Cannabis-Therapie in Deutschland: zwischen Hoffnung und Wirklichkeit

Der 4. Medical Cannabis Congress in Berlin rückte die vielseitigen Anwendungsgebiete von Medizinal-Cannabis in den Fokus. Einige Highlights vom Kongress.

Status Quo der Cannabis-Therapie in Deutschland 

Die therapeutischen Effekte der pflanzlichen Phytocannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) werden im Rahmen einiger Therapien bereits intensiv genutzt. Diese Cannabinoide beeinflussen das Endocannabinoid-System des Körpers, indem sie spezifische Cannabinoid-Rezeptoren aktivieren und somit unter anderem schmerzstillend, aber auch entzündungshemmend wirken.

So wundert es nicht, dass die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) in ihrer Praxisleitlinie Cannabis evidenzbasierte Empfehlungen für den Einsatz von Cannabinoiden bei Indikationen wie chronischem Schmerz, Tumorschmerz und neuropathischem Schmerz aussprechen.2 Außerdem haben erste klinische Studien bei psychiatrischen Erkrankungen positive Wirkungen von CBD-Therapien bei Schizophrenie, Angststörungen und posttraumatischem Stress gezeigt.3

Die Wirklichkeit der Cannabis-Therapie in Deutschland lässt sich vor allem von der Anzahl von Verordnungen von medizinischem Cannabis ableiten: im Jahr 2021 lag diese bei 372.000.4

Anwendungsgebiete von Cannabis in der Onkologie

Doch auch im Bereich der Onkologie findet Medizinal-Cannabis Anwendung. Dr. med. Jan Witte, Medical Director der Sanity Group, referierte über den Einsatz von Cannabinoiden in der Onkologie, denn hier verbirgt sich auch ein Teil der Hoffnung, der mit dem Einsatz von medizinischem Cannabis in Verbindung steht. So erwähnte er unter anderem, dass anhand tierexperimenteller Studien mit Cannabinoiden krebshemmende Eigenschaften aufgewiesen werden konnten.5 Zudem betonte er den positiven Effekt der hohen anti-inflammatorischen Wirkung von Cannabis im Rahmen von Immuntherapien. Konkret geht es dabei zum Beispiel um die Gefahr der Therapieresistenz, welche im Rahmen einer Krebstherapie von Zytostatika hervorgerufen werden kann. Seiner Ansicht nach könnten Cannabinoide diese Resistenzbildung reduzieren. Allerdings liegen hierzu (bislang) wenige belastbare Daten vor; dennoch: die Hoffnung ist da.

Angewendet wird Cannabis in der Onkologie bereits bei typischen Beschwerden bzw. Begleiterscheinungen, die im Rahmen einer Krebstherapie auftreten. Dazu zählen zum Beispiel Übelkeit und Erbrechen, chronische Schmerzzustände, Ängste, Depressionen, Unruhe, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen.6 

Cannabis als Gamechanger in der Epilepsiebehandlung? 

Auch der Vortrag von Prof. Dr. Andreas Schulze-Bonhage besprach ein Hoffnungsthema der Cannabis-Therapie: die Epilepsiebehandlung. Vor allem bei schwer behandelbaren Formen der Epilepsie, wie zum Beispiel dem Dravet Syndrom, dessen Krankheitsverlauf mit Fieberkrämpfen im ersten Lebensjahr beginnen kann, werden die antiepileptischen Eigenschaften von CBD-Extrakten genutzt. Eine Phase 3 Studie aus dem Jahr 2016 konnte belegen, dass CBD die Anfallsfrequenz bei Kindern mit Dravet-Syndrom gesenkt hat.7

Während der Kaffeepausen zwischen den Vorträgen wurde in informellen Gesprächsrunden unter anderem intensiv über das Thema der Legalisierung von Cannabis zum Freizeitkonsum diskutiert. Der O-Ton dieser Gespräche war deutlich: Der Stellenwert von begleiteten Cannabis-Therapien darf durch die generelle Legalisierung keinesfalls sinken.

Referenzen:
  1. https://www.laborpraxis.vogel.de/koerpereigene-cannabinoide-gegen-angst-schmerzen-und-entzuendungen-a-614246/
  2. Horlemann J, et al. DGS-Praxisleitlinie. Cannabis in der Schmerztherapie. 2018. Version: 1.0 www.dgspraxisleitlinien.de/index. php/leitlinien/cannabis [abgerufen am 19.01.2022] 
  3. Sarris J et al. Medicinal cannabis for psychiatric disorders: a clinically focused systematic review. BMC Psychiatry 2020;20:24
  4. https://www.gleisslutz.com/de/aktuelles/know-how/Dynamik_im_deutschen_Cannabis-Markt.html
  5. https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/a-0758-8908.pdf
  6. https://www.yescon.org/blog/event/kiffen-gegen-krebs/
  7. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/66041/Dravet-Syndrom-Cannabis-Wirkstoff-senkt-Anfallfrequenz-bei-angeborener-Epilepsie#:~:text=Cannabidiol%2C%20ein%20psychoaktives%20Cannabinoid%20aus,und%20oft%20refrakt%C3%A4ren%20Anf%C3%A4llen%20f%C3%BChrt.