Sind NOACs eine Option für Krebspatienten?

Lassen sich NOACs auch bei Krebspatienten zur VTE-Prophlaxe sicher anwenden? Zwei aktuelle Studien deuten an, dass NOACs im Vergleich mit dem standardmäßig eingesetzten Heparin eine bessere Prophylaxe versprechen.

Lassen sich NOACs auch bei Krebspatienten zur VTE-Prophlaxe sicher anwenden?

Zwei aktuelle Studien deuten an, dass NOACs im Vergleich mit dem standardmäßig eingesetzten Heparin eine bessere Prophylaxe versprechen. Andererseits ist das Blutungsrisiko unter NOACs höher. Auf einem auf einem State-of-the-Art-Symposium bei der GTH in Wien, stellte Prof. Dr. Anne Angelillo-Scherrer, University Clinic of Hematology and Central Hematology Laboratory Bern vor, für welche Patienten NOACs womöglich infrage kommen.

Die Hämatologin zog dazu drei Fälle aus der Praxis heran. Den eines 55jährigen Mannes mit metastasiertem Lungenkrebs, der eine Chemotherapie erhält und keine renale oder hepatische Dysfunktion aufweist. Die Plättchen legen bei 120G/l, normales PT, aPTT, Fibrinogen 4,5 g/L. Er ist neu diagnostiziert mit proximaler Venenthrombose im rechten Bein. Eine 25 Jahre alte Frau mit akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) und DVT im linken Bein. CBC: Hb 80 g/L, Leukozyten 41 G/L (75% Blasen), Plättchen 55 G/L. Keine Nieren-und keine Leberfunktonsstörung. Und ein 45 Jahre alter Mann mit Magenkrebs im Stadium IIIB unter Chemotherapie. CBC Hb 120 g/L, Plättchen 100 G/L, Kreatinin-Clearance 30 mL/min, diagnostiert wird eine Lungenembolie. Welche Substanz kommt für die initiale und für die Langzeit-Antikoagulation bei diesen Patienten infrage?

Krebs ist ein starker Risikofaktor für VTE, wie die Arbeit von Chen in Arch Intern Med, 2006 zeigt. Beim Pankreaskrebs ist zwei Jahre nach Diagnose das VTE-Risiko stark erhöht. Blutungskomplikationen treten bei 10% der Patienten mit soliden Tumoren und zu einem noch höheren Anteil bei Patienten mit malignen hämatologischen Erkrankungen auf.

Die Guidelines für die Behandlung von Krebsassoziierter VTE empfehlen für die initiale Therapie und für die Erhaltungstherapie niedermolekulares Heparin, das gilt auch für die verlängerte Erhaltungsphase.

Eine Netzwerk Meta.-Analyse (Posch et al. Thromb. Res. 2015) zeigt aber, dass niedermolekulares Heparin und NOACs vergleichbar sind in der Prävention von wiederkehrenden VTEs und auch beim Risiko für Major Bleedings.

Mehrere Studien vergleichen NOACs und niedermolekulares Heparin zur VTE-Prävention bei Krebspatienten. Die HOKUSAI VTE Cancer (Raskob et al. NEJM, 2018) und die SELECT-D (Young et al. ASH Meeting 2017) sind abgeschlossen, CARAVAGGIO (Apixaban vs. niedermolekulares Heparin) und CANVAS (NOACs vs. niedermolekulares Heparin mit und ohne Warfarin) laufen noch.

SELECT-D vergleicht Rivaroxaban mit Dalteparin (n=406) bei Krebspatienten. Der Großteil der Probanden leidet an Darmkrebs-, Lungen-und Brustkrebs. Die Rate für wiederkehrende VTEs liegt unter Dalteparin bei 11%, unter Rivaroxaban bei 4%. Allerdings ist unter Rivaroxaban die Zahl der Blutungen erhöht: Die Major Bleedings liegen bei11 vs.6. Bei den klinisch relevanten Blutungen liegt das Verhältnis bei 25 zu 6.

Die HOKUSAI VTE Cancer testet niedermolekulares Heparin ≥ 5 Tage gefolgt von Edoxaban 60 mg täglich gegen Dalteparin (200 U/d) für 1 Monat, dann 150 U/d an 522 Patienten. Studiendauer ist 12 Monate. Es zeigte sich, dass Edoxaban Dalteparin nicht unterlegen ist: 12,8% vs. 13,5%, HR: 0,97. Die Rate an wiederkehrenden VTEs war numerisch geringer unter Edoxaban als unter Dalteparin: 7,9% vs. 11,3%, p=0,09. Allerdings war die Rate von Major Bleedings signifikant unter Edoxaban signifikant erhöht: 6,9% vs. 4,0%; dabei handelte es sich vor allem um gastrointestinale Blutungen.

Angelillo-Scherrer würde bei Patient 1 mit Edoxaban therapieren, vorausgesetzt, der Patient ist über das erhöhte Blutungsrisiko aufgeklärt und stimmt zu. Bei Patientin 2 könnte ein NOAC infrage kommen, denn es liegen keine Leber-und Niereneinschränkungen vor. Hier empfiehlt die Gefäßmedizinerin eine halbierte Dosis niedermolekulares Heparin . Bei Patient kommt aufgrund der GI-Blutungen und der GFR-Rate kein NOAC infrage: Am sichersten wäre die Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin, falsch wäre aber, hier nur eine halbe Dosis zu geben.

Angelillo-Scherrer gab folgende Take-home-Message: 

Sorgfältige Evaluierung von

-Indikation für die Behandlung

-Blutungsrisiko

Umkehrstrategien bei NOACs stellte Prof. Dr. Thomas Gary von der Angiologie der Universitätsklinik Graz, vor.

Drei Mittel wurden bislang entwickelt:

Idarucizumab ist ein monoklonales humanes Fab-Fragment das Dabigatran mit einer 350-fach höheren Affinität als Thrombin bindet. Gegeben wird es als 2 iv Bolus von 2,5 g, jeder innerhalb von 5 bis 10 min gegeben.

In der REVERSE AD-Studie erhielten 8/503 Patienten mehr als 5g Idarucizumab, thrombotische Ereignisse traten bei 4,8% auf, drei Patienten starben aufgrund eines Schlaganfalls, berichtet der Gefäßmediziner.

Andexanet wurde als Antagonist zur Aufhebung der Wirkung von Faktor-Xa-Hemmern entwickelt. Er ist ein Faktor X-Fragment, das eine Bindungsstelle für Inhibitoren trägt und somit ein kompetitives Substrat für das Antikoagulans darstellt. Es sind höhere Dosen erforderlich um Rivaroxaban oder Edoxaban umzukehren als für Apixaban.

-Dosis für die Apixaban-Umkehr: 400mg Bolus gefolgt von einer Infusion von 4mg/min über zwei Stunden
-Dosis für die Rivaroxaban-Umkehr: 800mg Bolus gefolgt von einer Infusion von 8mg/min über zwei Stunden

Eine Art Allzweckwaffe ist das anorganische synthetische Molekül Ciraparantag. Es hebt sowohl die Wirkung von direkten Faktor-Xa-Hemmern und Faktor-II-(Thrombin)-Hemmern als auch von unfraktioniertem Heparin und niedermolekularen Heparinen auf. Gegen Vitamin-K-Antagonisten ist das Breitband-Antidot allerdings wirkungslos.

-Eine Einzeldosis Ciraparantag (100-300mg) während 10 bis 30 min kehrt den antikoagulativen Effekt von Edoxaban innerhalb von 10 min um.

Derzeit besteht eine Lücke bei der Umkehr von FaktorXa-Inhibitoren (Andexanet wird noch evaluiert und Ciraparantag ist noch in der Entwicklung). Um diese Lücke zu füllen wird meist ein Prothrombinkomplex-Konzentrat (PCC) verabreicht. FEIBA hingegen wird nur als Exit-Strategie empfohlen, erst dann, wenn durch die PCC-Gabe kein Blutungsstopp erreicht werden kann.

Zum Management von Blutungen empfiehlt Gary folgende Vorgehensweisen:

Milde Blutungen:

Moderate bis schwere Blutungen:

Lebensbedrohliche Blutung – Umkehr der Antikoagulation

Hält die Blutung an: FEIBA (50 IU/kg) oder rekombinanten FAktor VLLa (90 µg/kg)

Quelle:
State-of-the-Art: Critical aspects in the use of DOACs, Donnerstag, 22. Februar 2018, GTH Wien