Antithrombotische Kombinationstherapie bei Vorhofflimmern und ACS, CCS und/oder PCI: Was sagen die neuen ESC-Leitlinien?

Die neuen Leitlinien der <em>European Society of Cardiology</em> (ESC) zur Diagnose und Therapie des Vorhofflimmerns (VHF) wurden auf deren diesj&auml;hrigem digitalen Kongress im September vorgestellt.

Antithrombozytäre Therapie bei Patienten mit nvVHF und ACS, CCS und/oder PCI – ein Balanceakt

Bei nvVHF-Patienten mit ACS und/oder PCI ist eine gut ausbalancierte Behandlung gefragt, die sowohl Schlaganfällen als auch Stentthrombosen vorbeugen kann und dabei mit einem möglichst geringen Blutungsrisiko einhergeht. Bei diesen Patienten wird durch die aktuellen ESC-Leitlinien eine antithrombotische Kombinationstherapie empfohlen, die aus oraler Antikoagulation in Kombination mit Plättchenhemmung mittels P2Y12-Inhibitor und/oder Acetylsalicylsäure (ASS) besteht.2 Prof. Potpara zufolge zeigen die Ergebnisse aktueller randomisierter klinischer Studien wie der AUGUSTUS-Studie3, „dass bei antithrombotischer Kombinationstherapie eine orale Antikoagulation mit Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOACs) gegenüber Vitamin-K-Antagonisten (VKA) mit signifikant weniger schweren und intrakraniellen Blutungen assoziiert ist“.1,* Zur Senkung des Risikos schwerer Blutungen kann darüber hinaus eine duale antithrombotische Therapie ohne ASS anstelle einer Tripeltherapie mit ASS eingesetzt werden. Diesem Vorteil der dualen Therapie stehe jedoch eine höhere Rate an ischämischen Ereignissen (ischämische Schlaganfälle, systemische Embolien oder koronare ischämische Ereignisse) gegenüber, so Prof. Potpara.1 Es muss daher abhängig von der individuellen Situation der Patienten eine Entscheidung zwischen mehreren möglichen Therapieoptionen getroffen werden.

Duale vs. Tripeltherapie – was sagen die Leitlinien?

Die neuen ESC-Leitlinien empfehlen den Einsatz von NOACs wie Apixaban (ELIQUIS®)§ anstelle von VKA zur Antikoagulation bei allen Patienten mit nvVHF und ACS, CCS und/oder PCI, sofern sie für eine Behandlung mit einem NOAC in Frage kommen.1,2 Zur Plättchenhemmung empfehlen die Leitlinien den Einsatz eines P2Y12-Inhibitors, vorzugsweise Clopidogrel.

Für bis zu eine Woche nach dem Indexereignis bzw. bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus, jedoch nicht darüber hinaus, empfehlen die Leitlinien grundsätzlich eine antithrombotische Tripeltherapie bestehend aus Antikoagulation, P2Y12-Inhibitor und ASS. Bei Patienten mit einem hohen Risiko für koronare ischämische Ereignisse kann die Dauer der Tripeltherapie auf bis zu einen Monat verlängert werden.1,2 Alle anderen Patienten sollten eine duale Therapie bestehend aus Antikoagulation und P2Y12-Inhibitor ohne ASS erhalten.1,2

Während die Antikoagulation stets dauerhaft fortgesetzt werden sollte, hängt die empfohlene Dauer der Plättchenhemmung mittels P2Y12-Inhibitor von der Art des Indexereignisses sowie dem individuellen Risiko für ischämische Ereignisse ab (Abb. 1).1,2

Abb. 1: Aktualisierte Empfehlungen der European Society of Cardiology (ESC) zu Art und Dauer der antithrombotischen Therapie bei VHF-Patienten mit ACS, CCS und/oder PCI. Adaptiert nach Hindricks G, Potpara T et al., 2020.1,2

Fazit:

Bei Patienten mit nvVHF und ACS, CCS und/oder PCI, für die NOACs in Betracht kommen, wird durch die aktualisierten Leitlinien der ESC in Kombination mit einer Plättchenhemmung der Einsatz von NOAC bevorzugt vor VKA empfohlen (Klasse-1A-Empfehlung). Eine antithrombotische Tripeltherapie einschließlich ASS sollte bei den meisten Patienten für maximal eine Woche bzw. bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus erfolgen und danach durch eine duale antithrombotische Therapie ohne ASS abgelöst werden, falls das Risiko einer Stentthrombose gering ist oder falls Bedenken bezüglich des Blutungsrisikos gegenüber Bedenken bezüglich des Risikos einer Stentthrombose überwiegen. NOACs wie Apixaban in der Standarddosierung können bei diesen Patienten eine geeignete und durch die neuen Leitlinien der ESC empfohlene Therapieoption zur oralen Antikoagulation darstellen.1,2,4,§


* Schwere Blutungen waren in AUGUSTUS entsprechend den Kriterien der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) definiert.3
§ Apixaban (ELIQUIS®) sollte bei gleichzeitiger Anwendung mit ASS oder P2Y12-Inhibitoren wie Clopidogrel mit Vorsicht angewendet werden, da diese Arzneimittel üblicherweise das Blutungsrisiko erhöhen.4

Abkürzungen
ACS: akutes Koronarsyndrom
ASS: Acetylsalicylsäure
CCS: chronisches Koronarsyndrom
ESC: European Society of Cardiology
NOAC: Nicht-Vitamin-K-abhängiges orales Antikoagulans
nvVHF: nichtvalvuläres Vorhofflimmern
P2Y12: P2Y12-Rezeptorantagonisten (Thrombozytenaggregationshemmer)
PCI: perkutane Koronarintervention
VHF: Vorhofflimmern
VKA: Vitamin-K-Antagonist

Referenzen

  1. Potpara T. Presented at ESC Congress 2020, Amsterdam.
  2. Hindricks G, Potpara T et al. Eur Heart J 2020 Aug 29:ehaa612; doi:10.1093/eurheartj/ehaa612
  3. Lopes RD et al. 2019. N Engl J Med 380(16):1509-1524. doi:10.1056/NEJMoa1817083
  4. Fachinformation ELIQUIS®, aktueller Stand.