Balanceakt antithrombotische Therapie bei VHF<sup>&diams;</sup>-Patient:innen mit ACS und/oder PCI: Erkenntnisse aus der AUGUSTUS-Studie

Gibt es einen Punkt, an dem das h&ouml;here Blutungsrisiko einer Tripeltherapie (mit Acetylsalicyls&auml;ure) den antithrombotischen Nutzen &uuml;bersteigt? Subanalysen der AUGUSTUS-Studie k&ouml;nnen helfen, den optimalen Zeitraum einer Tripeltherapie f&uuml;r Patient:innen mit VHF<sup>&diams;</sup> und akutem Koronarsyndrom (ACS) und/oder perkutaner Koronarintervention (PCI) n&auml;her einzugrenzen.<sup>1, 2</sup>

Gibt es einen Punkt, an dem das höhere Blutungsrisiko einer Tripeltherapie (mit Acetylsalicylsäure) den antithrombotischen Nutzen übersteigt? Subanalysen der AUGUSTUS-Studie können helfen, den optimalen Zeitraum einer Tripeltherapie für Patient:innen mit VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎ und akutem Koronarsyndrom (ACS) und/oder perkutaner Koronarintervention (PCI) näher einzugrenzen.1, 2

Die antithrombotische Behandlung bei Patient:innen mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern (VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎) und ACS und/oder PCI ist ein Balanceakt zwischen der Verhinderung ischämischer Ereignisse und erhöhtem Blutungsrisiko.3 Wie kann demnach die antithrombotische Behandlung optimiert werden, um möglichst ein Gleichgewicht zwischen Risiko und Nutzen zu schaffen?

Für einen solchen Optimierungsprozess ist es wichtig zu verstehen, dass das Blutungsrisiko unter einer Tripeltherapie über die Zeit konstant bleibt und unter einer langfristigen, stark wirksamen antithrombotischen Therapie höher ist. Das ischämische Risiko nach einer PCI hingegen ändert sich und nimmt mit der Zeit ab (Abb. 1).4

Abbildung 1: Absolutes Risiko für Blutungen bzw. Stentthrombosen im Zeitverlauf nach einer PCI.4

Subanalyse der AUGUSTUS-Studie: Stentthrombosen früh und selten

In einer Subanalyse1 der AUGUSTUS-Studie5 ist dieser Zusammenhang nochmals deutlich geworden. Für die AUGUSTUS-Studie wurden 4.614 VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎-Patient:innen mit ACS und/oder PCI eingeschlossen, für die ein P2Y12-Inhibitor indiziert war. Zusätzlich zu diesem wurden die Patient:innen randomisiert mit Apixaban (ELIQUIS®)‡,§ oder VKA behandelt und gleichzeitig auf ASS (Tripeltherapie) oder Placebo (duale Therapie) randomisiert. Zwischen dem Indexereignis und der Randomisierung vergingen im median 6 Tage, an denen alle Patient:innen ASS erhielten.1, 5

Der primäre Fokus der Subanalyse von Lopes et al.1 lag auf dem Auftreten von Stentthrombosen bei den 3.498 Patient:innen der AUGUSTUS-Studie, die im Rahmen des qualifizierenden Ereignisses eine PCI mit Stentimplantation erhalten hatten. Über einen Zeitraum von 6 Monaten wurden alle Stentthrombosen erfasst, die nach Randomisierung auftraten, und von einem klinischen Komitee verblindet adjudiziert.1 Dabei wurde deutlich:

Über den Beobachtungszeitraum von 6 Monaten traten Stentthrombosen unter Apixaban§ als Teil einer dualen oder Tripeltherapie numerisch seltener auf als unter VKA (0,74 %; n = 13) versus 0.97 %; n = 17). Beim Vergleich Placebo/duale Therapie versus ASS /Tripeltherapie (unabhängig vom verwendeten OAC) waren Stentthrombosen unter Placebo fast doppelt so häufig wie unter ASS (1,08 %; n = 19 versus 0,63 %; n = 11).1

AUGUSTUS-Sekundäranalyse: Nutzen-Risiko-Abschätzung für zwei Zeitfenster

Aufgrund der Erkenntnisse von Lopes et al.1 führten Alexander und Kollegen eine post-hoc-Sekundäranalyse der AUGUSTUS-Daten durch: Eine Nutzen-Risiko-Abschätzung für die einzelnen Therapieregime über die ersten 30 Tage und für den Zeitraum Tag 30 bis 6 Monate nach Randomisierung.2

Die AUGUSTUS-Hauptanalyse hatte ein um relativ 89 % signifikant höheres Risiko für den primären Endpunkt ISTH schwere oder klinisch relevante nicht schwere Blutung** unter ASS (Tripeltherapie) vs. Placebo (duale Therapie) über den gesamten Zeitraum von 6 Monaten aufgezeigt.5 Für den sekundären Wirksamkeitsendpunkt Tod oder ischämische Ereignisse†† waren die Raten vergleichbar.5 Eine Risikoabschätzung mit Hilfe dieser Endpunkte ist aufgrund der unterschiedlichen Schweregrade jedoch nur eingeschränkt möglich.5

Daher fassten Alexander et al.2 verschiedene, im Rahmen der AUGUSTUS-Studie erfasste Blutungs- bzw. ischämische Ereignisse zu kombinierten klinischen Endpunkten mit möglichst vergleichbarem Schweregrad zusammen. Nach dem Intention-to-treat Prinzip wurden schwerwiegende Blutungsereignisse (tödliche, intrakranielle oder ISTH schwere Blutungen**) und schwerwiegende ischämische Ereignisse (kardiovaskulärer Tod, eindeutige oder wahrscheinliche Stentthrombose, Myokardinfarkt und Schlaganfall) verglichen.2

Schlägt das Nutzen-Risiko-Verhältnis nach 30 Tagen um?

Die Sekundäranalyse ergab, dass bei Patient:innen mit VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎ und kürzlichem ACS/PCI, die einen P2Y12-Inhibitor und eine orale Antikoagulation mit Apixaban oder Warfarin erhielten, die Anwendung von ASS (Tripeltherapie) im Vergleich zu Placebo (duale Therapie):

Abbildung 2: Sekundäranalyse der AUGUSTUS-Studie mit den kombinierten Endpunkten zu schwerwiegenden Blutungen und ischämischen Ereignissen für den Zeitraum ab Randomisierung bis 30 Tage.2 CV: kardiovaskulär; MI: Myokardinfarkt; ASS: Acetylsalicylsäure
 
Abbildung 3: Sekundäranalyse der AUGUSTUS-Studie mit den kombinierten Endpunkten zu schwerwiegenden Blutungen und ischämischen Ereignissen für den Zeitraum Tag 30 bis 6 Monate.2 CV: kardiovaskulär; MI: Myokardinfarkt; ASS: Acetylsalicylsäure

Die Ergebnisse der Subanalyse waren unabhängig davon, ob es sich um ein ACS mit PCI, medikamentös behandeltes ACS oder eine elektive PCI handelte.2

Bei dem Vergleich Apixaban vs. VKA gab es für keines der untersuchten Zeitfenster Hinweise, dass die unter Apixaban beobachtete Reduktion schwerwiegender Blutungsereignisse durch eine im Vergleich zu VKA erhöhte Rate schwerwiegender ischämischer Ereignisse erkauft wurde.2

Fazit:

Bei Patient:innen mit VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎ und ACS und/oder PCI ist das Risiko für ischämische Ereignisse anfangs am größten und nimmt mit der Zeit ab.2,4 Die Sekundäranalyse der AUGUSTUS-Studie unterstützt eine patient:innenzentrierte Entscheidung über die Hinzunahme von ASS zu oraler Antikoagulation und P2Y12-Inhibitor (Tripeltherapie) abhängig vom individuellen ischämischen Risiko und Blutungsrisiko für die ersten 30 Tage.2 Nach 30 Tagen scheint der Nutzen einer Fortführung von ASS durch das höhere Blutungsrisiko aufgehoben zu sein.2


VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎ = nicht-valvuläres Vorhofflimmern
Apixaban in der Dosierung 5 mg 2 x tgl.; Dosisreduktion auf 2,5 mg 2 x täglich bei Patient:innen mit ≥ 2 der folgenden Kriterien: Alter 80 Jahre, Körpergewicht ≤ 60 kg oder Serum-Kreatinin ≥ 1,5 mg/dl (133 µmol/l)
§ Eliquis sollte bei gleichzeitiger Anwendung mit ASS oder P2Y12- Inhibitoren wie Clopidogrel mit Vorsicht angewendet werden, da diese Arzneimittel üblicherweise das Blutungsrisiko erhöhen.6.
** Blutungsdefinitionen gemäß ISTH (International Society on Thrombosis and Haemostasis). Schwere Blutungen: Blutung mit Todesfolge, Blutung in kritischer Region oder Organ, Blutung mit Hämoglobinabfall von mind. ≥ 2 g/dl, Notwendigkeit einer Transfusion von ≥ 2 Einheiten Vollblut oder Erythrozytenkonzentrat; CRNM Blutung: Blutung führt zu Hospitalisierung, Notwendigkeit für medizinische/chirurgische Begutachtung oder Intervention, Notwendigkeit für eine durch die behandelnde Ärztin / den behandelnden Arzt veranlasste Änderung der antithrombotischen Strategie.
†† Schlaganfall, MI, eindeutige oder wahrscheinliche Stentthrombose, dringliche Revaskularisierung

Referenzen

  1. Lopes RD et al. Circulation. 2020; 141(9):781–783. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.119.044584
  2. Alexander JH et al. Circulation. 2020; 141(20):1618–1627. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.120.046534
  3. Hindricks G und Potpara T et al. Eur Heart J. 2021; 42(5):373–498. doi:10.1093/eurheartj/ehaa612
  4. Schömig A et al. Heart. 2009; 95(15):1280–1285. doi:10.1136/hrt.2008.160457
  5. Lopes RD et al. N Engl J Med. 2019; 380(16):1509–1524. doi:10.1056/NEJMoa1817083
  6. Fachinformationen Eliquis® 5 mg / 2,5 mg, aktueller Stand.