Aortenaneurysma: Verbesserte Chancen nach OP

Je nach Alter und Krankheitsbild stellen offene Hauptschlagader-Operationen auch weiterhin eine gute und in bestimmten Fällen sogar die einzige sinnvolle Alternative dar.

Etwa 3% der Ü50 leiden unter Viszeralaneurysmen

Von einer minimalinvasiven Behandlung krankhafter Erweiterungen der Hauptschlagader – dem Aortenaneurysma – profitieren vor allem ältere und kränkere PatientInnen. Je nach Alter und Krankheitsbild stellen jedoch offene Hauptschlagader-Operationen auch weiterhin eine gute und in bestimmten Fällen sogar die einzige sinnvolle Alternative dar.

Dies zeigt das Beispiel einer heute 37-jährigen Patientin, die aufgrund einer seltenen Erkrankung des Bindegewebes, dem Marfan-Syndrom, einen lebensgefährlichen Riss dieses Gefäßes mit weiteren krankheitsbedingten Komplikationen erlitt. Nach mehreren Operationen hat sich die zweifache Mutter nun soweit erholt, dass sie ihren Alltag auch dank der Hilfe ihres Mannes wieder meistern kann.

Aortneaneurysma kann zum Notfall werden

Dass Carola Zschocke überhaupt noch am Leben ist, grenzt an ein Wunder. Im November 2018 wurde sie mit einem diagnostizierten Riss in der Hauptschlagader (Aorta) mit dem Hubschrauber in das Dresdner Universitätsklinikum eingeliefert. Gleichzeitig war bei der damals 35-Jährigen die Speiseröhre betroffen – die um bis zu zehn Zentimeter erweiterte Aorta hatte ein Loch in das Organ gerieben und gleichzeitig auf das Herz gedrückt. "Krankhafte Erweiterungen der Hauptschlagader, so genannte Aortenaneurysmen, stellen eine tödliche Bedrohung dar. Wenn sie platzen, geht es um Minuten, die Überlebenschancen sind sonst gering und wenn dann noch die Speiseröhre betroffen ist, steht es noch schlechter um den Patienten", sagte Prof. Christian Reeps. Vor fünf Jahren ist der erfahrene Gefäßchirurg an das Uniklinikum Dresden gewechselt und hat den Bereich für Gefäß- und Endovaskuläre Chirurgie deutlich ausgebaut. Gemeinsam mit seinem Team konnte der Chirurg die junge Frau erfolgreich behandeln und begleitet sie seitdem medizinisch. Im neuen, operativen Zentrum des Klinikums – dem Haus 32 – können ExpertInnen zudem auf eine hervorragende Infrastruktur inklusive zweier Hybrid-OPs setzen, um PatientInnen wie Carola Zschocke zu behandeln.

Insgesamt werden bei etwa drei Prozent der Menschen im Alter über 50 Jahren abdominelle Aortenaneurysmen, also bedrohliche Erweiterungen der Aorta, diagnostiziert. Fünf von 100 Männern über 65 Jahre leiden an dieser Erkrankung, die dringend überwacht werden muss, sofern sie rechtzeitig diagnostiziert wurde. Bei einem von 100 Patienten ist eine umgehende Behandlung erforderlich. Besonders gefährdet sind aktive und frühere Raucher.

Erbliche Ursache für das Aortenaneurysma

Grund für Erkrankungen der Hauptschlagader können aber auch erbliche Veranlagungen sein. So wie bei Carola Zschocke, die unter dem Marfan Syndrom leidet. Nur ein bis zwei Menschen von 10.000 zeigen diese genetisch bedingte Bindegewebsschwäche, weshalb diese zu den seltenen Erkrankungen zählt. Dabei kommt es unter anderem häufig zu gefährlichen Erweiterungen der Blutgefäße. Besonders betroffen davon ist die Hauptschlagader. So lässt sich das Aneurysma Ende 2018 bei der Patientin aus Schönbrunn erklären. "Mir wurde auf Arbeit schlecht, dann habe ich Blut erbrochen", sagte sie.

KollegInnen brachten sie in eine nahe Klinik. Danach ging alles ganz schnell. In einer gemeinsamen Not-Operation haben die Fachleute der Gefäß- und Viszeralchirurgie am Uniklinikum Dresden zunächst die gerissene Brustschlagader ersetzt und zugleich einen Teil der ebenfalls betroffenen Speiseröhre entfernt. Diese sowie die Anschluss-OP mit Ersatz der kompletten Bauchschlagader inklusive aller Organ- und Beckenarterien im März 2019 mussten die ÄrztInnen am offenen Körper unter Einsatz einer Art Herz-Lungenmaschine genannt ECMO durchführen, um während der OP die Durchblutung der Organ- und Beinarterien sicherstellen zu können. ECMO steht für "Extrakorporale Membranoxygenierung" – ein maschinelles Lungen- und Kreislaufersatzverfahren, bei dem das Blut des Patienten entnommen, außerhalb des Körpers das Kohlendioxid entzogen und mit Sauerstoff angereichert und dem Körper zur Durchblutung zurückgegeben wird.

Dabei setzt der Bereich für Gefäß- und Endovaskuläre Chirurgie am Uniklinikum Dresden auf ein breites Spektrum an Kompetenz. Wie an nur wenigen Standorten können hier sowohl komplizierteste Aorten-Operationen minimalinvasiv mittels Katheterverfahren, als auch die offene Maximaltherapie von Aortenerkrankungen, sowie Operationen mittels maschineller Kreislauf- und Lungenunterstützung routiniert angeboten werden. Letztere können nach entsprechender Risikoabwägung insbesondere bei jüngeren PatientInnen mit Erkrankungen der gesamten Hauptschlagader von Vorteil sein und sind bei PatientInnen mit Bindegewebserkrankungen und Infektionen mit ausgedehntem Ersatz die Methode der Wahl. Für eine offene Operation der gesamten Hauptschlagader sprechen bei Jüngeren die guten OP- und Langzeitergebnisse, auf die die Mediziner setzen.

Spezialtherapie erfordert tiefe Kenntniss und Kompetenz

"Diese Maximaltherapie erfordert spezielle und tiefe Kenntnisse und Kompetenzen und ein starkes interdisziplinäres Team, weshalb sie nur in wenigen Zentren in Deutschland angeboten wird", sagte Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Uniklinikums Dresden: "Wir sind stolz, als Maximalversorger in der Region diese komplizierten Eingriffe durchführen zu können." Dazu gehören auch endovaskuläre Operationen, die besonders bei älteren und kränkeren PatientInnen gewählt werden. Hier werden in einem der beiden hochmodernen Angiographie-Hybrid-OPs des Chirurgischen Zentrums Stentprothesenröhrchen minimalinvasiv über kleine Punktionen in die Leistenschlagadern eingeführt, um die Aorta zu stabilisieren, Organarterien zu sichern und den Zufluss zum Aneurysma zu stoppen.

Die MedizinerInnen müssen die Bauchhöhle hierbei nicht öffnen, weshalb dieser Eingriff schonender und körperlich deutlich weniger belastend ist und sich deshalb bei PatientInnen im hohen Alter anbietet. "Das Chirurgische Zentrum des Uniklinikums im Haus 32 und 59 bietet uns allen optimale Bedingungen für die oft schwierigen Operationen", sagte Prof. Jürgen Weitz, Direktor der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie: "Besonders durch die enge und damit unkomplizierte Zusammenarbeit von Gefäß-, Thorax- und Bauchchirurgen in einer Klinik können auch die komplexesten chirurgischen Krankheitsbilder die häufig ein nahtloses Zusammenwirken aller Spezialisten benötigen erfolgreich gemeinsam versorgt werden."

So auch bei Carola Zschocke. Sie wurde seit dem Aortenriss in der Brustschlagader und der Fistel an der Speiseröhre noch mehrfach von den Viszeral-, Thorax- und GefäßchirurgInnen operiert. Im vergangenen November wurde bei ihr die Speiseröhre mittels Magenhochzug wiederhergestellt. Zudem hat sie eine künstliche, mechanische Herzklappe bekommen – auch dies war aufgrund der Folgeerscheinungen des Marfan-Syndroms notwendig. Regelmäßig kommt die Patientin zur Nachbetreuung in das Uniklinikum.

"Mir geht es soweit gut", so die heute 37-jährige Mutter von zwei Kindern. Auf ihrem Grundstück in Schönbrunn kann sie sich schon gut bewegen. Nun gilt es, nachdem das Gröbste überstanden ist, Gewicht zuzulegen, die Herzleistung zu verbessern und generell zu Kräften zu kommen. Noch leidet sie unter Schwächegefühl, speziell nach dem Essen. Bei ihren Fragen und medizinischen Problemen wird die Patientin weiterhin am Uniklinikum Dresden engmaschig betreut.