Vor dem Hintergrund einer Finanzlücke von mindestens vier Milliarden Euro und drohender Beitragssatzerhöhungen zum Jahreswechsel steht Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) unter Druck. Sie muss nun kurzfristig eigene Sparmaßnahmen vorlegen, ohne die Ergebnisse der erst kürzlich gestarteten Kommission für Finanzreformen in der GKV abzuwarten. Das Ziel ist nun, dass das Ministerium selbst bis zur Sitzung des Schätzerkreises Mitte Oktober ein eigenes Instrumentarium erarbeitet, das kurzfristig bereits ab 2026 wirksam werden könnte.
Rasche Maßnahmen zur Stabilisierung der GKV-Finanzlage hält auch die Opposition für geboten: Bereits auf dem Tisch liegende Vorschläge könnten nach Auffassung des Grünen-Gesundheitspolitikers Janosch Dahmen aufgegriffen und rasch umgesetzt werden, mit denen etwa acht Milliarden Euro gespart werden könnten.
Dazu gehören ein von 7 auf 17 Prozent erhöhter Herstellerabschlag auf patentgeschützte Arzneimittel (3 Milliarden Euro), die Ausweitung der rabattierten Arzneimittelpreise nach dem AMNOG-Verfahren auf Krankenhäuser (1 Milliarde Euro) sowie die Bindung der Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel an die Entwicklung der Grundlohnsumme. Weitere Milliarden-Einsparungen sieht Dahmen in Strukturreformen bei der Notfallversorgung und den Rettungsdiensten, für die fertige Referentenentwürfe bereits vorliegen, ohne dass sie von Warken in den ersten fünf Monaten ihrer bisherigen Amtszeit aufgegriffen worden sind.
Die Besetzung der Kommission, die erste Vorschläge für eine Finanzreform der GKV bis März nächsten Jahres erarbeiten soll, wurde von Warken am 12. September bekannt gegeben. Die zehn Mitglieder sind Gesundheits-Ökonomen, Public Health-Experten, Mediziner und Sozialrechtler, darunter auch Mitglieder des Gesundheits-Sachverständigenrates. Den Vorsitz führt der Bielefelder Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner, sein Stellvertreter ist der Frankfurter Allgemeinarzt Ferdinand Gerlach.
Doch nicht nur die Lage der GKV-Finanzen, auch die weitere Umsetzung der Krankenhausreform, stellt Warken vor neue Probleme. Denn in der Koalition ist der Kompromiss zur Klinikreform umstritten, den Warken vor der Sommerpause mit den Bundesländern gefunden hatte. Dieser sieht einen längeren Zeitrahmen für die Reform sowie zahlreiche Ausnahmen und Erleichterungen bei den Vorgaben zur Zuteilung von Leistungsgruppen vor.
Erschwerend kommt für Warken hinzu, dass für die SPD-Fraktion der Urheber der erst im Dezember beschlossenen und nun zur Revision anstehenden Klinikreform, Karl Lauterbach, von Vizekanzler Lars Klingbeil als Verhandlungsführer autorisiert worden ist – ein ungewöhnlicher Vorgang, weil sich ehemalige Ressortchefs in der Regel in Bezug auf ihr ehemaliges Ministerium neutral verhalten. Die erste Folge: Warkens mit den Bundesländern gefundener Kompromiss zur Krankenhausreform wurde von der SPD einstweilen blockiert und konnte nicht im Kabinett verabschiedet werden. Inzwischen soll zur Klinikreform ein Kompromiss zwischen Klingbeil/Lauterbach einerseits und den Ländern andererseits gefunden worden sein – ein Umstand, der die Position der Newcomerin nicht gerade stärkt.
Koalitionsintern hat die SPD die Latten für die neue Bundesgesundheitsministerin auch für die kurzfristige Stabilisierung der GKV-Finanzen inzwischen so gelegt, dass diese eigentlich nur gerissen werden können: Keine Leistungskürzungen, keine Privatisierungen und keine neuen Belastungen für die Versicherten – stattdessen echte Strukturreformen.
Aufgrund der seit Jahren unzureichenden Refinanzierung von Krankenkassenleistungen für Empfänger von Bürgergeld – jährlich läuft hier inzwischen ein Fehlbetrag von mehr als zehn Milliarden Euro auf – hat der GKV-Spitzenverband im Namen aller gesetzlichen Krankenkassen eine Klage beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen als erster Instanz eingeleitet.
Als Träger der Fürsorge hat der Bund die Krankenkassen damit beauftragt, die gesundheitliche Versorgung der Bürgergeldempfänger zu übernehmen. Diese Leistung werde aber nur zu einem Drittel vom Bund refinanziert, obwohl der Bund dafür die alleinige Finanzverantwortung übernehmen müsse. Das begründet nach Auffassung der Krankenkassen einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht der Sozialversicherungsträger auf organisatorische und finanzielle Selbständigkeit nach Artikel 87 Absatz 2 des Grundgesetzes. Zugleich liege ein Verstoß gegen die strenge Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen vor, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben verwendet werden dürfen. Klagegegenständlich werden die im Herbst 2025 eingehenden Zuweisungsbescheide des Bundesamtes für Soziale Sicherheit aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2026 sein.
Betriebsrentner werden weiterhin den vollen Beitragssatz auf ihre Kranken- und Pflegekassenbeiträge bezahlen müssen. Wegen der Finanzlage der Krankenkassen und des Bundeshaushaltes sei es nicht vorstellbar, dass Betriebsrentner in dieser Legislaturperiode entlastet werden können, so das Bundesgesundheitsministerium. In der Vergangenheit waren mehrfach Entlastungen angekündigt worden. Betroffen sind mehrere Millionen Bezieher von Betriebsrenten, die auf Direktverträgen basieren und deren Beiträge bereits zur Sozialversicherung verbeitragt worden sind. Das führt bei Auszahlung der Betriebsrenten aufgrund einer 2004 geschaffenen Regelung zu einer erneuten Verbeitragung zur Kranken- und Pflegeversicherung. Ein später eingeführter Freibetrag von 187,25 Euro mildert das Problem nur geringfügig.
Das Bundesgesundheitsministerium plant im Rahmen einer Apothekenreform, das Vergütungssystem für Apotheker zu überarbeiten und die Honorare in Teilen anzuheben. Diese Pläne stehen allerdings unter dem Vorbehalt der Empfehlungen, welche die kürzlich eingesetzte Kommission für Strukturreformen in der GKV-Finanzierung bis März 2025 vorlegen wird. Geplant ist, je nach Finanzspielraum das Packungsfixum für die Apotheken zu erhöhen, eine Anpassung der Honorare durch Verhandlungen mit den Krankenkassen zu ermöglichen und handelsübliche Skonti wieder einzuführen.
Um ein flächendeckendes Apothekennetz zu gewährleisten und insbesondere ländliche Apotheken zu stärken, sollen gesonderte Zuschläge für Landapotheken gezahlt werden können. Übergangsweise soll dies durch eine signifikante Anhebung der Nacht- und Notdienstpauschalen erreicht werden. Der bisherige Zuschlag für pharmazeutische Dienstleistungen von 20 Cent pro Packung für verschreibungspflichtige Arzneimittel wird dabei auf die Nacht- und Notfallvergütung umverteilt. Ferner sollen Anreize für die Gründung von Apotheken in bestimmten Regionen geschaffen werden.
Auf Kritik der Ärzteschaft stößt der Plan, die Kompetenzen der Apotheker zu erweitern. Das betrifft die Ausweitung von Austauschmöglichkeiten, die Ausweitung von Präventionsmaßnahmen durch einfache diagnostische Tests in der Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Erweiterung von Impfmöglichkeiten. So sollen Apotheken zur Durchführung aller Impfungen mit Totimpfstoffen berechtigt werden. Bei einer Reihe grundsätzlich unkomplizierter Erkrankungen sollen Apotheker ermächtigt werden, eigenverantwortlich bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel abzugeben. Dies muss in der ePA dokumentiert werden.
Unmittelbar vor dem Start des verpflichtenden Einsatzes der elektronischen Patientenakte zum 1. Oktober ist nach Erkenntnissen der KBV etwa ein Fünftel der Praxen nicht hinlänglich technisch dafür ausgerüstet. Als Ursache werden Probleme der Anbieter von Praxisverwaltungssystemen genannt. Ärgerlich und aus Sicht der KBV unberechtigt drohen diesen Praxen honorarwirksame Sanktionen. Eindeutig aber sind die niedergelassenen Ärzte am weitesten mit der Digitalisierung – die Krankenhäuser hinken deutlich hinterher. Dies erschwert nach wie vor die Kommunikation zwischen den Leistungssektoren, sodass nach wie vor Faxgeräte eingesetzt werden müssen.
Generell ist die ePA bei den Versicherten auf ein unerwartet hohes Maß an Akzeptanz gestoßen: von der Widerspruchsmöglichkeit wurde nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht, 70 der 74 Millionen GKV-Versicherten haben prinzipiell die Möglichkeit, die ePA zu nutzen. In der Praxis sieht dies aber offenbar anders aus. Nach Angaben des Aktionsbündnisses Patientensicherheit und des AOK-Bundesverbandes haben Patienten offenbar erhebliche Probleme, ihre Krankenakten einzusehen.
Sie bedürfen dabei Unterstützung, bekämen diese aber nicht. Laut einer Online-Umfrage unter 3300 Versicherten hatten 31 Prozent schon einmal eine Akte angefordert. Ein Drittel davon habe Unterstützung benötigt. Mehr als die Hälfte derer, die eine Akte eingefordert hatten, erhielten Einsicht erst aufgrund einmaliger oder gar mehrmaliger Nachfrage. 16 Prozent hielten ihre Akten für unvollständig. Aufgrund dessen plädiert der AOK-Bundesverband dafür, rechtliche Konsequenzen für jenen Fall zu schaffen, in dem Patienten die Einsicht in ihre Akte verweigert wird.
Die vom Bundestag beschlossene Enquetekommission hat am 8. September mit der Aufarbeitung der Corona-Pandemie begonnen. Die Aufgabe des insgesamt 28-köpfigen Gremiums – jeweils zur Hälfte Parlamentarier und Sachverständige – ist es, ein Gesamtbild der Pandemie – ihrer Ursache, Verläufe und Folgen – sowie der staatlichen Maßnahmen unter Berücksichtigung des jeweils verfügbaren Erkenntnisstandes zu bewerten. Das Ziel ist, für kommende Pandemien besser vorbereitet zu sein. Den Abschlussbericht soll die Kommission bis Ende Juni 2027 vorlegen. Vorsitzende des Gremiums ist die CDU-Abgeordnete Franziska Hoppermann.
Acht Bundesländer unter der Federführung von Nordrhein-Westfalen haben am vergangenen Freitag im Bundesrat einen neuen Anlauf für eine Reform des Transplantationsgesetztes gestartet mit dem Ziel, in Deutschland die bisher geltende Zustimmungs-durch eine Widerspruchslösung zu ersetzen. Der eingebrachte Gesetzentwurf sieht vor, dass künftig alle volljährigen Menschen in Deutschland als Organspender gelten, sofern sie dem nicht ausdrücklich widersprochen haben. Unterstützt wird das Vorhaben von Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Im vergangenen Jahr wurden 2850 Organe gespendet, benötigt wurden allerdings 8300 Spenderorgane. Die Wartezeit liegt bei etwa acht Jahren. Zudem ist Deutschland von ausländischen Spenden abhängig. Verfassungsrechtlich ist die Widerspruchslösung umstritten. Die Bedenken gründen sich auf unzulässige Eingriffe in Persönlichkeitsrechte, aber auch auf hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit, wobei argumentiert wird, dass das Spenderaufkommen regional extrem unterschiedlich ist: So kommt Mecklenburg-Vorpommern auf über 20 Spenden je eine Million Einwohner, die südlichen Bundesländer auf weit weniger als die Hälfte. Als Ursache werden organisatorische Unterschiede in den Krankenhäusern vermutet, die für die Organentnahme zuständig sind.
Ulf Fink, einflussreicher Sozial- und Gesundheitspolitiker der CDU und Berliner Gesundheits- und Sozialsenator von 1981 bis 1989, ist am 12. September im Alter von 82 Jahren gestorben. Der gebürtige Freiberger studierte Wirtschaftswissenschaften in Hamburg, Marburg und Bremen, war anschließend im Bundesarbeitsministerium und der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag tätig und fungierte als CDU-Bundesgeschäftsführer ab 1979 als wichtiger Ideengeber des damaligen CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler. In den 1990er Jahren war er CDU-Vorsitzender in Brandenburg, zwischen 1994 und 2002 gehörte er dem Bundestag an. Nach seiner politischen Karriere gründete er die WISO-Gruppe in Berlin und etablierte 1998 den Hauptstadtkongress als bedeutendstes Event für Medizin und Gesundheitspolitik in Deutschland.