Der Klimawandel beeinflusst die postoperative Wundheilung

Nach etwa 1,6 % der operativen Eingriffe kommt es zu einer Infektion der Wunde. In den vergangenen Jahrzehnten ist es zwar gelungen, dieses Risiko durch Hygienemaßnahmen und vorbeugende Medikamentengabe deutlich zu senken. Mediziner der Berliner Charité haben nun jedoch einen Faktor identifiziert, den Ärzte und Klinikpersonal nicht beeinflussen können: das Wetter.

Nach etwa 1,6 % der operativen Eingriffe kommt es zu einer Infektion der Wunde. In den vergangenen Jahrzehnten ist es zwar gelungen, dieses Risiko durch Hygienemaßnahmen und vorbeugende Medikamentengabe deutlich zu senken. Mediziner der Berliner Charité haben nun jedoch einen Faktor identifiziert, den Ärzte und Klinikpersonal nicht beeinflussen können: das Wetter. „Grob gesagt nahm mit jedem Grad, um das die Außentemperatur anstieg, das Risiko für eine postoperative Wundinfektion um ein Prozent zu“, erklärt Dr. med. Seven Johannes Sam Aghdassi vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité Berlin.

Herr Dr. Aghdassi, kürzlich haben Sie eine Studie veröffentlicht, der zufolge der Klimawandel die postoperative Wundheilung beeinflusst. Wie sind Sie auf diesen Zusammenhang gekommen?

Seit längerem ist uns aufgefallen, dass es in den wärmeren Monaten mehr postoperative Infektionen gab als in der kühleren Jahreszeit. Das wollten wir genauer untersuchen. In Deutschland ist die Überwachung (genannt Surveillance) von nosokomialen Infektionen gesetzlich verpflichtend. Eine große Zahl von Krankenhäusern in Deutschland führt eine Surveillance von postoperativen Wundinfektionen im sogenannten „Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System“ (KISS) durch. KISS wird vom Nationalen Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen verwaltet, welches an der Charité ansässig ist. Dort hat unser Team im vergangenen Jahr die KISS-Datenbank genutzt, um die Assoziation von meteorologischen Faktoren und postoperativen Wundinfektionen zu untersuchen. Diese Analyse fand mit Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung statt.

Wie genau sind Sie dabei vorgegangen?

Neben den Daten des KISS nutzten wir meteorologische Messdaten des Deutschen Wetterdiensts. Darunter fielen beispielsweise Außentemperatur, Niederschlag und Luftfeuchtigkeit. Da sich eine hohe Korrelation zwischen den unterschiedlichen Parametern zeigte, konzentrierten wir uns auf die Außentemperatur als monatlichen Mittelwert. Um eine möglichst aussagekräftige Analyse zu ermöglichen, untersuchten wir Daten im Zeitraum der Jahre 2000 bis 2016, was 17 Jahren entspricht. In dieser Zeit sind in der KISS-Datenbank über zwei Millionen Operationen dokumentiert worden, nach denen sich mehr als 32.000 postoperative Wundinfektionen ereigneten. Die Operationen verteilen sich auf über 1400 operative Abteilungen in Deutschland. Diese Abteilungen können über ihre Postleitzahl einem Ort zugeordnet werden. In Verbindung mit der Information, wann eine Operation durchgeführt wurde, verknüpften wir über „Zeit und Ort“ die KISSDaten mit den Daten des Deutschen Wetterdiensts.

Was kam heraus?

Insgesamt zeigten sich bei wärmeren Temperaturen im Operationsmonat höhere postoperative Wundinfektionsraten. Beispielsweise lag die gepoolte Wundinfektionsrate pro 100 Operationen bei Temperaturen unter fünf Grad Celsius bei 1,5, während sie für Temperaturen über 20 Grad Celsius bei 1,8 lag. Vergleicht man definierte Temperaturbereiche, so ist das Risiko für eine Wundinfektion bei Temperaturen über 20 Grad Celsius circa 13 % höher als bei unter fünf Grad Celsius. Besonders ausgeprägt war diese Assoziation bei oberflächlichen Wundinfektionen und bei Wundinfektionen durch gramnegative Bakterien.

Was bedeutet das nun für die Patienten?

Die Hypothese, die wir aus unserer Arbeit ableiten, lautet, dass wärmere Außentemperaturen das Auftreten von postoperativen Wundinfektionen begünstigen. Wir vermuten außerdem, dass bestimmte Erreger mehr als andere auf wärmere Temperaturen reagieren. Bedingt durch den Klimawandel ist mit längeren Phasen von Hitze und allgemein mit höheren Durchschnittstemperaturen zu rechnen. Unsere Daten legen nahe, dass sich der Klimawandel negativ auf die postoperative Wundheilung und Genesung auswirkt. Es ist wichtig, dies in Zukunft bei der Behandlung von Patienten in den wärmeren Monaten zu berücksichtigen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dr. med. Seven Johannes Sam Aghdassi
Institut für Hygiene und Umweltmedizin an der Berliner Charité