ASCO bekräftigt Leitlinie für integrative Therapien während und nach Tumorbehandlung

Immer mehr Onkologen empfehlen ihren Patienten mit Erfolg unterstützende Maßnahmen zum Abbau von Ängsten, Stress, Depressionen, Müdigkeit und Schlafstörungen. Die ASCO befürwortet hierfür die von der SIO (Society for Integrative Oncology) vorgelegten Praxis-Leitlinien.

Immer mehr Onkologen empfehlen ihren Patienten mit Erfolg unterstützende Maßnahmen zum Abbau von Ängsten, Stress, Depressionen, Müdigkeit und Schlafstörungen. Die ASCO befürwortet hierfür die von der SIO (Society for Integrative Oncology) vorgelegten Praxis-Leitlinien.

In einem früheren Blog-Beitrag hatten wir beleuchtet, welch große Rolle Stress für die Entwicklung verschiedenster Erkrankungen spielt – und wie gutes Stressmanagement den Therapieerfolg maßgeblich mitbestimmt.

Diagnose und Therapie einer Krebserkrankung bedeuten eine große Belastung für die Betroffenen und verschiedene klinische Studien zeigen deutlich, dass negative Emotionen – wenn sie nicht mitbehandelt werden – das Outcome ungünstig beeinflussen. So waren depressive Coping-Strategien in einer Arbeit mit schnellerem Krankheitsprogress und schlechterem Überleben assoziiert, während Optimismus, Stressabbau und soziale Unterstützung mit einem längeren geschätzten Überleben und geringerer Metastasierungsrate verknüpft waren.1 Die Ursachen hierfür auf zellulärer und biochemischer Ebene werden zunehmend besser verstanden. Psychischer Langzeit-Stress kompromittiert insbesondere das Immunsystem und dessen für die Prognose so wichtigen Abwehrreaktionen auf den Tumor.

Am besten schon früh beginnen

Entspannungsverfahren und psychosoziale Interventionen, die Stress und belastende Emotionen reduzieren, wirken sich auch vorteilhaft auf Sympathikotonus und HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinde-Achse) aus. Dadurch greift der Effekt an vielen Signalwegen im gesamten Organismus. Dabei gilt: je früher die neuroendokrinen und immunologischen Vorgänge normalisiert werden, desto besser.

Dies belegt auch eine Untersuchung, die 227 Brustkrebs-Patientinnen unmittelbar nach OP zu Gruppeninterventionen (Entspannungstraining, Stress-Reduktions-Übungen, coping skills, Schulung in gesundheitsförderlicher Ernährung und Bewegung) oder Standardversorgung randomisierte. Nach 11 Jahren waren Sterblichkeit und Rezidivrate der Interventionskohorte halb so hoch wie die der Kontrollgruppe (nach Korrektur für Alter, Staging, Therapie und weitere Charakteristika). Diese Gruppe erholte sich nach Therapie schneller, zeigte schon während der ersten Monate bessere immunologische Marker und behielt über alle Jahre einen insgesamt besseren gesundheitlichen Status.2

Gute Kompatibilität vieler komplementärer Verfahrensweisen mit Standardtherapien

Um Ärzten einen systematischen Leitfaden an die Hand zu geben, hat die SIO eine evidenzbasierte Leitlinie entwickelt, die durch ein Expertenkomitee der ASCO (American Society of Clinical Oncology) evaluiert und befürwortet wurde.3

Der systematische Review-Prozess der SIO konzentrierte sich auf zwischen 1990 und 2015 publizierte randomisierte kontrollierte Studien zu verschiedenen Körper-Geist-Übungen, natürlichen Produkten und Lebensstiländerungen.

Diese Leitlinie wurde für Brustkrebspatientinnen zusammengestellt – und auch von den über 300 Studien in diesem Bereich in den vergangenen 50 Jahren kamen die meisten aus dem Kollektiv dieser so häufigen Neoplasie. Doch in letzter Zeit treten mehr und mehr Belege hinzu und zahlreiche Reviews unterstützen bereits den begleitenden Einsatz der hier besprochenen Verfahren auch bei anderen Tumorentitäten.

Wichtigste Empfehlungen der SIO-Leitlinie für Mit- und Nachbehandlung des Mammakarzinoms im Überblick

Im modifizierten Grading-System der SIO bedeuten Grad A und B, dass die jeweilige Therapie zu empfehlen ist, Grad C zeigt keine eindeutigen Belege oder eher geringen Nutzen an, Grad D und H raten von einer Maßnahme für die spezifische Indikation ab.

Für die chemotherapieinduzierte Neuropathie ist die Symptomkontrolle oft unzureichend – eine Pilotstudie verzeichnete jedoch Erfolge per EEG-Neurofeedback-Therapie. Neben den genannten Gesichtspunkten brachte das Expertenkomitee der ASCO noch weitere Studien ein, die u.a. zeigen, dass bestimmte Techniken sogar in Eigenanwendung effektiv sein können (darunter Akupressur, Lymphdrainage, Qigong, Taichi, passive Musiktherapie).

Weitere Einzelheiten finden Sie im Volltext der Leitlinie.

Fazit

Insgesamt sprechen hohe Evidenzlevel für eine routinemäßige Anwendung von Mind-Body-Praktiken, wie Yoga, Meditation, Entspannungstechniken und passiver Musiktherapie, um häufigen Problemen bei Brustkrebspatienten, darunter Ängsten, Stress und Depressionen zu begegnen. So wurde gezeigt, dass Meditation die Lebensqualität und körperliche Funktion oder Yoga die Lebensqualität und Fatigue verbessern kann. Die gute Evidenz für den Benefit solcher Verfahren bei geringem Risikoprofil legt uns nahe, diese Optionen in die Behandlung zu integrieren.

Referenzen:
1. Antoni, M. H. et al. The influence of bio-behavioural factors on tumour biology: pathways and mechanisms. Nature Reviews Cancer 6, 240–248 (2006).
2. Andersen, B. L. et al. Psychological, behavioral, and immune changes after a psychological intervention: a clinical trial.J. Clin. Oncol. 22, 3570–3580 (2004).
3. Lyman Gary H. et al. Integrative Therapies During and After Breast Cancer Treatment: ASCO Endorsement of the SIO Clinical Practice Guideline. DOI: 10.1200/JCO.2018.79.2721Journal of Clinical Oncology - published online before print June 11, 2018