Therapiewechsel von oralen Antikoagulanzien bei Patient:innen mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern: ja oder nein?

Erleiden Patient:innen mit nicht-valvul&auml;rem Vorhofflimmern (VHF<sup>&diams;</sup>) trotz oraler Antikoagulation (OAC) thromboembolische Ereignisse oder Blutungen, ist es eine Option, die Antikoagulanzien zu wechseln. Neue Daten aus dem Versorgungsalltag werfen einen Blick auf den Wechsel von NOACs zu VKA und die Umstellung zwischen Apixaban und Rivaroxaban.

Nicht-Vitamin-K-abhängige Antikoagulanzien (NOACs) werden von der European Society of Cardiology (ESC)-Leitlinie „Management von Vorhofflimmern“ zur Initiation der Antikoagulation bei VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎ als erste Wahl vor Vitamin-K-Antagonisten (VKA) für Patient:innen empfohlen, für die sich ein NOAC eignet (Empfehlungsgrad 1A).1 Unter NOACs bleibt ein geringes Restrisiko für ischämische Schlaganfälle, welches in einer Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien auf 1,4 % pro Jahr geschätzt wurde.2 In der Praxis wird u. a. versucht, die OAC-Therapie bei VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎-Patient:innen nach dem Auftreten thromboembolischer Ereignisse oder Blutungen durch den Wechsel von einem Antikoagulanz auf ein anderes (Switching) zu optimieren.3 Laut einer retrospektiven Analyse von Krankenversicherungsdaten* wurden in Deutschland zwischen 2013 und 2016 zwei Wechsel-Ansätze ähnlich oft verfolgt:4

  1. Der Wechsel von NOACs zu VKA (4,9 %)
  2. Der Wechsel zwischen NOACs untereinander (5,2 %)

Zudem wurde festgestellt, dass ein Wechsel der OAC am häufigsten nach einem Schlaganfall, einem Herzinfarkt oder einer gastrointestinalen Blutung erfolgte.4

Nachfolgend werfen wir einen Blick auf Apixaban (ELIQUIS®) und Rivaroxaban (Xarelto®), den am häufigsten verordneten OACs zur Prophylaxe von Schlaganfällen/systemischen Embolien (SE) bei VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎-Patient:innen.5, 6

Therapiewechsel auf VKA: ja oder nein?

Nach einer rezidivierenden thrombotischen Episode unter NOACs ist der Wechsel zu einem VKA wie Warfarin, u. a. aufgrund der therapeutischen Überwachbarkeit, eine Option.7, 8 Doch in den beiden Zulassungsstudien ARISTOTLE9 und ROCKET-AF10 zeigten sowohl Apixaban als auch Rivaroxaban Wirksamkeits-Vorteile gegenüber Warfarin in der Prophylaxe von Schlaganfällen/SE bei VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎-Patient:innen.

Näheres zu den Zulassungsstudien von Apixaban und Rivaroxaban entnehmen Sie bitte nachfolgendem Akkordeon.

In den Zulassungsstudien ARISTOTLE9 und Rocket-AF10 überzeugten sowohl Apixaban als auch Rivaroxaban in der Schlaganfallprophylaxe bei VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎-Patient:innen:

Apixaban
In der ARISTOTLE-Studie9 (18.201 Proband:innen) traten unter Apixaban im Vergleich zu Warfarin

  • weniger Schlaganfälle/systemische Embolien (primärer Endpunkt; HR: 0,79; 95 %-KI: 0,66-0,95; p für Nichtunterlegenheit < 0,001) und
  • weniger schwere Blutungen [HR: 0,69; 95 %-KI 0,60-0,80; p = 0,01] auf.9

Rivaroxaban
In der Studie ROCKET-AF10 (14.264 Proband:innen) traten unter Rivaroxaban im Vergleich zu Warfarin

  • weniger Schlaganfälle/systemische Embolien (primärer Endpunkt; HR: 0,88; 95 %-KI: 0,75-1,03; p für Nichtunterlegenheit < 0,001) und
  • vergleichbare Raten für schwere Blutungen [HR: 1,04; 95 %-KI: 0,90-1,20; p = 0,58)] auf.10

Eine retrospektive Datenanalyse aus Hongkong analysierte 2.908 VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎-Patient:innen, die unter NOAC-Therapie einen ischämischen Schlaganfall erlitten hatten (Primärer Endpunkt: erneute ischämische Schlaganfälle).3 Die Studie zeigte, dass der Wechsel von NOACs zu Warfarin sowie von einem NOAC auf ein anderes jeweils im Vergleich zu einer unverändert fortgesetzten NOAC-Therapie mit einem erhöhten Risiko für einen erneuten ischämischen Schlaganfall verbunden war.‡, 3 Die Autoren raten von einem Therapiewechsel ab.3

Therapiewechsel zwischen NOACs: Apixaban / Rivaroxaban

Zum Vergleich der NOACs untereinander existieren keine randomisierten kontrollierten Vergleichsstudien. Eine retrospektive Datenanalyse§ untersuchte das Risiko von Schlaganfällen/SE und schweren Blutungen bei VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎-Patient:innen nach dem Wechsel von Apixaban auf Rivaroxaban und vice versa sowie bei Fortführung der jeweiligen NOAC-Behandlung.11, 12

Der Therapiewechsel von Apixaban auf Rivaroxaban war mit einem höheren Risiko für Schlaganfälle/SE (Hazard Ratio (HR) 1,99; 95 %-Konfidenzintervall (KI): 1,38 - 2,88; p ˂ 0,001) und schwere Blutungen (HR 1,80; 95 %-KI: 1,46 - 2,23; p ˂ 0,001) assoziiert als bei denjenigen, die mit Apixaban weiterbehandelt wurden (Abb. 1).11, 12, Der Wechsel von Rivaroxaban auf Apixaban war mit einem ähnlichen Risiko für Schlaganfälle/SE (HR 0,74; 95 %-KI: 0,45 - 1,22; p = 0,24) und einem geringeren Risiko für schwere Blutungen (HR 0,49; 95 %-KI: 0,38 - 0,65; p ˂ 0,001) assoziiert als bei denjenigen, die weiterhin Rivaroxaban einnahmen (Abb. 1).11, 12

Abb. 1: Risiken für Schlaganfälle/SE und schwere Blutungen von Wechslern und Fortsetzern unter Apixaban- bzw. Rivaroxaban-Initiatoren. KI: Konfidenzintervall. Abbildung modifiziert nach Deitelzweig et al.11, 12, §

Näheres zur Real-World-Evidence (RWE)-Analyse ATHENS11, 12, § entnehmen Sie bitte nachfolgendem Akkordeon.

RWE-Analyse ATHENS11, 12, §

Die Autorinnen und Autoren der ATHENS-Analyse sehen in ihren Ergebnissen eine Ergänzung bisheriger Studienerkenntnisse, wonach Apixaban ein besonders günstiges Sicherheitsprofil aufweist.11, 12

Fazit:

Daten aus dem Versorgungsalltag weisen darauf hin, dass nach einem rezidivierenden ischämischen Schlaganfall unter einem NOAC ein Wechsel auf ein VKA in der Regel keine Vorteile für die VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎-Patient:innen bringt. Im Hinblick auf eine Umstellung von Apixaban auf Rivaroxaban aus unbekannten Gründen war eine unverändert fortgesetzte Apixaban-Therapie mit besseren klinischen Ergebnissen assoziiert.11, 12

Sie möchten gerne noch mehr zum Thema Therapiewechsel von oralen Antikoagulanzien bei VHF♦︎︎︎︎︎ wissen? Unser Exprerte Prof. em. S. Hohnloser ordnen neue Daten aus dem Versorgungsalltag hier für Sie ein.

VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎: nicht-valvuläres Vorhofflimmern

*Limitationen: • INR, Serumkreatinin/Kreatinin-Clearance- und Körpergewichtsdaten waren im Datensatz nicht verfügbar und die Auswirkungen auf das Absetzen oder den Wechsel der oralen Antikoagulation wurden nicht untersucht. • Der Einfluss der Patient:innen- bzw. Ärzt:innenpräferenz in Bezug auf das Absetzen oder den Wechsel der oralen Antikoagulation wurde nicht evaluiert. • Die Behandlungszuordnung erfolgte auf Grundlage von Apothekenabrechnungen, die tatsächliche Medikamenteneinnahme ist unbekannt. • Wie bei jeder Versicherungsdatenbank besteht die Möglichkeit von Kodierungsfehlern und fehlenden Daten.
Limitationen: • Beobachtungsstudien zeigen nur Assoziationen zwischen Variablen, keine Kausalität. Ein Studienbias durch unbekannte oder nicht untersuchte Faktoren kann nicht ausgeschlossen werden. Trotz der Anwendung von Methoden zur Adjustierung/Matching können weiterhin falsche Assoziationen entstehen. • Die Stichprobengröße der Warfarin-Gruppe war möglicherweise nicht ausreichend, um eine statistische Signifikanz festzustellen. • Die Analyse beinhaltete keine Daten von Patient:innen, die sich einem Verschluss des linken Vorhofohrs unterzogen. • Die in dieser Studie beobachteten Assoziationen treffen ggf. nur auf die beobachtete Population zu.
Es existieren keine direkten Vergleichsstudien zwischen den Faktor-Xa-Inhibitoren. Aufgrund von Unterschieden in Studiendesign und -population können keine Vergleiche zwischen den Faktor-Xa-Inhibitoren gezogen werden. Der Vergleich der Faktor-Xa-Inhibitoren über Daten aus dem Versorgungsalltag ermöglicht nur die Generierung von Hypothesen.
§ Limitationen: • Beobachtungsstudien zeigen nur Assoziationen zwischen Variablen, keine Kausalität. Ein Studienbias durch unbekannte oder nicht untersuchte Faktoren kann nicht ausgeschlossen werden. Trotz der Anwendung von Methoden zur Adjustierung/Matching können weiterhin falsche Assoziationen entstehen. • Die Behandlungszuordnung erfolgte auf Grundlage von Apothekenabrechnungen, die tatsächliche Medikamenteneinnahme ist unbekannt. • Die Gründe für die Umstellung der Behandlung sind unbekannt. • Die Dosisreduktionskriterien wurden nicht evaluiert (Serumkreatinin/Kreatinin-Clearance- und Körpergewichtsdaten waren im Datensatz nicht verfügbar) und die Auswirkungen der Medikamentendosierung auf die Ergebnisse wurden nicht untersucht.
**Adjustierung/Matching auf der Grundlage der Baseline-Patient:innencharakteristika, der Dauer von der ersten NOAC-Verschreibung bis zum Indexdatum sowie dem Auftreten von Schlaganfällen und schweren Blutungen zwischen NOAC-Initiation und Indexdatum mit einem Verhältnis von bis zu 1:5.
†† Als Indexdatum wurde der Zeitpunkt der NOAC -Umstellung festgelegt.
‡‡ Patient:innen, die auf der initialen NOAC -Therapie verblieben, wurde ein hypothetisches Indexdatum zufällig zugewiesen. Dieses richtete sich nach der Zeit zwischen erster NOAC -Verschreibung und dem Umstellungsdatum in der Gruppe der NOAC -Wechsler.

Referenzen

  1. Hindricks G und Potpara T et al. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J 2021; 42(5):373–498.
  2. Ruff CT et al. Comparison of the efficacy and safety of new oral anticoagulants with warfarin in patients with atrial fibrillation: A meta-analysis of randomised trials. The Lancet 2014; 383(9921):955–62.
  3. Ip YMB et al. Association of Alternative Anticoagulation Strategies and Outcomes in Patients With Ischemic Stroke While Taking a Direct Oral Anticoagulant. Neurology 2023; 101(4):e358-e369.
  4. Hohnloser SH et al. Changes in Oral Anticoagulation Therapy over One Year in 51,000 Atrial Fibrillation Patients at Risk for Stroke: A Practice-Derived Study. Thromb Haemost 2019; 119(06):882–93.
  5. Arzneimittel-Atlas 2022 [eingesehen am 24.10.23]. Available from: URL: https://www.arzneimittel-atlas.de/arzneimittel/b01-antithrombotische-mittel/verbrauch/.
  6. Zhu J et al. Trends and Variation in Oral Anticoagulant Choice in Patients with Atrial Fibrillation, 2010-2017. Pharmacotherapy 2018; 38(9):907–20.
  7. Barrett A et al. From a direct oral anticoagulant to warfarin: reasons why patients switch. Ir J Med Sci 2018; 187(3):719–21.
  8. Manzoor BS et al. High number of newly initiated direct oral anticoagulant users switch to alternate anticoagulant therapy. J Thromb Thrombolysis 2017; 44(4):435–41.
  9. Granger CB et al. Apixaban versus warfarin in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2011; 365(11):981–92.
  10. Patel MR et al. Rivaroxaban versus warfarin in nonvalvular atrial fibrillation. N Engl J Med 2011; 365(10):883–91.
  11. Deitelzweig S et al. Clinical impact of switching or continuation of apixaban or rivaroxaban among patients with non-valvular atrial fibrillation. Eur Heart J 2023; 44(Supplement_2).
  12. Deitelzweig S et al. Clinical impact of switching or continuation of apixaban or rivaroxaban among patients with non-valvular atrial fibrillation. Posterpräsentation Aug 2023 beim Kongress der European Society of Cardiology, Amsterdam, Niederlande.