NOACs bei krebsassoziierten venösen Thromboembolien (VTE) – Wie ist der Stand?

Die direkten Faktor-Xa-Hemmer Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban wurden inzwischen in klinischen Studien zur Behandlung bei krebsassoziierter VTE untersucht. Zeit für einen Überblick in Form einer Metaanalyse.

Die Behandlung einer akuten VTE bei Patienten mit aktiver Krebserkrankung kann die betroffenen Patienten und ihre Ärzte vor eine große Herausforderung stellen. Etwa jeder 5. Krebspatient mit VTE bricht die notwendige Behandlung mit niedermolekularem Heparin (NMH) aufgrund von Nebenwirkungen ab.1 Hinzu kommt die Belastung durch tägliche subkutane Injektionen.

Daher stellt sich die Frage, inwiefern die verschiedenen Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOACs) auch für diese besonders vulnerablen Patienten eine wirksame und sichere Therapieoption bieten können? Während NOACs für Patienten ohne Krebserkrankung bereits Standard in der VTE-Behandlung und Rezidivprophylaxe sind, werden sie bei krebsassoziierter VTE daher seit einigen Jahren untersucht.2–6

NOACs versus NMH – eine erste Bilanz

Zuletzt wurden die Ergebnisse der CARAVAGGIO-Studie2 veröffentlicht. Als größte Studie mit einem NOAC in dieser Indikation lieferte CARAVAGGIO wichtige neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit von Apixaban§ (10 mg 2 x tgl. für 7 Tage, gefolgt von 5 mg 2 x tgl.) im Vergleich zum NMH Dalteparin (200 I.E./kg 1 x tgl. für 30 Tage, gefolgt von 150 I.E./kg 1 x tgl.).2

Mit CARAVAGGIO2 und den beiden Studien Hokusai VTE Cancer3 (Edoxaban) und SELECT-D4 (Rivaroxaban) liegen nun Daten aus mehreren randomisierten klinischen Studien (RCT) vor.

Eine aktuelle Metaanalyse von Mulder et al.7 nutzte die Daten dieser drei Studien für eine erste Bilanz zu dem Vergleich NOAC versus NMH (Dalteparin). Ein Vergleich innerhalb der Substanzklasse lässt sich dagegen nicht ziehen, da es keine klinischen Studien mit einem Head-to-Head-Vergleich zwischen den einzelnen NOACs gibt.

Die Metaanalyse umfasste die Daten von insgesamt 2.894 Patienten mit aktiver Krebserkrankung oder Krebs in der Vorgeschichte. Der Anteil der Patienten mit aktiver Krebserkrankung lag bei 97 % oder höher. Metastatische Erkrankungen waren mit einem Anteil von 53 %‒65 % stark vertreten und die Mehrheit der Patienten erhielt eine systemische Krebstherapie. Daher ist das untersuchte Patientenkollektiv repräsentativ für die klinische Praxis.7

NOACs als Substanzklasse: wirksame Prophylaxe von VTE-Rezidiven

Die gewichtete Analyse betrachtete alle Ereignisse der intention-to-treat (ITT) oder modified ITT-Populationen über einen Zeitraum von 6 Monaten. Das Ergebnis mit 2.607 eingeschlossenen Patienten:

Abb. 1: Metaanalyse aus drei RCT mit dem Vergleich eines NOACs mit NMH (Dalteparin) zur Behandlung und Rezidivprophylaxe krebsassoziierter VTE. A) Ergebnisse für den primären Endpunkt rezidivierende VTE**. B) Ergebnisse für den Endpunkt schwere Blutungen#.7

Laut den Autoren stützen die Ergebnisse der Metaanalyse die Einordnung erster internationaler Leitlinien, wie z. B. der Leitlinie des National Comprehensive Cancer Network (NCCN):7,8 Diese empfiehlt NOACs bevorzugt für Krebspatienten mit VTE ohne gastrische oder gastroösophageale Läsionen (Kategorie 1, Rivaroxaban: Kategorie 2 A).

Bei Patienten mit gastrischen oder gastroösophagealen Läsionen sollten aufgrund des unter NOACs erhöhten Risikos für schwere Blutungen weiterhin NMH bevorzugt eingesetzt werden (Kategorie 1).8

Zum jetzigen Zeitpunkt, ist anhand der in den letzten Jahren veröffentlichten randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) ein direkter Vergleich zwischen NOACs mit NMH zur Behandlung krebsassoziierter VTE möglich. Sie werfen zudem die Frage auf, ob manche NOACs gegenüber NMH mit einem niedrigeren Risiko für gastrointestinale Blutungen assoziiert sein könnten, als andere.2,3,4,7

Fazit:

Die Metaanalyse von Mulder et al. legt nahe, dass NOACs vergleichbar gut wirksam und sicher sind, wie NMH. Allerdings sollten sie bei Krebspatienten mit hohem Blutungsrisiko mit Vorsicht verwendet werden. Bei der Entscheidung für eine geeignete Behandlung zur Antikoagulation bei krebsassoziierter VTE sollte daher eine sorgfältige Abwägung der Risiken für VTE-Rezidive und Blutungen erfolgen. Außerdem sollten mögliche Medikamentenwechselwirkungen und der Wunsch des Patienten einbezogen werden.7


§ Bei Patienten mit Tumorerkrankung werden die Wirksamkeit und Sicherheit von Apixaban in der Behandlung, Primär- und Rezidivprophylaxe von tiefen Venenthrombosen/Lungenembolien (LE) aktuell in klinischen Studien untersucht. Die Ergebnisse der CARAVAGGIO-Studie sind noch nicht in die aktuelle Fachinformation aufgenommen. Apixaban ist bei malignen Neoplasien mit hohem Blutungsrisiko kontraindiziert.
** Definiert als symptomatische oder zufällig entdeckte neue tiefe Venenthrombose der oberen oder unteren Extremitäten, symptomatische oder zufällig entdeckte LE mit Beteiligung segmentaler oder proximaler Lungenarterien, oder tödliche LE inklusive Todesfälle, bei denen eine LE als Ursache nicht ausgeschlossen werden konnte.
# Nach ISTH Kriterien (manifeste Blutung mit Hämoglobin-Abfall um ≥ 2g/dl oder Transfusion von 2 oder mehr Bluteinheiten).

Referenzen

  1. van der Wall SJ, et al. J Thromb Haemost. 2017;15(1):74–9.
  2. Agnelli G, et al. N Engl J Med. 2020;Apr 23;382(17):1599-1607.
  3. Raskob GE, et al. N Engl J Med. 2018;378(7):615–24.
  4. Young AM, et al. J Clin Oncol. 2018;36(20):2017–23.
  5. AWMF S2-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie; AWMF Registernummer 065 – 002
  6. Konstantinides SV, et al. Eur Heart J. 2020;41(4):543-603.
  7. Mulder FI, et al. Blood. 2020. doi: 10.1182/blood.2020005819
  8. NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology. Version 1.2020 - Cancer-Associated Venous Thromboembolic Disease. 2020 [updated April 16th].