Eine „sich zuspitzende Finanzsituation“ der gesetzlichen Krankenversicherungen stellt der jüngste Prüfbericht des Bundesrechnungshofs fest. Ohne zügige Reformen erwarten die Prüfer einen Anstieg des Beitragssatzes auf 18,7 Prozent bis 2029; der Zusatzbeitrag könnte dann bei über 4 Prozent liegen.
Grund dafür ist, dass die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben jedes Jahr um 6 bis 7 Milliarden Euro zunimmt. Da auch die Beitragssätze in der Renten- und Pflegeversicherung steigen werden, wachse die Gesamtbelastung der Löhne durch Sozialversicherungsausgaben auf 46 Prozent bis zum Ende der Legislaturperiode. Diese zusätzlichen massiven Belastungen sieht der Rechnungshof als ein Risiko, das den wirtschaftlichen Aufschwung gefährdet.
Die Prüfer verbinden dies mit eindeutiger Kritik an dem Plan der Koalition, Expertenkommissionen einzusetzen, die erst 2027 Ergebnisse liefern sollen. Notwendige Schritte würden damit auf die lange Bank geschoben.
Bevor langfristige Strukturreformen wirksam werden können, bedarf es dringender Sofortmaßnahmen. Dazu gehören insbesondere die Deckelung der Personalkosten in Krankenhäusern sowie Einschränkungen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung.
Die stark steigenden Ausgaben für Gesundheits- und Pflegeleistungen belasten zunehmend auch die öffentlichen Sozialhilfekassen: Hilfen für Gesundheit und Pflege stiegen innerhalb der Sozialhilfe im vergangenen Jahr um 17 Prozent; die gesamten Sozialhilfeausgaben wuchsen um 15 Prozent auf 20,2 Milliarden Euro.
Der Referentenentwurf zur Korrektur der Ende 2023 beschlossenen Krankenhausreform ist überwiegend auf Kritik gestoßen. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hofft dennoch, durch flexiblere Struktur- und Qualitätsanforderungen sowie regionale Ausnahmeregelungen die Zustimmung der Länder im weiteren Umsetzungsprozess der Gesamtreform zu gewinnen. Bei der Verbändeanhörung in der vergangenen Woche gab es fast keine positiven Stimmen.
Bundesärztekammer und Marburger Bund halten die Reform in ihrem Kern nicht für funktionstüchtig, so BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. Das gilt insbesondere für die Vorhaltevergütung und deren Ausgestaltung, die sich nach wie vor an der Fallzahl orientieren. Das führe zu Überregulierung und Fehlanreizen. Mögliche Verwerfungen sehen die Ärzte-Organisationen auch in der Ausgestaltung des Groupers.
Ein positives Element sieht hingegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung in der Absicherung der belegärztlichen Versorgung. Sie fordert, in den Ausschuss eingebunden zu werden, der die Weiterentwicklung der Leistungsgruppen erarbeiten soll.
Der Verband der Universitätsklinika – der im Unterschied zur Deutschen Krankenhausgesellschaft die Reform in ihrer Ursprungsversion ausdrücklich begrüßt hatte – sieht die nun vorgesehenen Ausnahmeregelungen als Gefährdung für notwendige Strukturverbesserungen. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Krankenhäusern, da Einrichtungen, die die Qualitätsanforderungen nicht erfüllen, wirtschaftlich bevorzugt werden.
Grundlegende Kritik kommt von den Krankenkassen: Die Aufweichung geplanter Qualitäts- und Strukturvorgaben würde das zentrale Ziel der Reform, bundeseinheitliche Standards für Qualität und Patientensicherheit zu etablieren, gefährden. Völlig unverständlich sei die Streichung bundeseinheitlicher Vorgaben für die Erreichbarkeit von Kliniken – dies gebe den Ländern die Möglichkeit, unter Hinweis auf Gefährdung der flächendeckenden Versorgung von Struktur- und Qualitätsstandards, abzuweichen. Sowohl Ärzteschaft als auch Krankenkassen kritisieren, dass die geplante Vorhaltefinanzierung entgegen ihren Forderungen nicht unabhängig von den Fallzahlen gestaltet werden soll. Sie schlagen vor, die Verschiebung der Einführung um ein Jahr zu nutzen, um ein wissenschaftlich begründetes Instrument zur Bemessung der Vorhaltebudgets zu erarbeiten. Einziger positiver Aspekt aus Kassensicht: die geplante Finanzierung des Transformationsfonds aus dem Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes.
Arbeitgeber wurden im vergangenen Jahr mit 82 Milliarden Euro für Lohnfortzahlung an kranke Mitarbeiter belastet. Innerhalb von nur drei Jahren stiegen diese Kosten um zehn Milliarden Euro. Ursächlich für die Zunahme sind der steigende Krankenstand und starke Tariflohnerhöhungen. Vor dem Hintergrund wachsender Belastungen schlägt das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft die Einführung von Karenztagen vor. Alternativ könnte die Fortzahlung auch zeitlich begrenzt werden, vor allem wenn bei einer neuen Krankheitsdiagnose der Fortzahlungsanspruch nach mehr als sechswöchiger Krankheit wieder auflebt.
Die Forderung von Arbeitgeberverbänden nach einer Kontaktgebühr bei jeder Arztkonsultation wird vom Hausärzteverband als unsozial und risikoreich bewertet. Insbesondere chronisch Kranke, die eine engmaschige Betreuung benötigen, müssten diese Gebühr dann möglicherweise dutzende Male im Jahr bezahlen; das könne sie leicht überfordern, so die Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Professor Nicola Buhlinger-Göpfarth. Die Gebühr könne auch dazu führen, dass dringend notwendige Arztbesuche verzögert und Krankheiten verschleppt werden. Buhlinger-Göpfarth sieht zwar ebenfalls das Problem unnötiger Arzt-Konsultationen; die Antwort darauf müsse aber eine effektive und effiziente Patientensteuerung in einem hausärztlichen Primärarztsystem sein.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Anforderungen für die Bildung von berufsübergreifenden Kooperationsverbünden für die Versorgung von Patienten mit komplexem psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungsbedarf gesenkt. Hintergrund ist, dass vier Jahre nach Einführung dieser Versorgungsform bundesweit aktuell nur 26 Verbünde etabliert sind.
Ein Zwischenbericht dazu ergab, dass diese Verbünde eine echte Verbesserung für die Patienten sind, aber bei weitem keine flächendeckende Versorgung erreicht ist. Die Novellierung der entsprechenden Richtlinie senkt die Mindestanzahl der an einem Verbund teilnehmenden Fachärzte und Psychotherapeuten von zehn auf sechs. Zudem wird die Verbindlichkeit einer Kooperation mit einem Krankenhaus gelockert und der volle Versorgungsauftrag für den Bezugsarzt aufgehoben. Darüber hinaus ermöglicht die Neuregelung die Nutzung digitaler Instrumente.
Demenz wird – entgegen einem Wunsch der KBV – nicht in diese Versorgungsform einbezogen. Gleichwohl wird auch für dieses Krankheitsbild vor dem Hintergrund wichtiger Arzneimittelinnovationen eine ähnliche Versorgungsstruktur für sinnvoll gehalten.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zudem die Regelungen für die ambulante Richtlinien-Psychotherapie bei Substanzabhängigkeiten angepasst: Der Behandlungsumfang zur Erreichung der Abstinenz wird von zehn auf zwölf Stunden erhöht. Bei nachweislich realistischen Erfolgsaussichten kann die Therapie um weitere zwölf Stunden verlängert werden.
Für die hochkomplexe Operation des äußerst seltenen Morbus-Hirschsprung-Syndroms – einer schweren angeborenen Fehlbildung des Darms – plant der Gemeinsame Bundesausschuss eine verbindliche Mindestfallzahl pro Klinik. Diese Regelung soll sicherstellen, dass der Eingriff künftig nur noch in Einrichtungen mit ausreichender Erfahrung durchgeführt wird. Dazu wird nun ein entsprechendes Beratungsverfahren eingeleitet.
Nach Leitlinien sollte die Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankung nach der Erstversorgung in den ersten Lebensmonaten durch ein interdisziplinäres Team an einem Zentrum mit ausreichender Behandlungsroutine erfolgen. Obwohl die Operation planbar ist, zeigen Daten des Bundesausschusses eine problematische Verteilung: Zwischen 2020 und 2022 gab es insgesamt nur 163 Behandlungsfälle, die sich jedoch auf 88 verschiedene Kliniken verteilten. Lediglich eine einzige Klinik behandelte in diesem Zeitraum mehr als zehn Fälle. Diese Zersplitterung der Versorgung soll durch die neue Mindestmengenregelung behoben werden.