Corona, Affenpocken, Influenza: Was können wir für die Zukunft lernen?

Corona, Affenpocken oder das Influenza-Virus, das alljährlich mehr oder weniger stark ausgeprägte Grippewellen verursacht: Wer Patientinnen und Patienten ärztlich versorgt, kommt mit einer ganzen Reihe von Infektionskrankheiten und -erregern in Kontakt. Entsprechend groß war Anfang Mai das Interesse am DGIMTalk.

Corona: von der Pandemie zur Endemie?

Der Unterschied zwischen Pandemie und Endemie ist aus medizinischer Sicht gar nicht so eindeutig. „Die ‚endemischen‘ Coronaviren, wie es sie bereits vor der Pandemie gab, nehmen wir eher als eine Art milde ‚Schnupfenviren‘ wahr“, erklärte Professor Dr. med. Jörg Timm. „In der Pandemie hat das neue Coronavirus SARS-CoV-2 in seinen unterschiedlichen Mutationsstufen jedoch meist die unteren Atemwege befallen und dort Lungenentzündungen verursacht“, so der Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.
Als einen Indikator für das Ende der Pandemie nannte der Virologe die sinkende Zahl an Menschen, die aufgrund von COVID-19 intensivmedizinisch behandelt werden müssen. „SARS-CoV-2 ist mittlerweile nur noch als ein Erreger von vielen für Atemwegsinfektionen verantwortlich“, so Timm. Dies liege auch darin begründet, dass ein Großteil der Bevölkerung inzwischen eine „hybride Immunität“ vorzuweisen habe, die durch die Impfung und eine durchgemachte Infektion herbeigeführt wird. Gleichzeitig seien wichtige Fragen derzeit noch nicht zu beantworten, etwa ob Impfstoffe an künftige SARS-CoV-2-Varianten anzupassen seien oder welche Patientengruppen man genau mit besonderen Maßnahmen weiterhin schützen müsse, so der Experte abschließend.

Mpox-Welle: kurz, heftig – und zunächst überstanden?

Die Affenpocken – mittlerweile offiziell Mpox genannt – traten als eine neue Infektionskrankheit im Jahr 2022 erstmals global auf. „In der Klinik hatten wir uns gerade auf eine kurze Corona-Erholungsphase eingestellt, als sich dieses Virus ausbreitete“, berichtete PD Dr. med. Christoph Boesecke vom Universitätsklinikum Bonn. „Affenpocken-Infizierte – zum Großteil Männer – kamen eher mit Anzeichen einer allgemeinen Virusinfektion wie Kopf- und Gliederschmerzen und Lymphknotenschwellung zu uns, zu denen jedoch häufig schmerzhafte Pocken im Genitoanalbereich hinzukamen“, so der Internist und Infektiologe, der an der Medizinischen Klinik und Poliklinik I in Bonn die Infektionsstation leitet.
„Wir mussten erkennen, dass wir Affenpocken in unser diagnostisches Instrumentarium der sexuell übertragbaren Erkrankungen aufnehmen mussten“, so Boesecke. Vor allem bei geschwächtem Immunsystem kann eine Mpox-Infektion schwerer verlaufen, bessert sich aber unter antiviraler Therapie deutlich. „Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass die Pocken-Impfung, die in Deutschland bis in die 1970er Jahre Pflicht war, noch Wirkung zeigte. Für jüngere Infizierte stand ein Impfstoff bereit, der schnell ausgeliefert werden konnte“, erklärte der Experte. Die Mpox-Infektionswelle sei außerdem vergleichsweise schnell abgeklungen, da in besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen über Risiken und Symptome der Erkrankung aufgeklärt worden sei, so Boesecke.

Wenn Viren konkurrieren: Influenza und SARS-CoV-2

Vor SARS-CoV-2 sorgte jährlich Influenza für wiederkehrende Grippewellen. Wie genau die Surveillance der Grippevirusverbreitung in Deutschland funktioniert, erläuterte PD Dr. med. Thorsten Wolff, Leiter der Abteilung für Influenza und andere Atemwegsviren beim Robert Koch-Institut Berlin. „Im März 2020 hat der Lockdown für ein plötzliches Ende der Influenza-Welle gesorgt und auch im Winter 2020/2021 gab es praktisch keine Grippe-Welle, weltweit wurden 97 % weniger Influenza-Viren als üblich nachgewiesen“, so Wolf.
Mit dem Wegfall vieler Schutzmaßnahmen im Laufe des Jahres 2022 warnten Fachleute bereits früh vor einer heftigen Grippewelle. „Zum ersten Mal haben wir hier eine Influenza-Welle mit zwei Hochphasen erlebt: die erste, heftige Welle Ende 2022 und eine zweite, etwas mildere Welle im Februar 2023“, so Wolff. Dabei seien zwei unterschiedliche Virustypen für die beiden Wellen verantwortlich gewesen. „Der Schwerpunkt der Infektionen lag bei Kindern im Schulalter. Hier haben wahrscheinlich die Weihnachtsferien als eine Art ‚Mini-Lockdown‘ die erste Grippewelle gebrochen“, so der Experte.

Lehren aus Corona?

„Alle Fachleute sagen: Die nächste Pandemie kommt sicher“, erklärte Moderator Sarrazin und forderte die Experten abschließend zu einem „Blick in die Glaskugel“ auf. Atemwegsinfekte, virale Erreger aus dem Tierreich und auch bakterielle Infektionen mit jeweils globaler Ausbreitung werden uns in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten sicher weiter beschäftigen, war die Einschätzung der Fachleute – wann dies der Fall sein wird, lasse sich allerdings nicht vorhersagen.

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