strikten Substitutionsgeboten zur einer teils gefährlichen Herstellerkonzentration und Lieferengpässen geführt hat.
Anlässlich der Weltantibiotikawoche vom 18. bis 24. November kritisiert die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie die Verkürzung der im Rahmen der Krankenhausreform einzuführenden Leistungsgruppen auf 62 und den Wegfall der Leistungsgruppe „Infektiologie“. Das bedeutet für die Krankenhäuser, dass mit Entfall dieser Leistungsgruppe eine spezielle Infektiologie mit der entsprechenden Expertise nicht mehr finanzierbar sei und nicht mehr vorgehalten werden kann. Außerdem werde die Basis für die Weiterbildung dieser Fachgruppe beseitigt. Die Folge für Patienten: Die Qualität der Versorgung gerade bei schweren Komplikationen droht erheblich zu leiden. Die Stellungnahme wurde gemeinsam mit anderen Fachgesellschaften wie der DGIM, der Gesellschaft für Virologie und der Deutschen Aids-Gesellschaft abgegeben.
Die Fachgesellschaft weist darauf hin, dass mit der Einbindung infektiologischer Fachärzte die Behandlung schwerer und komplexer Infektionen deutlich verbessert wird, die Überlebenschancen der Patienten um bis zu 20 Prozent steigen und durch Vermeidung von Komplikationen der Antibiotikaverbrauch gesenkt werden kann.
Der Verzicht auf eine Leistungsgruppe Infektiologie stehe konträr zur internationalen Entwicklung. Die WHO warnte erst im Oktober vor den weltweiten Risiken wachsender . 2023 sei jede sechste laborbestätigte bakterielle Infektion resistent gegen Antibiotika gewesen – das Ausmaß der Resistenzen wachse derzeit schneller als die Fortschritte in der Medizin.
Markus Algermissen, bisher Unterabteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium und hier für Medizin- und Berufsrecht sowie neuerdings für Öffentliche Gesundheit zuständig, wird Präsident des Bundesamtes für Soziale Sicherung. Die dem Bundesarbeitsministerium unterstehende Behörde wurde bislang von Frank Plate geleitet, der in den Ruhestand tritt.