Der Bundestag hat am Donnerstag abschließend den Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums für 2026 gebilligt. Er umfasst insgesamt 21,8 Milliarden Euro, die ganz überwiegend an die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung fließen. Ein wesentlicher Bestandteil ist der Bundeszuschuss für den Gesundheitsfonds in Höhe von 14,5 Milliarden Euro. Zusätzlich wird ein Darlehen von 2,3 Milliarden Euro an die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bereitgestellt, um zu verhindern, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag über 2,9 Prozent steigen muss. Ein weiteres Darlehen an die Pflegversicherung wurde um 1,7 auf 3,2 Milliarden Euro erhöht – auch dies, um Beitragssatzsteigerungen vorerst zu vermeiden.
Vor dem Hintergrund des Bundesrats-Vetos gegen Sparmaßnahmen zu Lasten der Krankenhäuser und zur Entlastung der GKV mit einem Volumen von 1,8 Milliarden Euro im kommenden Jahr haben sich der GKV-Spitzenverband und alle bedeutenden Kassenverbände an die Bundesregierung, die Fraktionschefs und Fachpolitiker sowie die Gesundheitsminister der Bundesländer gewandt. Die Krankenkassen warnen, dass die zum Jahreswechsel anstehenden Beitragssatzerhöhungen deutlich über den bereits beschlossenen Anstieg des Zusatzbeitrags hinausgehen werden. Dieser wurde zwar bereits um 0,3 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent angehoben, was einem Gesamtbeitragssatz von 17,5 Prozent entspricht, doch die tatsächlichen Erhöhungen könnten nach Einschätzung der Kassen noch höher ausfallen. Schon der kalkulierte Beitragssatz berücksichtige nicht, dass die Krankenkassen ihre gesetzlichen Mindestreserven dringend wieder aufstocken müssten. Ferner sei derzeit nicht transparent, wie sich ihre Finanzen entwickeln würden – sie könnten daher ihre Versicherten nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, transparent über die mögliche Beitragsentwicklung informieren.
Die seit Jahren steigenden Beiträge in der Krankenversicherung – 2001 waren es noch 13,6 Prozent – haben dazu geführt, dass die Summe der Sozialversicherungsbeiträge – 18,6 Prozent für Rente, 3,6 Prozent für Pflege und 2,6 Prozent für Arbeitslose – auf einen neuen Allzeit-Rekord von 42,3 Prozent der Bruttolöhne steigen wird. Das bisherige Rekordjahr 1988 am Ende der Ära Kohl von 42,1 Prozent wird damit nun übertroffen. Ursächlich für diese Entwicklung ist, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die seit 2005 von 26,3 Millionen auf derzeit 35 Millionen gestiegen ist, seit einigen Jahren stagniert. Damit können überdurchschnittliche Ausgabenzuwächse bei der Kranken- und Pflegeversicherung nicht mehr kompensiert werden.
Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass insbesondere gutverdienende Beschäftigte, deren Einkommen die Beitragsbemessungsgrenzen übersteigen, erheblich zusätzliche belastet werden, einerseits durch Beitragssatzerhöhungen, zum zweiten durch Erhöhung der Einkommensgrenzen: In der Spitze liegt die Belastung mit Sozialabgaben, inklusive des Arbeitgeberanteils bei monatlich 3017,80 Euro.
Auch die Wirtschaft ist angesichts dieser Entwicklung alarmiert und fordert dringend einschneidende Reformen: Die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen wie der Krankenversorgung von Bürgergeld-Empfängern aus Steuermitteln sowie effizientere Strukturen mit gezieltem Mitteleinsatz.
Auch Privatversicherte müssen im kommenden Jahr erheblich mehr für ihre Krankheitsabsicherung aufwenden, sind aber je nach Alter sehr unterschiedlich betroffen. Überdurchschnittlich steigen die Prämien für die Kinderversicherung um rund 13 Prozent, um 11 Prozent bei Erwachsenen. An der Spitze kann die Kinderversicherung um 17 Prozent teurer werden. Besonders betroffen sind aber ältere, langjährig Versicherte betroffen, bei denen der Prämienanstieg in einzelnen Tarifen bis zu 50 Prozent betragen kann. Ursächlich dafür ist ein systematischer Webfehler im Wettbewerb der privaten Krankenversicherungsunternehmen: Neue Versicherte gewinnen die PKV meist nur bei jungen Gutverdienern, bei denen höhere Gesundheitsrisiken in ferner Zukunft liegen. Aus diesem Grund werden regelmäßig neue Tarife für jeweils jüngere Kundengruppen auf den Markt gebracht, um mit Niedrigstprämien Neukunden anzulocken. Der einmal vorhandene Versicherungsbestand in einem Tarif altert über die Zeit und akkumuliert eine steigende Morbidität, die anders als in der GKV nicht über Altersgruppen hinaus solidarisiert wird. Das führt zu überproportional steigenden Prämien für ältere PKV-Versicherte, auch deshalb, weil ihre Chancen, Beitragserhöhungen durch Wechsel in einen anderen Tarif oder gar zu einem anderen Unternehmen gegen Null tendieren. Das Angebot, auf Leistungen zu verzichten oder in die Basistarife umzusteigen, ist auf jeden Fall mit Minderleistungen, oft auch mit Mehrkosten verbunden.
Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Primärarztsystem soll nach den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums durch eine starke digitale Komponente ergänzt werden, um den primärversorgenden Ärzten die Patientensteuerung zu erleichtern. Dazu soll in jedem Fall eine digitale Ersteinschätzung zählen, die schon deshalb nötig sei, „weil wir gar nicht die hausärztlichen Kapazitäten haben“, sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken bei der Digital Health Conference des Branchenverbandes Bitkom. Ergänzt werden soll dies durch die Einführung einer elektronischen Überweisung zum Facharzt sowie durch den Ausbau der Telemedizin und der elektronischen Patientenakte. Das BMG plant dabei eine enge Zusammenarbeit mit dem neu geschaffenen Digitalministerium, auch um Überregulierung durch europäische Vorschriften und deren Umsetzung zu vermeiden.
Die gesetzliche Krankenversicherung hat im vergangenen Jahr 686 Millionen Euro zur Förderung insbesondere der Primärprävention ausgegeben, deutlich mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Der Beitrag enthält nicht Leistungen wie Impfungen oder Früherkennungsuntersuchungen. Das geht aus dem Präventionsbericht des GKV-Spitzenverbandes für 2024 hervor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Fast 20 Jahre nach Einführung der HPV-Impfung ist ihre Wirksamkeit auf Basis von Langzeitdaten nach Auffassung von Wissenschaftlern des Cochrane-Netzwerks eindeutig bewiesen. Aus den vorliegenden Studien geht hervor, dass das Risiko für Gebärmutterhalskrebs um 80 Prozent gesenkt werden kann, wenn Mädchen bis spätestens zum 16. Lebensjahr die Impfung verabreicht wird. Bei späterer Impfung lässt das Ausmaß an Wirksamkeit nach. Die Empfehlungen der STIKO sehen eine Impfung von Mädchen und Jungen möglichst vor Eintritt der Pubertät vor. Für Jungen, die erst später in die Impfung einbezogen werden, liegen noch keine abschließenden Daten für eine eindeutige Evidenz vor. Hinsichtlich der Nebenwirkungen wurde bei Mädchen festgestellt, dass diese allenfalls mild und vorübergehend waren. Für schwere Nebenwirkungen, wie sie zeitweise behauptet wurden, ließen sich laut der Cochrane-Analyse keine Belege finden.
Trotz der klaren Datenlage verharrt die Inanspruchnahme der Impfung in Deutschland auf niedrigem Niveau; ursächlich dürften Unkenntnis, Falschinformationen, irrationale Ängste und Ignoranz sein.
Nach einer fünf Jahre laufenden Studie mit Untersuchungen vor Ort steht fest: Jede zweite Produktionsstätte verursacht Antibiotikabelastungen in der Umwelt, insbesondere auch über Industrieabwässer, die die Bildung von Antibiotikaresistenzen begünstigen. Durchgeführt wurde die Studie vom Institut für Wasserforschung und dem Umweltbundesamt gemeinsam mit der AOK-Baden-Württemberg, die die Federführung bei der Aushandlung von Generika-Rabattverträgen, darunter für die meisten Antibiotika, hat.
2020 hatte die AOK erstmals ein optionales Nachhaltigkeitskriterium in die Ausschreibung von Antibiotika eingeführt, um Anreize für deren umweltgerechte Produktion zu schaffen. So können pharmazeutischen Unternehmen einen Bonus erhalten, wenn sie sich freiwillig verpflichten, wirkungsbasierte Maximalkonzentrationen im Produktionsabwasser einzuhalten. Deren Einhaltung wurde durch die Entnahme und Analyse von Proben bei den Wirkstoffherstellern vor Ort durch Experten des IWW überprüft. Bis heute wurden an 22 Standorten in China, Indien und Europa Messungen durchgeführt. Dabei wurden auch Proben aus Gewässern in der Umwelt der Produktionsstätten entnommen und analysiert.
Die Ergebnisse waren teilweise besorgniserregend: In den Produktionsabwässern wurden Rückstände von 26 Antibiotika gefunden, die den vertraglich vereinbarten Schwellenwert teilweise das mehrtausend-Fache überschritten. Bei 14 in der Umwelt beprobten Gewässern wurden nur in vier keine besorgniserregende Antibiotikakonzentration festgestellt. In einigen Fällen fließen die Gewässer durch Weideflächen, sodass Antibiotikareste in die Nahrungsmittelkette gelangen.
Die Studie hatte aber auch positive Effekte: Im direkten Austausch mit Vertretern der Hersteller vor Ort habe deren Wissen über umweltkritische und gesundheitsgefährdende Auswirkungen der Produktionsabwässer erweitert werden können. Dies habe nachweislich zu einer besseren Aufbereitung der Abwässer geführt. Zunehmend würden sich Hersteller untereinander austauschen und Verbesserungen in weiteren Werken umsetzen.
Auf Basis dieser Erkenntnisse fordert der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Johannes Bauernfeind, europaweite verbindliche regulatorische Vorgaben, damit der gesamte europäische Markt als Nachfrager für Antibiotika aus den Hauptherstellerländern China und Indien sein Gewicht entfalten kann. Dazu gehöre auch ein europaweit einheitliches Kontrollsystem mit externen Audits und Zertifizierungen. Das geplante EU-Pharma-Paket, das wahrscheinlich im nächsten Jahr vom EU-Parlament verabschiedet werden könnte, verfolge richtige Ansätze, sei aber noch nicht ausreichend.