Wochenrückblick: Uneinigkeit über GKV-Ausgabenprognose für 2026

Für 2026 rechnet die GKV mit einem höheren Zusatzbeitragssatz von 2,9 Prozent. Uneinigkeit besteht bei den Ausgabenprognosen zwischen Ministerium und Krankenkassen.

Schätzerkreis: Dissens über Ausgabenentwicklung 2026

Der GKV-Schätzerkreis erwartet für das Jahr 2026 einen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen von 2,9 Prozent, das sind 0,4 Punkte mehr als im vergangenen Jahr prognostiziert worden sind. Es gibt Uneinigkeit über die prognostizierte Entwicklung der Ausgaben für das kommende Jahr: Das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesamt für Soziale Sicherung schätzen die Kosten auf 369 Milliarden Euro, während die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) von 396,5 Milliarden Euro ausgeht. Noch vor Bekanntgabe der Ergebnisse aus der Expertenrunde am Mittwochabend hatte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken am Mittwochmittag ihre Festlegung auf einen Zusatzbeitragssatz von 2,9 Prozent bekannt gegeben, nachdem das Bundeskabinett Sparmaßnahmen in Höhe von rund zwei Milliarden Euro beschlossen hatte. Die Krankenkassen halten unter diesen Bedingungen das Versprechen der Bundesregierung, die Beitragssätze stabil zu halten, für nicht realistisch: Die Einnahmen reichten nicht aus, die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestfinanzreserven der Kassen wieder aufzufüllen, ferner sei die ab 2027 geplante Rückzahlung von Krediten des Bundes nicht berücksichtigt. Es sei daher zu befürchten, dass es im Laufe von 2026 ähnlich wie in diesem Jahr zu weiteren unerwünschten Beitragssatzanhebungen kommen werde. 

Notfallversorgung: Grüne initiieren Reformgesetz

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen haben am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung ins Parlament eingebracht. Er entspricht weitgehend dem bereits im Herbst vergangenen Jahres vom damaligen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgelegten Referentenentwurf für ein Gesetz, das allerdings nach dem Bruch der Ampelkoalition im November nicht mehr über die parlamentarischen Hürden gebracht werden konnte. Dabei besteht im Prinzip politischer Konsens über Ziele und Konzeption der Reform: Entlastung der Notfallaufnahmen der Krankenhäuser, Vermeidung medizinisch nicht notwendiger stationärer Aufnahmen sowie ein Entlastungspotential von bis zu fünf Milliarden Euro. Durch die Vernetzung der Dienste unter den Telefonnummern 112 und 116 117 und die Bildung gemeinsamer Leitstellen, soll die Dringlichkeit und das medizinische Risiko besser eingeschätzt werden. In Notfallaufnahmen der geeigneten Kliniken soll ein gemeinsamer Tresen, besetzt mit Klinik- und Vertragsärzten, gebildet werden, um den Behandlungsbedarf – ambulant oder stationär zu ermitteln. Darüber hinaus ist eine Reform des Rettungsdienstes vorgesehen mit dem Ziel, seine Leistungen in einem eigenen Abschnitt als GKV-Leistung zu kodifizieren.

Das Reformprojekt – das auch ein wesentlicher Bestandteil der Restrukturierung der stationären Versorgung ist – wird inzwischen in der dritten Legislaturperiode beraten. Im September 2018 hatte der Gesundheits-Sachverständigenrat in einem Gutachten eine Blaupause geliefert. Einen ersten Gesetzentwurf legte dann Gesundheitsminister Jens Spahn vor, ließ diesen jedoch während der Corona-Pandemie versanden. Im Rahmen der Klinikreform berief sein Nachfolger, Karl Lauterbach, eine Expertenkommission ein, die im September 2023 ein Konzept vorlegte. Der darauf basierende Gesetzentwurf wurde infolge des Koalitionsbruchs jedoch nicht weiterverfolgt und liegt weiterhin in den Schubladen des Bundesministeriums für Gesundheit. Angesichts dessen wirft der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, der Arzt Dr. Janosch Dahmen, Bundesgesundheitsministerin Nina Warken „politische Arbeitsverweigerung“ vor. Ein solches Wegsehen kostet inzwischen Menschenleben, so Dahmen laut „FAZ“.  Das kritisierte Ministerium sagte, eine umfassende Reform sei in Arbeit, der Beginn des Gesetzgebungsverfahrens sei noch für diesen Herbst vorgesehen.

Mukovizidose und Hämophilie: Patienten profitieren von Innovationen

Einen erheblichen Zusatznutzen – die höchste und nur selten vergebene Nutzenkategorie – hat der Gemeinsame Bundesausschuss am Donnerstag der neu zugelassenen Kombination von Ivacaftor/Tezacaftor/Elexacaftor zur Behandlung der Mukoviszidose bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab zwei Jahren anerkannt. Für Patienten mit einer Mukoviszidose, die mindestens eine Nicht-Klasse-I-Mutation, die keine F508del-Mutation und keine Gating-Mutation im FVTR-Gen aufweisen, gab es bis vor kurzem keine zugelassene Behandlungsoption. Mit der seit April 2025 in Deutschland verfügbaren Kombination der Wirkstoffe Ivacaftor/Tezacaftor/Elexacaftor plus Ivacaftor können diese Patienten nun ausgesprochen wirksam behandelt werden. Der Bundesausschuss differenzierte bei seiner Bewertung drei Patientengruppen: Am ausgeprägtesten war der Zusatznutzen – und zwar erheblich – bei erwachsenen Patienten ab 18 Jahren. Aufgrund der ausgeprägten Verbesserung des Gesundheitszustandes ergaben sich auch signifikante Vorteile hinsichtlich der Lebensqualität: Vitalität, soziale Teilhabe und subjektive Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes. Dies betrifft insbesondere schwere pulmonale Exazerbationen und die Funktionstüchtigkeit des Atemsystems. Für die Gruppe der Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren erkannte der GBA einen beträchtlichen Zusatznutzen, für die Gruppe der Kinder unter 6 Jahren konnte das Ausmaß des Zusatznutzens aufgrund der Datenlage nicht bestimmt werden. 

Einen beträchtlichen Zusatznutzen anerkannte der Bundesausschuss für den neuen Wirkstoff Conzizumab zur Routineprophylaxe von Blutungen bei Patienten ab 12 Jahren mit Hämophilie B (angeborener Faktor-IX-Mangel) mit FIX-Hemmkörpern. Trotz kleiner Patientenzahlen hatte der Hersteller in einer vergleichenden Studie Daten vorgelegt, die beträchtliche positive Effekte in Bezug auf die Blutungsfreiheit auch der Gelenke zeigte. Diese Vorteile waren allerdings nicht in der Bewertung dieses Wirkstoffs zur Routineprophylaxe bei Patienten mit Hämophilie A und einem angeborenen Faktor-VIII-Mangel sichtbar, da für diese Population keine Studie vorlag.

Bundesausschuss berät erweiterte Früherkennung von Prostatakrebs

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am Donnerstag ein von der Patientenvertretung initiiertes Beratungsverfahren für eine gezielte und risikoabhängige Früherkennung von Prostatakrebs mittels Bestimmung des PSA-Wertes und MRT eingeleitet. Im ersten Schritt soll der aktuelle Stand der Wissenschaft dazu ermittelt und bewertet werden, im zweiten Schritt wird beraten, wie das neue Früherkennungsangebot gestaltet werden soll. Ein Ergebnis soll in spätestens zwei Jahren vorliegen. Die bisher vorgesehene Früherkennungsleistung der GKV, das Abtasten der Prostata ab dem 45. Lebensjahr, wird nur unzureichend in Anspruch genommen und ist überdies unsicher. In frühen Stadien gilt Prostatakrebs als heilbar. 

GBA plant Mindestmenge für Op bei anorektaler Malformation

Der Bundesausschuss hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit einer Recherche beauftragt, ob ein Zusammenhang zwischen Häufigkeit und Ergebnis der Durchführung einer Operation zur Korrektur von anorektalen Malformationen (ARM) bei Kindern besteht. Ziel ist, für die Berechtigung zur Durchführung der Op eine Mindestmenge festzulegen. Hintergrund: ARM sind mit rund 300 betroffenen Neugeborenen pro Jahr in Deutschland sehr selten. Die hochkomplexe Operation wurde allerdings zwischen 2020 und 2022 an 109 Klinikstandorten durchgeführt, nur vier dieser Standorte behandelte mehr als zehn Kinder pro Jahr. Eine sachgerechte operative Korrektur der Fehlbildungen ist maßgeblich dafür, lebenslange Stuhl- oder Harninkontinenz, Impotenz oder einen dauerhaft künstlichen Darmausgang zu verhindern.

Studienstandort Deutschland: Verbesserung erwartet

Mit einem Studienstandort-Barometer lassen der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) und der Bundesverband Mediziner Auftragsinstitute (BVMA) die Auswirkungen des vor zwei Jahren beschlossenen Medizinforschungsgesetzes analysieren. Hintergrund des Gesetzes war, dass Deutschland in den vergangenen Jahren bei der Zahl der durchgeführten klinischen Studien von einem einstmals führenden Platz in Europa auf den vierten Rang zurückgefallen war. Erste Ergebnisse liegen nun aufgrund einer Befragung von 23 Pharma-Unternehmen und 15 Contract Research Organizations (CROs) vor: Auf einer Skala von -100 bis +100 schätzten die Befragten die Situation im Juli 2025 mit durchschnittlich -3, also als mittelmäßig ein. Günstiger sieht aber die Prognose aus: Innerhalb der nächsten zwölf Monate könnte die Bewertung auf +9 steigen, weil mit einer Ausweitung der Studienaktivität am Standort Deutschland gerechnet wird.