Immer mehr Anträge für Präimplantationsdiagnostik

Es ist der Blick in den Genpool eines Embryos nach einer künstlichen Befruchtung: Mit Präimplantationsdiagnostik - kurz PID - wird nach genetischen Veränderungen geschaut. Ein Zentrum dafür sitzt in Mainz. Bundesweit steigt die Zahl der Anträge auf diese Untersuchung.

Ein umstrittenes Verfahren

Es ist der Blick in den Genpool eines Embryos nach einer künstlichen Befruchtung: Mit Präimplantationsdiagnostik - kurz PID - wird nach genetischen Veränderungen geschaut. Ein Zentrum dafür sitzt in Mainz. Bundesweit steigt die Zahl der Anträge auf diese Untersuchung.

Im Frühling vergangenen Jahres war es soweit: An der Universitätsmedizin Mainz kam das erste Kind zur Welt, das künstlich gezeugt und genetisch auf mögliche Erbkrankheiten untersucht worden war. Präimplantationsdiagnostik oder kurz PID heißt dieses umstrittene Untersuchungsverfahren, das in Deutschland erst seit wenigen Jahren angewandt werden darf. An der Mainzer Unimedizin sitzt eines der wenigen darauf spezialisierten Zentren im südwestdeutschen Raum und das einzige in Rheinland-Pfalz und Hessen.

Entwickelt wurde die PID 1990 in Großbritannien, in Deutschland ist sie nach einem 2011 im Bundestag beschlossenen Gesetz grundsätzlich verboten, in Ausnahmefällen und unter den Vorgaben des Embryonenschutzgesetzes aber seit 2014 zulässig - bei Paaren mit problematischen Genanlagen. Das erlaubt die PID etwa, wenn ein hohes Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit besteht oder es um die Feststellung einer möglichen schwerwiegenden Schädigung des Embryos geht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen würde.

Frühzeitig von der genetischen Vorbelastung erfahren

Viele Paare erführen erst mit der Geburt des erstgeborenen, behinderten oder kranken Kindes von ihrer eigenen genetischen Vorbelastung, erklärt die Direktorin des Instituts für Humangenetik der Mainzer Unimedizin, Susann Schweiger. Für sie biete die PID Chancen, um nicht in einem späteren Stadium einer Schwangerschaft vor der schweren Entscheidung zu stehen, diese abzubrechen.

Denn: Die PID wird an einem im Reagenzglas entstandenen Embryo vorgenommen, bevor er in die Gebärmutter eingepflanzt wird, wie Ruth Gomez erklärt. Die Reproduktionsmedizinerin ist stellvertretende Leiterin des Mainzer Kinderwunsch- und PID-Zentrums an der Unimedizin. Grob gesagt wird gecheckt, ob Embryonen mögliche Gen-Variationen aufweisen, die zu Krankheiten, Behinderungen oder Fehlgeburten führen können oder ob Gendefekte der Grund für eine ausbleibende Schwangerschaft sind.

Rheinland-pfälzischer Justizminister hält in Deutschland herrschende Gesetzeslage für sinnvoll

Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) hält die in Deutschland herrschende Gesetzeslage für sinnvoll. Die Erlaubnis unter strikten Vorgaben sei eine "ausgleichende Regelung". Zustande gekommen sei die Gesetzeslage auch auf Initiative der Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz. Die Kommission verfasste 1999 einen Bericht zur Präimplantationsdiagnostik, Herausgeber war Justizminister Peter Caesar (FDP), auf den noch im selben Jahr Mertin folgte. In der abschließenden Stellungnahme des Berichts heißt es etwa, wegen der zahlreichen, zum Teil schwerwiegenden Argumente gegen diese Untersuchungsmethode solle der Gesetzgeber die Anwendung der Methode auf Sonderfälle beschränken.

Im Mainzer PID-Zentrum stehen Brutschränke, in denen Eizellen von Patientinnen gelagert werden, neben Kryotanks, in denen Spermien oder auch Embryos in gewissen Stadien tiefgefroren aufbewahrt werden. Die eigentliche Präimplantationsdiagnostik geschieht in der Regel fünf Tage nach der Befruchtung, wie Gomez erklärt. Dann spricht man vom Status der Blastozyste.

Langer Weg bis zur PID

Von der Blastozyste werden für die PID Zellen am äußeren Rand Trophektodermzellen abgesaugt. Diese können sich selbst nicht zu einem vollständigen Embryo entwickeln, enthalten aber die gleichen genetischen Informationen. Während der Untersuchungen, die in Mainz im Zentrum für Humangenetik der Unimedizin erfolgen, wird die Blastozyste schockgefroren.

Für eine PID muss vorher ein Antrag bei einer Ethik-Kommission gestellt werden. Für die Länder Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen sitzt seit 2015 eine gemeinsame Kommission bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Geprüft werde stets der Einzelfall, erläutert eine Sprecherin. Insgesamt gingen ihr zufolge seit 2015 149 PID-Anträge ein, keiner wurde bisher abgelehnt. Das spreche für die Qualität der Beratung in den PID-Zentren in diesen Ländern. Sie sind im Südwesten in Heidelberg, Freiburg, Homburg/Saar und Mainz.

319 genehmigte Anträge im Jahr 2018

Deutschlandweit steigt die Zahl der Gentests an Embryonen. Waren es 2015 lediglich 83 Anträge, die genehmigt wurden, stieg die Zahl auf 174 im Jahr 2016, 286 im Jahr 2017 und dann 319 im Jahr 2018. Das geht aus einem Bericht des Bundesgesundheitsministeriums hervor. Die Ablehnungsquote lag demnach bundesweit bei etwa acht Prozent.

PID ist teuer. Allein bei der künstlichen Befruchtung werden in der Regel höchstens drei Versuche hälftig von der Krankenkasse bezahlt, die Kosten für die PID tragen komplett die Paare, allein für den Antrag bei der Ethikkommission werden Gomez zufolge 1.500 Euro fällig. Für die Befruchtung und eine aufwendige PID könnten durchaus bis zu 20.000 Euro zusammenkommen, erklärt die Medizinerin. Einige Frauen gingen ins Ausland, wo kein Ethik-Antrag nötig sei und die Untersuchung weniger koste.

Rate der Fehlgeburten gesenkt, aber Schwangerschaftsraten nicht gesteigert

Das Mainzer Zentrum kam Gomez zufolge zuletzt auf rund 20 PID-Fälle pro Jahr. Untersucht würden Blastozysten etwa auf Mutationen von Chromosomen, auf Stoffwechsel- oder Tumorerkrankungen. Die Erfahrung zeige, dass mit PID die Rate der Fehlgeburten gesenkt, nicht aber die Schwangerschaftsraten insgesamt gesteigert werden könnten. Somit hätten sich nicht alle in die PID gesetzten Hoffnungen erfüllt. Auch seien weltweit acht Fälle beschrieben worden, in denen die genetische Untersuchung ein teils auffälliges Ergebnis gezeigt habe und am Ende doch ein völlig gesundes Kind zur Welt gekommen sei.

"Es scheint nicht nur die Genetik entscheidend zu sein, es ist eben immer noch Natur", sagt Gomez. Nach ihrer Einschätzung wird die Präimplantationsdiagnostik in Deutschland immer bekannter, aber die Vorgaben in Deutschland seien strikt. "Und die meisten Paare ahnen zunächst nicht, wie langwierig dieser Prozess insgesamt ist."