Neues aus der Praxis: Adipositas & VTE nach bariatrischer OP– Wie antikoagulieren

Adipöse Patienten, die sich einer bariatrischen Operation unterziehen, stellen das medizinische Team bei der Behandlung von venösen Thromboembolien (VTE) vor besondere Herausforderungen: Die veränderte Anatomie kann die Resorption beeinträchtigen, verlässliche Daten fehlen häufig.

Anhand eines fiktiven Patientenfalls möchten wir in dieser Artikelreihe auf eine besondere Situation in der klinischen Praxis eingehen und die Herangehensweise sowie mögliche leitliniengerechte Lösungen aufzeigen. Halten Sie in den nächsten Monaten Ausschau nach neuen Fällen!

Heute: „TVT bei einem adipösen Diabetiker nach Magenbypass“

Anamnese

Ein 47-jähriger Patient mit Adipositas (Body-Mass-Index [BMI] von 38 kg/m²) und Typ-2-Diabetes entwickelt kurz nach einer Roux-en-Y-Magenbypass-Operation (RYGB) eine tiefe Venenthrombose (TVT) im Bein. Ein alltäglicher, aber herausfordernder Fall. Was ist hier bei der Antikoagulation zu bedenken?

Welche Besonderheiten gilt es bei einem Magenbypass zu beachten?

Die Roux-en-Y-Magenbypass-Operation (RYGB) gehört zu den etabliertesten bariatrischen Eingriffen.1 Sie wird in Deutschland regelmäßig durchgeführt, u. a. bei Patient:innen mit schwerer Adipositas (BMI > 40 kg/m² oder > 35 kg/m² mit Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes).1 Als Folge der RYGB wird die Passage durch Magen, Duodenum und proximalen Jejunum umgangen – genau dort, wo viele Nicht-Vitamin K-abhängige direkte orale Antikoagulanzien (NOACs) resorbiert werden.1, 2 D. h. nach einem RYGB kann die Resorption vieler NOACs beeinträchtigt sein – je nachdem, wo der Wirkstoff im Gastrointestinaltrakt absorbiert wird und ob die Resorption von pH-Wert, Nahrung oder Magenaktivität beeinflusst wird. Je nach eingesetztem Wirkstoff kann es also zu einer signifikanten Reduktion der Bioverfügbarkeit kommen.2

Tabelle 1: Erwarteter Einfluss bariatrischer Operationsverfahren auf die Resorption von NOACs (modifiziert nach Martin et al.3)

Das sagen die Leitlinien

  1. zu NOACs bei adipösen Patient:innen:

Für adipöse Patient:innen mit VTE geben die International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) sowie die aktuelle deutsche S2k-Leitlinie der AWMF folgende Empfehlungen:

  1. zur Antikoagulation nach bariatrischen Operationen:

Diese Empfehlungen betonen die individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung und den vorsichtigen Einsatz oraler Antikoagulanzien bei Patient:innen mit bariatrischer Chirurgie – insbesondere in der Frühphase nach dem Eingriff.

Ist Apixaban bei adipösen Patient:innen nach RYGB eine geeignete Wahl?

Apixaban ist bei adipösen Patient:innen nach Roux-en-Y-Magenbypass (RYGB) zur oralen Antikoagulation geeignet: Im Gegensatz zu anderen NOACs wird Apixaban überwiegend im proximalen Dünndarm resorbiert und zeigt dabei eine geringe Abhängigkeit von pH-Wert oder Nahrungsaufnahme.2, 3 Trotz der anatomischen Veränderungen nach RYGB, bei denen Magen, Duodenum und Teile des Jejunums umgangen werden, scheint die Bioverfügbarkeit von Apixaban stabil zu bleiben.5 Dies belegte eine systematische Analyse von 12 Studien mit über 2000 Patient:innen nach bariatrischer Operation: die gemessenen Apixaban-Spiegel lagen fast ausnahmslos im therapeutischen Bereich – unabhängig vom OP-Verfahren oder Gewicht.5

Vorgehen im beschriebenen Patientenfall: TVT nach Magenbypass bei einem adipösen Diabetiker

Erste Maßnahme:

Wechsel auf orale Antikoagulation:

Kontrolle der Therapie:

Praxistipps für die Behandlung nach bariatrischen Operationen:

Frühphase nach OP: Fondaparinux oder niedermolekulare Heparine sind sichere Optionen.

NOAC-Wahl: Sollte individuell erfolgen, basierend auf Resorption und Bedürfnissen.

Apixaban: Besonders geeignet aufgrund stabiler Absorption.

Magenbypass: Peak- und Talspiegelmessungen sind empfehlenswert.

Langfristige Antikoagulation: Bei hohem VTE-Risiko nach individueller Nutzen-Risiko-Bewertung.

🎧 Mehr wissen, sicher entscheiden: Sie möchten noch mehr über den gewichtigen Risikofaktor Adipositas erfahren? Dann hören Sie jetzt Folge 7 unseres Podcasts Von Fall zu Fall – VTE & Adipositas und holen Sie sich praktische Expertentipps!

VTE: venöse Thromboembolie (tiefe Venenthrombose (TVT) und/oder Lungenembolie (LE))

Referenzen

  1. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF). S3-Leitlinie Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen; 2018 [eingesehen am 30.04.25]. Available from: URL: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/088-001.
  2. Gigante B et al. Update on antithrombotic therapy and body mass: a clinical consensus statement of the European Society of Cardiology Working Group on Cardiovascular Pharmacotherapy and the European Society of Cardiology Working Group on Thrombosis. Eur Heart J Cardiovasc Pharmacother 2024; 10(7):614–45.
  3. Martin KA et al. Use of direct oral anticoagulants in patients with obesity for treatment and prevention of venous thromboembolism: Updated communication from the ISTH SSC Subcommittee on Control of Anticoagulation. J Thromb Haemost 2021; 19(8):1874–82.
  4. Dt. Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin. AWMF S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie. Stand: 2023. AWMF Registernummer 065 – 002 - gültig bis 13.02.2028. Available from: URL: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/065-002.
  5. Leong R et al. Direct oral anticoagulants after bariatric surgery-What is the evidence? Journal of Thrombosis and Haemostasis 2022; 20(9):1988–2000.