Wenn Wechseln mehr Risiken als Vorteile birgt
Der Markt der Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOACs) bleibt durch die zunehmende Diskussion um Kosten und Wirtschaftlichkeit in Bewegung. Doch welche Kriterien sind für Patient:innen und Behandelnde wirklich relevant?
Mehr als nur ein Preisargument
Zwar ist ein wirtschaftlicher und damit kostengünstiger Einsatz von Therapien für das gesamte Gesundheitssystem von großer Bedeutung, für Patient:innen zählen jedoch vor allem Wirksamkeit und Sicherheit. Die Datenlage zeigt klare Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen: in Bezug auf die Nierenverträglichkeit durch renale Elimination oder praktische Aspekte wie ein einfaches Dosierschema, eine Nahrungsmittelabhängigkeit oder die Fahrtüchtigkeit im Alltag.1–4
Ein beispielhafter Unterschied zwischen den NOACs zeigt sich darin, dass Rivaroxaban trotz ähnlicher Halbwertszeit von etwa 12 Stunden nur einmal täglich verabreicht wird, was im Gegensatz zur zweimal täglichen Gabe von ELIQUIS® zu deutlich stärkeren Plasmaspiegelschwankungen führt, deren klinische Relevanz im Hinblick auf ischämische und hämorrhagische Ereignisse nicht abschließend geklärt ist.1,3,5
Daten aus dem Versorgungsalltag♠ der NOACs ELIQUIS® und Rivaroxaban zeigen außerdem, dass eine Umstellung von ELIQUIS® auf Rivaroxaban gegenüber einer fortgeführten Therapie mit ELIQUIS® mit einem erhöhten relativen Risiko für Schlaganfälle/Systemische Embolie [SE]* (Hazard Ratio [HR]: 1,99; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 1,38–2,88) und einem erhöhten relativen Risiko für schwere Blutungen‡,§ (HR: 1,80; 95 %-KI: 1,46–2,23) assoziiert ist.♠,¶,6 Die verfügbaren Daten aus dem Versorgungsalltag♠ deuten darauf hin, dass ein Umstieg für Patient:innen zusätzliche Risiken bedeuten kann.6
Aufgrund dieser Risiken wird ein Wechsel von einem NOAC zu einem anderen oder von einem NOAC zu einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) ohne klare Indikation bei Patient:innen mit Vorhofflimmern laut ESC-Leitlinie nicht empfohlen, um einen erneuten embolischen Schlaganfall zu verhindern (Empfehlungsklasse IIIB).7 Am Ende zählt, was für den einzelnen Menschen medizinisch sinnvoll ist. Faktoren wie Komorbiditäten, Begleitmedikation oder individuelle Blutungsrisiken sind entscheidend und müssen in der Dokumentation der Therapie festgehalten werden.
Fazit
Wirtschaftlichkeit spielt bei der Therapie eine wichtige Rolle, doch entscheidend ist vor allem, ob eine Änderung der Behandlung einen Mehrwert für Patient:innen bietet. Manchmal ist es am klügsten, bei bewährten Therapien zu bleiben, die nachweislich wirken und Patient:innen die bestmögliche Versorgung sichern.
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ESC = European Society of Cardiology;
GI = Gastrointestinal;
HR = Hazard Ratio;
KI = Konfidenzintervall;
NOAC = Nicht-Vitamin-K-abhängiges orales Antikoagulans;
PSM = Propensity Score Matching;
SE = Systemische Embolie;
VKA = Vitamin-K-Antagonist
♠ Limitationen aus dem Versorgungsalltag
- Beobachtungsstudien zeigen nur Assoziationen zwischen Variablen, keine Kausalität. Auch nach PSM können potenzielle Störfaktoren vorhanden sein. Ein Studienbias durch unbekannte oder nicht untersuchte Faktoren kann nicht ausgeschlossen werden.
- Ein(e) Adjustierung/Matching ist nur für die bekannten demografischen und klinischen Patient:innencharakteristika möglich; für potenzielle nicht beobachtbare Störgrößen kann nicht adjustiert werden.
- Wie bei jeder Versicherungsdatenbank besteht die Möglichkeit von Kodierungsfehlern und fehlenden Daten.
- Die Ergebnisse treffen unter Umständen nur auf die in der jeweiligen Datenbank erfasste Population zu.
- Der Vergleich der NOACs ermöglicht nur die Generierung von Hypothesen. Diese Ergebnisse müssen von randomisierten kontrollierten Interventionsstudien bestätigt werden.
- Dosisreduktionskriterien konnten nicht ausgewertet werden, da der Datensatz keine Daten zu Serumkreatinin/Kreatinin-Clearance und Körpergewicht enthielt.
- Die Medikation wurde anhand von Rezepteinlösungen in Apotheken erfasst. Ein Nachweis über die tatsachliche Einnahme des Medikaments war nicht möglich.
- Gründe für den Wechsel der Behandlung konnten nicht erfasst werden.
Zusätzliche Limitationen Deitelzweig et al.:
- Dosisreduktionskriterien konnten nicht ausgewertet werden, da der Datensatz keine Daten zu Serumkreatinin/Kreatinin-Clearance und Körpergewicht enthielt.
- Die Medikation wurde anhand von Rezepteinlösungen in Apotheken erfasst. Ein Nachweis über die tatsachliche Einnahme des Medikaments war nicht möglich.
- Gründe für den Wechsel der Behandlung konnten nicht erfasst werden.
- Die Stichprobengröße zwischen Patient:innen, die die Therapie wechselten, und Patient:innen, die auf Therapie blieben, war deutlich unterschiedlich.
- Eine Nierenfunktionsstörung ist häufig einer der Gründe für eine Umstellung oder eine Dosisreduktion. Labordaten wie Serum-Kreatinin-Clearance und Körpergewicht wurden nicht im Datensatz erfasst und daher sind keine Rückschlüsse auf eine eingeschränkte Nierenfunktion möglich.
* Eine Umstellung von ELIQUIS® auf Rivaroxaban ist assoziiert mit einem 99 % erhöhten relativen Risiko für Schlaganfalle/SE.6
‡ GI-Blutungen, intrakranielle Blutungen, andere schwere Blutungen.6
§ Eine Umstellung von ELIQUIS® auf Rivaroxaban ist assoziiert mit einem 80 % erhöhten relativen Risiko für schwere Blutungen.6
¶ Es existieren keine prospektiven NOAC-Vergleichsstudien zur Schlaganfallprophylaxe bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern, daher können keine direkten Vergleiche zwischen den Präparaten gezogen werden.
- ELIQUIS® Fachinformation, Aktueller Stand.
- Lixiana® Fachinformation; Aktueller Stand.
- Xarelto® Filmtabletten Fachinformation, Aktueller Stand.
- Pradaxa® Filmtabletten Fachinformation, Aktueller Stand.
- Ferro EG et al. JAMA 2021;326(23):2372.
- Deitelzweig S et al. J Clin Med 2024;13(4):1073.
- Van Gelder IC et al. Eur Heart J 2024;45(36):3314–414.