HIV-Therapie: Wo stehen wir aktuell?

In den letzten beiden Beiträgen lag der Fokus auf dem Immunrekonstitutionssyndrom. In der heutigen Zusammenfassung erhalten Sie einen kompakten Überblick der Therapien für den klinischen Alltag.

In unserer Reihe haben wir uns mit dem kürzlich zugelassenen Zwei-Substanzen-Regime Juluca®, welches aus Dolutegravir und Rilpivirine besteht, dem Single-Tablet-Regime GENVOYA® in der TAFNES-Studie und der Rolle des Immuncheckpointinhibitors Nivolumab auseinandergesetzt. Dabei lag der Fokus auf dem Immunrekonstitutionssyndrom. In der heutigen Zusammenfassung erhalten Sie einen kompakten Überblick der Therapien für den klinischen Alltag.

Juluca®: Ein Zwei-Substanzen-Regime auf dem Vormarsch

Die kumulative Toxizität der Medikamentenkombinationen stellt ein Problem bei der Therapie von HIV-Infizierten dar. So wurde das Zwei-Substanzen-Regime Juluca® entwickelt, um diese zu reduzieren und gleichzeitig die Lebensqualität zu verbessern. In der Zulassungsstudie zeigte sich im Vergleich zur bisher angewandten antiretroviralen Therapie Nicht-Unterlegenheit. Das Studienziel, die Viruslust von unter 50 RNA-Kopien/ml in der 48. Woche beizubehalten, konnte durch Juluca® erreicht werden. Aktuell befindet sich das Leitlinien-Manuskript (AWMF online) zur HIV-Therapie in Deutschland immer noch in Revision.

GENVOYA®: Das Alles-in-Einem-Konzept

Das Single-Tablet-Regime besteht aus den Wirkstoffen Elvitegravir, Cobicistat, Emtricitabine und Tenofoviralafenamide. Diese Vierfach-Kombination wurde im November 2015 von der FDA zur Therapie von Patienten mit HIV-1 zugelassen. Die hierfür durchgeführten beiden Pivotal-Studien mit insgesamt 1.733 Patienten kamen zu einem erfreulichen Ergebnis. 92% der Patienten erreichten in der 48. Therapiewoche eine Viruslast von unter 50 HIV-RNA-Kopien/ml.

Der Preis dafür war lediglich das Auftreten von Übelkeit bei 10% der Patienten. Die deutsche TAFNES-Studie mit weniger Patienten konnte dieses Ergebnis bestätigen. Eine Studie aus diesem Sommer konnte zeigen, dass die Therapie auch beim weiblichen Geschlecht gute Ergebnisse erzielen konnte. Wichtig zu wissen ist, dass eine Therapie mit GENVOYA® die Konzentration von Medikamenten, die über CYP3A oder CYP2D6 metabolisiert werden, verändern kann. Darüber hinaus kann es zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion, zu einer Laktatazidose, einer schweren Hepatomegalie mit Steatose und einem Immunrekonstitutionssyndrom kommen. Mit dem letzteren haben wir uns in den vorherigen beiden Beiträgen ausführlich auseinandergesetzt.

Nivolumab: Hoffnungsträger für die Eradikation des HIV-Reservoirs

Der Immuncheckpointinhibitor Nivolumab ist ein PD-1-(Programmed death)- Inhibitor und wurde bisher zur Therapie des nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms eingesetzt. PD-1 besitzt eine immunmodulative Wirkung. Interessanterweise exprimieren die T-Zellen von HIV-Patienten vermehrt das Oberflächenprotein PD-1 auf ihrer Zelloberfläche. Nachdem bei einem stabilen HIV-positiven Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom eine Krebstherapie mit Nivolumab eingeleitet wurde, zeigte sich ein Rückgang der Viruslast bis unter die Nachweisgrenze. Ähnliches wurde bei einem HIV-Patienten mit Melanom und PD-L1-Inhibitortherapie beobachtet.

Der Grund hierfür ist, dass durch die Blockade der PD-1-Ligand/PD-1-Interaktion die mTOR-Signalkaskade sowie die Granzyme-B-Expression angeheizt werden. Granzyme B, welches in den intrazellulären Granula von natürlichen Killerzellen und zytotoxischen T-Zellen vorkommt, kämpft bei der Virusabwehr an vorderster Front. Der Einsatz von Immuncheckpointinhibitoren bei HIV-Patienten führt die Bekämpfung des Virus sowie die Vermeidung der Entstehung von Krebsgeschwüren mit sich. Das Ziel ist eine Eradikation des HIV-Reservoirs. Wir sehen dem Ganzen spannend entgegen.

Eine Welt in Sorge

Aktuell sind die Vereinten Nationen aufgrund der steigenden Inzidenz besorgt. Davon berichtet der Spiegel und auch der Deutschlandfunk. Es heißt, dass "in 50 Ländern der Welt die Zahl der HIV-Neuinfektionen ansteige". Dies äußerte der Chef der UNO-Organisation Unaids, Sidibé.1 In Deutschland infizieren sich pro Jahr in etwa 3.100 Menschen neu. Aktuell sind rund 90.000 Menschen in Deutschland mit HIV infiziert. Der mittlere Osten und der Norden Afrikas bereitet die meisten Sorgen, denn hier werden Frauen Opfer sexueller Gewalt und infizieren sich so mit dem Virus. Pro Jahr werden hier rund 340.000 Frauen infiziert. Besserung hingegen zeigt sich im Osten und Süden Afrikas.2

UNAIDS: Das Programm zu HIV-Bekämpfung

"UNAIDS ist ein Pro­gramm der Ver­einten Na­ti­onen und ein füh­rendes Gre­mium für glo­bales Han­deln zur Er­rei­chung ei­nes welt­weiten Po­li­tik-Kon­sen­ses bei der Be­kämp­fung der HIV/Aids-Epi­de­mie." UNAIDS soll dabei helfen, die HIV-Epidemie global einzudämmen. Auf der Webseite vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung heißt es, dass die Zahl der Neuinfektionen in den letzten Jahren um 18 Prozent auf 1,8 Millionen gesunken sei. Das Ziel wird von UNAIDS jedoch höher gesteckt. Man wünscht sich, dass sich bis 2020 weniger als 500.000 Menschen neu infizieren.3

HPV-Impfempfehlung für Jungen

Apropos Geschlechtskrankheiten: Die STIKO hat im Epidemiologischen Bulletin 26/2018 eine HPV-Impfempfehlung für Jungen im Alter zwischen 9-14 Jahren veröffentlicht. Mit dem Humanen Papillomavirus haben wir uns im allerersten Immunologie-Blog-Beitrag im Januar auseinandergesetzt. Die Impfquote bei 17-jährigen Mädchen war 2015 mit 44,6% noch viel zu niedrig, wenn man bedenkt, dass die Impfung vor Krebs schützen kann. Mit der HPV-Impfung für Jungen, schützen sich diese nicht nur selbst, sondern indirekt auch die weibliche Bevölkerung.4

Im nächsten Blog-Beitrag beschäftigen wir uns mit der HIV-Transmission, pathogenetischen Grundlagen und der Prävention.

Referenzen:
1. 
https://www.deutschlandfunk.de/uno-kampf-gegen-hiv-nicht-nachhaltig.2850.de.html?drn:news_id=905055 
2. 
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/hiv-und-aids-uno-schlaegt-alarm-a-1219099.html 
3. 
http://www.bmz.de/de/ministerium/wege/multilaterale_ez/akteure/uno/unaids/index.html
4. https://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2018/07_2018.html