Vom guten Überbringen schlechter Nachrichten: weniger reden, mehr verstehen

Am Beginn des Vortrages zum Thema Risikokommunikation im Rahmen des 62. DGGG Kongresses steht die Frage, wer die Beteiligten der Kommunikationsprozesse sind? Schnell wird klar, dass Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitsalltags ist, ein Prozess, aus dem man nicht aussteigen kann.

Was ist gute Risikokommunikation im Gesundheitswesen?

Am Beginn des Vortrages zum Thema Risikokommunikation im Rahmen des 62. DGGG Kongresses stehen Fragen. Der Direktor der Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie (CVK) und Klinik für Gynäkologie (CBF) der Charité Berlin, Prof. Dr. Jalid Sehouli, fragt zunächst, wer die Beteiligten der Kommunikationsprozesse sind - geht es um inter- oder intradisziplinäre Kommunikation zwischen Kollegen, zwischen Ärzten und Pflegepersonal, Ärzten und Verwaltung oder Ärzten und Patientinnen, Angehörigen und Familien? Schnell wird klar, dass Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitsalltags ist, ein Prozess, aus dem man nicht aussteigen kann. "Man kann nicht nicht kommunizieren", zitiert Sehouli den Philosophen Paul Watzlawick und fügt hinzu: "Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass man nicht nicht in Beziehung sein kann. Egal, ob wir das wollen oder nicht, wir sind immer schon in einer Beziehung mit dem Anderen."

"Just Culture" - von anderen Berufsgruppen lernen

Was heißt das für die klinische Praxis? Ein wesentlicher Faktor, dessen man sich bewusst sein sollte, ist der sogenannte "Human Factor". Betrachtet man andere Berufsfelder – hier beispielhaft Piloten und Fluglotsen – gibt es ganz klare Kommunikationsabläufe und -strukturen, die angewandt werden, wenn es um Fragen des Risikomanagements und der Prozesssicherung geht. Kommt es zum Beispiel zu einer Situation, die als Beinahe-Unfall gewertet werden kann, und der Fluglotse hat dies erkannt und gemeldet, bekommt er die Möglichkeit, sich zunächst aus der Situation zurückzuziehen, um das Ereignis wirken zu lassen und mit einer Reflexion darüber zu beginnen. Unter dem Begriff "Just Culture" dienen Vorfalluntersuchungen nicht länger der Schuldzuweisung, sondern sollen zu einem besseren Verständnis der Situation führen. Ein Fehler ist keine Ausnahme, sondern immer ein Teil von Kommunikationsprozessen. Hier gilt es, zunächst zu beobachten und zu beschreiben, bevor es zu einer Bewertung kommt.

Im medizinischen Alltag stehe jedoch häufig die Bewertung vor der Beobachtung, so Sehouli. "Und wir haben es auch nicht mehr gelernt, erst mal Dinge zu beschreiben", fährt er fort. Beim Überbringen schlechter Nachrichten klingt eine misslungene Kommunikation zwischen Arzt und Patientin jedoch möglicherweise lange nach. Eine schlechte Nachricht ist ein Befund, der den Blick aufs Leben für lange Zeit verändern wird. Wie überbringt man eine solche Nachricht? Was passiert mit dieser Botschaft, wie wird sie an die Angehörigen weitergegeben, wie wird sie von der Patientin am nächsten Tag empfunden, in einer Woche, oder wie wird sie sich in einem Jahr an diesen Moment erinnern? Stellt man sich diese Fragen, wird klar, dass eine solche Nachricht eine viel größere Bedeutung hat, als dem Arzt - und vielleicht auch der Patientin - im jeweiligen Augenblick bewusst ist. Die Komplexität einer solchen Kommunikationssituation ist in einem medizinischen System, das auf Akutsituationen getriggert ist, nicht Routine. Wichtig ist, entscheiden zu können, welche Kommunikationsstrategie hier angebracht ist und Kommunikation als Arznei zu verstehen, die genauso eine Indikation oder Kontraindikation besitzt, wie dies bei Operationen oder Medikationen der Fall ist.

Eine bessere ärztliche Gesprächsführung beinhaltet

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Zwei Sekunden Schweigen können zum Gelingen beitragen

Es sei ein Skandal, so Sehouli, dass in einem Beruf, der das Führen solch schwieriger Gespräche permanent erfordere, während der Berufsausbildung Kommunikation keinen festen Platz habe.

Wenn es um gelungene Kommunikation geht, geht es nicht so sehr um Sprachkompetenz oder Wortwahl, sondern um die Beziehungsebene, die sich auch nonverbal ausdrücken kann - die Haltung gegenüber der Patientin und das Verständnis differenter Sozialisationen sind dabei wichtige Faktoren. Dabei erleichtert das Bewusstsein um die Bedeutung der nonverbalen Kommunikationsebene auch den Umgang mit Sprache.

"Bekommt eine Patientin die Diagnose 'Sie haben Krebs' mitgeteilt, kann sie in der Folge maximal zweieinhalb Minuten zuhören, danach kann sie in der Regel nicht mehr sehen, nicht mehr hören, nicht mehr riechen, nicht mehr tasten“, beschreibt Sehouli die Einschlagskraft einer schlechten Diagnose. Bekommt der Mensch eine Warnung, ist er auf die Nachricht besser vorbereitet - eine solche Warnung muss klar und deutlich ausgesprochen und auch mit einer Pause versehen werden. Ein Arzt ist jedoch nicht unbedingt in der Lage, Pausen einzuhalten. Wie eine Untersuchung zeigt, können Ärzte Redepausen von maximal 16 Sekunden einhalten, während die Patientin 18 Sekunden benötigen würde, um sich zu orientieren. Zwei Sekunden Schweigen können entscheidend sein.

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Quelle:

DGGG-Kongress, 31.10.2018, Vortrag „Was ist gute Risikokommunikation im Gesundheitswesen?“, Prof. Dr. Jalid Sehouli