Bei Riesenzellarteriitis eher auf Tocilizumab oder auf MTX setzen?

Welche Firstline-Therapie der Riesenzellarteriitis ist besser: IL-6 Inhibition (Tocilizumab) oder Glukokortikoide plus MTX? Und ist die Gabe von JAK-Inhibitoren nach DMARD-Versagen bei Rheumatoider Arthritis sinnvoll?

Expertendebatte zu Glukokortikoid-einsparenden Therapien

Welche Firstline-Therapie der Riesenzellarteriitis ist besser: IL-6 Inhibition (Tocilizumab) oder Glukokortikoide plus MTX? Und ist die Gabe von JAK-Inhibitoren nach DMARD-Versagen bei Rheumatoider Arthritis sinnvoll? Das waren Themen eines Symposiums beim 46. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie im Rosengarten in Mannheim.

Eine 74 Jahre alte Patientin stellte sich mit Muskelschmerzen und Abgeschlagenheit in der Klinik vor, sie hatte Gewicht verloren, litt an Schläfenkopfsschmerz. Keine Visusstörungen, keine Kauclaudicatio, ansonsten war die rheumatologische "Organanamnese" leer. In ihrer Vorgeschichte wies sie eine arterielle Hypertonie auf, seit 2014 ein permanentes Vorhofflimmern. Bei der Polymyalgia rheumatica, wegen der sie ein Jahr lang mit Glukokortikoiden behandelt worden war, konnte eine Remission erreicht werden. Sie litt an einer Hypercholesterinämie. Als Medikation erhielt sie Rivaroxaban 15 mg 1x1, Candesartan 16 mg 2x1, Simvastatin 40 mg 1x1.

In der Farb-Duplex-Sonographie der A. axiallaris beidseits zeigten sich Halo-Zeichen und eine pathologische Intima-Media-Dicke (> 1mm). Befund: Arteriitis der A. axiallaris beidseits und der A. subclavia beidseits, Aortitis der Aorta ascendens. Die Diagnose lautete Riesenzellarteriitis, die Patientin erhielt ab Klinikaufnahme 60 mg Prednisolon. Die Cephalgien konnten innerhalb von 24 Stunden unterbrochen werden, die Myalgien endeten, nachdem mit Simvastatin pausiert wurde. Angestrebt wird eine Glukokortikoid-einsparende Therapie. Doch was kommt dafür infrage? Tocilizumab oder doch besser Glukokortikoide plus MTX?

MTX die einzige Therapie mit Evidenzlevel 1A

Dr. Peer M. Aries, Hamburg, hebt die Indikation für eine Steroid-einsparende Therapie ausdrücklich hervor. Eine ungünstige Prognose – die den Einsatz von Tocilizumab erfordern würde – sieht Aries bei der Patientin als nicht belegt an. MTX ist aus seiner Sicht eine effektive Therapieoption und die einzige Therapie mit dem Evidenzlevel 1A:

Prof. Dr. Wolfgang Schmidt, Rheumaklinik Berlin-Buch hingegen erinnert an die Probleme der Patientin: Rezidiv PMR vor 2 Jahren, Vorhofflimmern und Hypertonus, Hypercholesterinämie, Niereninsuffizienz II-(III) und Osteopenie. Im Vergleich mit Etanercept zeigt Tocilizumab in Bezug auf MACE eine erhöhte kardiovaskuläre Sicherheit, HR: 0,95 (Generali E, et al Clin Exp Rheumatol. 2018).

Unter Tocilizumab konnte Prednisolon schneller reduziert werden

Tocilizumab bei Riesenzellarteriitis war in der GiACTA-Studie untersucht worden (Stone JH, et al. NEJM 2017). Schmidt berichtet von eigenen Erfahrungen: TCZ bei RZA (Oktober 2017 bis September 2018), 48 RZA-Patienten, 3 Patienten konnten Prednisolon viel schneller reduzieren, das CRP bliebt bei allen im Normbereich. Auch kam es unter TCZ plus GK nie zu einer Verschlechterung des Sonografiebefundes.

Dine Zulassung für TCZ besteht für alle Patienten; zu Therapiebeginn wird es gemeinsam mit Glukokortikoiden eingesetzt:

Pro TCZ:

Contra TCZ:

Im Falle der Patientin spricht folgendes für TCZ:

JAK-Hemmer direkt nach DMARD-Versagen bei RA?

Ist die Gabe von JAK-Inhibitoren nach DMARD-Versagen bei Rheumatoider Arthritis sinnvoll? Während Prof. Dr. Klaus Krüger, München, fünf gute Gründe nannte, die in einem Fall von Rheumatoider Arthritis nach DMARD-Versagen für einen JAK-Hemmer sprechen, erinnerte Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops daran, dass der JAK-Einsatz zwar Leitliniengerecht ist, die Erfahrungswerte der JAKs aber weit unter denen der Biologika liegen, die seit 20 Jahren an bislang rund einer Million Menschen weltweit eingesetzt wurden. Unbekannte Nebenwirkungen seien da kaum zu erwarten.

Während Krüger betonte, dass Patienten die orale Gabe der parenteralen vorziehen, gab Schulze-Koops zu bedenken, dass die tägliche Einnahme eher zu schlechterer Compliance führen könnte, wenn die Einnahme vergessen wird.

Eine erhöhte Immunogenität – und damit ein reduziertes Ansprechen bzw. die Bildung von Antikörpern – ist bei JAK-Inhibitoren nicht zu befürchten, so Krüger. Auch die kurze Halbwertszeit bringt diverse Vorteile: Etwa beim perioperativen Management. Die präoperative Absetzzeit beträgt bei bDMARD drei HWZ und bei den JAKs einige Tage. Auch die Absetzzeit bei Kinderwunsch ist bei den JAKs kürzer: bei non-TNF-DMARDs beträgt sie mindestens 3 Monate, bei den JAKs eine bis wenige Wochen.

Zulassungsstatus und Leitlinien ermöglichen zwar den rechtlichen und evidenzbasierten Einsatz von JAKi bei MTX-IR, betont Schulze-Koops. Aber die Erfahrungen sind limitiert, das gilt für MTX-IR und vor allem für den Umgang bei JAKi-IR. Die Wirksamkeit der JAK-Hemmer ist der von Biologika nicht überlegen. Komorbiditäten und Ko-Medikationen müssen ganz anders bedacht werden, weil JAKi über die Niere ausgeschieden wird und deshalb bei eingeschränkter Nierenfunktion nur bedingt infrage kommt. Die Datenlage für JAKi ist gerade bei älteren Patienten begrenzt.

Referenzen:
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Congress Center Rosengarten, Mannheim, Die große Debatte, 19. bis 22. September 2018.