Interstitielle Zystitis und überaktive Blase: Das sagen die Leitlinien

Die Diagnose und Therapie der interstitiellen Zystitis ist schwierig: mit der neuen S2k-Leitlinie soll sich das ändern. Ebenso: neue Therapiestrategien für die überaktive Blase.

Neue Leitlinien für die IC und Update der Therapieschemata bei der OAB.

Die Diagnose und Therapie der interstitiellen Zystitis (IC) ist schwierig, im Durchschnitt dauert es 9 Jahre, bis eine Patienten die richtige Diagnose erhält. Mit der neuen Leitlinie (S2k-Leitlinie IC/BPS) soll sich das ändern. 43 Seiten ist sie stark und entstand aus dem Konsensus von insgesamt 13 medizinischen Fachgesellschaften. 

Wie Prof. Dr. Thomas Bschleipfer deutlich machte, ist die IC/BPS eine chronifizierte Erkrankung, die für den Patienten und den behandelnden Therapeuten oft schwierig und unbefriedigend verläuft. Die Behandlung sollte daher umfassend, interdisziplinär, multimodal unter Berücksichtigung des erweiterten biopsychosozialen Modells erfolgen.

Für die zielgerichtete Diagnostik sollte ein Urin-Dipstick/Urinkultur/Urinzytologie erfolgen.

Medikamentöse Therapie mit Pentosanpolysulfat

Für die medikamentöse Therapie kommt Pentosanpolysulfat (PPS) infrage. PPS ist der meistuntersuchte arzneiliche Wirkstoff zur Behandlung der IC/BPS. PPS kann die Symptome der IC/BPS durch Reparatur der GAG-Schicht des Urothels deutlich lindern. Das verhindert wiederum, dass im Urin gelöste Substanzen, die einen toxischen oder reizenden Effekt auf die Harnblasenwand ausüben, an der Passage gehindert werden. Außerdem fördert PPS die Druchblutung der Harnblase, was einer beeinträchtigten Mikrozirkulation in der Harnblase entgegen wirkt.

Bei korrelierenden pathologischen Befunden sollte jedoch die blutgerinnungshemmende Wirkung des Medikaments mit in die Risikobewertung einbezogen werden. Die LL hebt hervor, dass die Wirksamkeit von einem zeitigen Therapiebeginn abhängt: Je früher die Behandlung im Krankheitsverlauf beginnt, desto besser ist die Wirksamkeit.

PPT ist seit 2017 das einzige in Europa zugelassene orale Arzneimittel zur Behandlung von IC/BPS, sofern Glomerulationen und/oder Hunner-Läsionen vorliegen.

Therapie nach individuellem Stufenschema

Die LL sieht dazu ein individuelles Stufenschema vor.

  1. Stufe: beginnt mit Aufklärung, Lebensstil und Ernährungsumstellung, Physiotherapie, psychologischer/psychiatrischer Betreuung; komplementärmedizinische Therapie.
  2. Stufe: Multimodale medikamentöse Therapien, Instillationstherapien, EMDA, Hydrodistension, Reha.
  3. Stufe: Alle Therapieoptionen in Kombination, erfahrungsmedizinische Maßnahmen.
  4. Stufe: Onabotulinumtoxin A, Neuromodulation.
  5. Stufe: Operationen, Reha.

Eine enge Vernetzung zwischen niedergelassenen Therapeuten und speziellen Zentren ist anzustreben.

Leitliniengerechte Therapie der überaktiven Blase

Wie wird die überaktive Blase therapiert? Die OAB ist definiert durch Harndrangsymptomatik, verbunden mit imperativem Harndrang, häufiger Blasenentleerung (>8 x am Tag), nächtlichem Wasserlassen (>2 x in der Nacht), mit oder ohne Inkontinenz unter Ausschluss von Harnwegsinfektionen oder einer sonstigen Pathologie. Ein Trink-und Miktionsprotokoll sollte für mindestens 2 (5-7) Tage durchgeführt werden, so Prof. Dr. Daniela Schultz-Lampel, Villingen-Schwenningen.

Ein solches Protokoll erfasst und quantifiziert objektiv:

Bei der initialen Therapie der OAB muss unterschieden werden, ob es sich um Stressinkontinenz, Mischinkontinenz oder Dranginkontinenz handelt. Liegt eine Stressinkontinenz vor, sollte mit dem Patienten über die Themen Lebensstil, Medikamente, Komorbidiät, Flüssigkeitsaufnahme und Gewichtsreduktion gesprochen werden.

Für einen kurzzeitigen Einsatz kann Desmopressin erwogen werden, auch feste Entleerungszeiten und das Tragen von Einlagen sollten berücksichtigt werden. Die Empfehlungen gelten auch für eine Mischinkontinenz.

Bei einer Dranginkontinenz sollten Anti-Muskarinika oder Mirabegron eingesetzt werden. Spricht der Patient nicht an, sollte eine perkutane tibiale Nervenstimulation (PTNS) in Betracht gezogen werden. Versagen konservative und medikamentöse Therapie, sollten chirurgischen Optionen erwogen werden. Ein wichtiger Faktor sind Ko-Medikation und Alter bei der Gabe von Anti-Muskarinika.

Welche Therapie bei für welche OAB-Patienten?

Bei der Wahl der Therapiestrategie für OAB müssen das individuelle Nutzen-/Risikoprofil und die Erwartungen des Patienten abgewogen werden.

Therapiewahl richtet sich mehr nach Patientenwahl und Patientenwunsch als nach einem tatsächlichen Algorithmus.

Spezielle Leitlinien für die ältere Bevölkerung unter Berücksichtigung der „real-world data“ sind nötig. Die Erstellung eines Patientenprofils ist wichtig.

Referenzen: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie, Kongresszentrum Dresden, 26. bis 29. September 2018