USA: Als Hebamme in einem Land ohne Hebammen

In Deutschland kämpfen Hebammen mit schwierigen Arbeitsbedingungen, es herrscht Mangel. In den USA sind sie nach der Geburt im System dagegen gar nicht erst vorgesehen. Viele Eltern fühlen sich hilflos. In New York füllt eine Deutsche erfolgreich diese Lücke.

Deutsche Doula in New York

In Deutschland kämpfen Hebammen mit schwierigen Arbeitsbedingungen, es herrscht Mangel. In den USA sind sie nach der Geburt im System dagegen gar nicht erst vorgesehen. Viele Eltern fühlen sich hilflos. In New York füllt eine Deutsche erfolgreich diese Lücke.

Vor dem großen Glasfenster liegen die Häuserdächer Brooklyns unter einer dichten Wolkendecke. Lauren setzt sich auf das graue Sofa ihrer Wohnung und drückt Stephanie Heintzeler den kleinen Elliot in den Arm. Elliot ist 13 Wochen alt, trägt einen blauen Strampler mit grauen Streifen und gluckst vergnügt. "Ich wollte mit dir über das Stillen reden", fängt Lauren an. "Die einzelnen Stilleinheiten werden jetzt kürzer, oder?" Heintzeler setzt sich auch auf das Sofa und Elliot auf ihren Schoß. "Ja genau. 15 Minuten reichen völlig aus, manchmal sogar 5. Das wird alles kürzer und einfacher."

Lauren ist 35, Elliot ihr erstes Kind und Heintzeler ihre Doula. Doulas übernehmen in den USA die nicht-medizinische Betreuung von Frauen während der Schwangerschaft, sowie bei und nach der Geburt. Heintzeler war bei Elliots Geburt dabei und schaut nun regelmäßig bei Lauren vorbei oder ruft an, um Fragen zu beantworten und zu helfen, wo sie kann. In Deutschland, wo Heintzeler herkommt, wäre das nichts Außergewöhnliches, aber das hier ist New York - und in den USA sind Hebammen nach der Geburt vom Gesundheitssystem eigentlich gar nicht vorgesehen. Wenn es keinerlei Komplikationen gibt und Mutter und Kind gesund sind, werden Eltern mit dem Neugeborenen schon kurz nach der Geburt aus dem Krankenhaus wieder nach Hause geschickt und sich selbst überlassen. Im Krankenhaus gibt es meist nur eine ganz kurze Einführung in Stillen und Wickeln.

Mütter müssen Hebammen selbst bezahlen

Wer nach der Geburt eine Doula oder eine Stillberaterin möchte, muss sie in den USA in den allermeisten Fällen selbst bezahlen - so wie Lauren. "Ich wollte einfach die beste, einfachste und am wenigsten stressigste Erfahrung mit dem Ganzen machen und deswegen fand ich, dass diese Investition Sinn macht", sagt sie. "Jetzt telefonieren wir häufig oder schreiben uns SMS, wann immer eine Frage aufkommt. Es hilft mir einfach. Alles über Geburt und Babys zu lesen, lässt einen völlig durchdrehen. Einen Experten an der Seite zu haben, den man fragen kann, beruhigt enorm. Das würde jeder Mutter in diesem Land gut tun." Elliot gluckst.

Heintzeler strahlt den kleinen Jungen an, übergibt ihn dann wieder seiner Mutter und verabschiedet sich. Sie muss los, der nächste Termin steht an, rein in die U-Bahn, raus aus der U-Bahn, von Brooklyn nach Manhattan und wieder zurück, alles mit einer schweren Tasche voller Ausrüstung. Für zwischendurch hat sie immer ein paar selbstgebackene Cracker als Verpflegung dabei. "Ich betreue etwa 50 Eltern pro Jahr, mache bis zu sechs Geburten im Monat, drumherum Kurse und Hausbesuche."

Modell auch in den USA immer beliebter

Heintzeler ist in den USA geboren, aber in Bad Homburg aufgewachsen und in Deutschland zur Hebamme ausgebildet worden. Nach einigen ersten Versuchen hat sie 2012 ihr Doula-Business in New York so richtig gestartet. "2014 hatte ich dann so viel Arbeit, dass ich es nicht mehr alleine bewerkstelligen konnte." Inzwischen hat sie ein 15-köpfiges Team, dem sie Aufträge vermittelt.

Die Nachfrage und die Zahl der zertifizierten Doulas habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen, berichtete jüngst die New York Times. "Wenn doch nur jeder nach der Geburt eine Doula haben könnte", hieß es in dem Artikel. Aber es ist und bleibt weitgehend ein Luxus für Besserverdienende. Heintzeler verlangt 4000 Dollar (etwa 3500 Euro) für ihr Standardpaket: Betreuung in der Schwangerschaft per Telefon und SMS, einen Hausbesuch vor und nach der Geburt und die Geburt selbst.

Amerikanische Mütter sind anders

Die Unterschiede zwischen der Behandlung von Schwangerschaft und Geburt in Deutschland und den USA seien groß, sagt Heintzeler. "Die Kultur ist anders. Ich gehe auch mit einer deutschen Mama ein bisschen anders um als mit einer Ami-Mama. Die Ami-Mama arbeitet viel bis zum Entbindungstermin und ist schneller überfordert, möchte vielleicht tendenziell alles natürlich, aber dann hat sie drei Wehen und dann überlegt sie es sich wieder anders. Mutter sein ist hier mehr angstbesetzt, die Amis sind einfach sehr gerne dramatisch. Dazu kommt die rechtliche Verantwortung der Ärzte. Das ist ein anderes Land, die sind hier sehr vorsichtig, die stehen mit einem halben Fuß im Gefängnis."

Auf der anderen Seite sei die Zusammenarbeit mit Doulas im Krankenhaus auch nicht immer einfach, sagt eine Krankenschwester und Hebamme im New Yorker Mount Sinai Krankenhaus, die anonym bleiben will. "Viele Doulas sind sehr gut und wir kommen wunderbar mit ihnen aus, aber manche versuchen auch immer wieder gegen die Vorschriften im Krankenhaus zu verstoßen, wenn sie sich zum Beispiel grundsätzlich gegen einen Tropf stellen, und das werden dann sehr anstrengende Situationen." 

Privat hätte sie nach der Geburt aber gerne selbst eine Doula gehabt. "Wenn die Kosten kein Problem gewesen wären, wäre das so wichtig für mich gewesen. Gerade bei meinem ersten Kind hatte ich große Probleme mit dem Stillen und das hätte mir so mit meinen Ängsten und meiner Nervosität geholfen. Aber ich konnte es mir einfach nicht leisten."

Doula Heintzeler rast unterdessen schon wieder weiter zum nächsten Termin. Eine erfolgreiche Geburt sei jedesmal wieder eine magische Erfahrung, sagt die 41-Jährige, die selbst keine Kinder, aber schon mehr als 2600 auf die Welt gebracht hat. "Dafür mache ich es, das wiegt alles auf. Und eine gute Geburtserfahrung trägt eine Mutter für ihr Leben."

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