Multiplikatorin für Klimaschutz und Gesundheit

Für die AG Hausärztliche Internisten in der DGIM spielt das Thema Klimaschutz und Gesundheit eine wichtige Rolle. Dr. Susanne Balzer aus Köln leitet in der Arbeitsgruppe das Ressort Klimaschutz.

Frau Dr. Balzer, die AG Hausärztliche Internisten hat vor einem Jahr das Ressort Klimaschutz und Gesundheit ins Leben gerufen. Was haben Sie bis heute erreicht?
Ich bin vor rund einem Jahr auf die AG zugegangen und habe vorgeschlagen, uns im Bereich Klimaschutz und Gesundheit stärker zu engagieren. Seitdem gibt es das Ressort und ich lade jeden Interessierten ein, sich daran – oder auch in anderen Bereichen der AG Hausärztliche Internisten – zu beteiligen. 2021 konnten wir bereits viele unserer hausärztlichen Themen auf dem DGIM-Kongress präsentieren und Teil davon war das Symposium „Auf dem Weg zur klimaneutralen Praxis“. Im vergangenen Jahr spielte Klimaschutz ohnehin eine große Rolle auf dem Kongress, zusammen mit der Partnerorganisation Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG e.V.), bei der ich auch Mitglied bin, gab es mehrere Vorträge zu Klimawandelfolgen, die übrigens noch on demand abrufbar sind. Außerdem hatten wir im Sommer einen DGIMTalk mit Eckart von Hirschhausen, der sehr erfolgreich war. Aktuell planen wir sowohl Beiträge für die Fachzeitschrift MMW als auch ein großes interdisziplinäres Symposium beim nächsten Internistenkongress. Daran werden unter anderen Eckart von Hirschhausen und Professor Thomas Münzel aus Mainz teilnehmen, um das Thema nochmal prominent in der Ärzteschaft zu thematisieren.

Was sind denn die konkreten Ziele, an denen Sie aktuell arbeiten?
Wir wollen das Thema politisch mehr in den Fokus rücken. Ich persönlich würde mir sogar einen hauptamtlichen Ansprechpartner zum Thema Klimaschutz innerhalb der DGIM wünschen. Wichtig ist, mehr Fort- und Weiterbildung zu diesem Thema zu entwickeln und anzubieten. Wir arbeiten daran, dass sich die Hausärztinnen und -ärzte dem Thema öffnen. Dazu gehört die Kommunikation mit den Patienten – da sind wir Hausärzte ein guter Multiplikator innerhalb der Bevölkerung, weil wir ja unglaublich viele Patienten erreichen. Es ist deshalb unsere ärztliche Aufgabe, unsere Patienten über die Gesundheitsrisiken, die durch Klimaveränderung ausgelöst werden, aufzuklären. Denn die Klimakrise wird – sofern sie unbegrenzt voranschreitet – in den kommenden Jahren zum größten Gesundheitsrisiko überhaupt werden.

Was sind wichtige Folgen des Klimawandels, die im hausärztlichen Bereich auftreten und kommuniziert werden, beziehungsweise durch ärztliche Fortbildungen vertieft werden sollten?
Dazu gehören Fortbildungen zu vektorbedingten Erkrankungen, also Infektionserkrankungen, die durch Insekten übertragen werden. Diese werden durch die Klimaveränderung zunehmen, wie schon die FSME, die stark auf dem Vormarsch ist. Dann gibt es den sehr großen Bereich Hitze. Man kann sich informieren, ob es Hitzeaktionspläne in der eigenen Stadt gibt und sich hier ggf. mit verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens vernetzen. Wichtig ist es, in seiner Hausarztpraxis ein Bewusstsein bei den vulnerablen Gruppen, sprich bei älteren und multimorbiden Patienten, zu schaffen. Zum Beispiel müssen manche Medikamente bei Hitze anders eingenommen werden. Es gibt eine hervorragende Liste – die Heidelberger Hitze-Tabelle –, in der Arzneistoffe mit potenziellem Einfluss auf die Temperaturregulation und den Volumenstatus bei Hitze aufgeführt sind. Man kann die Liste über www.dosing.de herunterladen. Durch die Erderwärmung in Kombination mit Luftverschmutzung, vor allem sei hier Feinstaub genannt, kommt es auch zu einem Vormarsch an Allergien, Asthma und anderen pulmonalen sowie kardialen Erkrankungen. Und auch psychische Probleme und Ängste, die durch Umweltkatastrophen wie zum Beispiel die Hochwasserkatastrophe im Sommer ausgelöst werden, nehmen zu.

Da gibt es ja zwei Ebenen, das Thema Klimaschutz in der Hausarztpraxis aufzugreifen. Zum einen den medizinischen Aspekt, den Sie eben beschrieben haben, aber auch die Ebene, wie Hausarztpraxen nachhaltig arbeiten können. Die AG Hausärztliche Internisten hat eine Checkliste dazu erarbeitet, die sie den Kolleginnen und Kollegen an die Hand geben. Wie erreichen Sie die Ärzteschaft?
Innerhalb der AG erreichen wir unsere Kolleginnen und Kollegen über unseren Newsletter. Unser Ziel ist aber, unsere AG noch bekannter zu machen. Wir haben derzeit 150 Mitglieder, freuen uns über jeden weiteren und natürlich über jeden, der auch aktiv einsteigen möchte. Die Checkliste für die nachhaltige Praxis soll Anregung bieten, wie man seinen Betrieb klimafreundlicher aufstellen kann. Neben unserer Checkliste kann ich dafür auch die Webseite www.klima-gesund-praxen.de empfehlen. Manches erledigt sich schnell, wie etwa ein Wechsel zu einem Ökostromanbieter, das ist nur ein Anruf. Ein wichtiger Punkt einer nachhaltigen Praxis ist meines Erachtens auch das Verschreibungsmanagement. Ein Beispiel dafür wäre – wenn möglich – die Verschreibung von Trockenpulverinhalatoren statt Dosieraerosolen. Es gibt eine Berechnung, dass ein Dosieraerosol mit Fluorkohlenwasserstoff (FKW) dem CO2-Ausstoß einer 280-Kilometer-Autofahrt gleichkommt. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie man durch Umdenken vieles erreichen kann. Wichtig ist in meinen Augen auch und dazu gibt es eine interessante Studie [1] –, dass wir als Ärztinnen und Ärzte unsere Patienten auch dahingehend beraten, wie sie sich selbst klimabewusst verhalten und ernähren. Dadurch erreichen wir zweierlei: Patienten und Patientinnen schützen das Klima und tun gleichzeitig ganz viel für die eigene Gesundheit.

AG Hausärztliche Internisten

Seit April 2018 gibt es bei der DGIM die Arbeitsgruppe „Hausärztliche Internisten“. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, die Interessen der hausärztlichen Internisten innerhalb der DGIM zu vertreten. Die AG soll ihnen eine Plattform für Diskussion und Austausch bieten, auf der gemeinsame Projekte und Ideen entwickelt werden können. Alle Mitglieder der DGIM sind willkommen, sich in der AG zu engagieren, eigene Ideen einzubringen, oder aber auch nur informiert im Hintergrund zu bleiben. Da der niedergelassene hausärztliche Bereich sehr vielfältig und facettenreich ist, lebt die AG vom Input und von der Kompetenz jedes Einzelnen. Um möglichst wirksam tätig sein und sich beständig weiterentwickeln zu können, freut sich die AG Hausärztliche Internisten über jede(n) neue(n) Kollegin/Kollegen. Werden Sie jetzt Teil der AG Hausärztliche Internisten! Alle Informationen – auch Checklisten für die nachhaltige Arztpraxis wie auch zur Corona-Ampel und zur COVID-19-Impfung – gibt es unter www.dgim.de/ueber-uns/hausaerztliche-internisten/

Literatur

  1. Reismann L et al (2021) Climate-specific health literacy and medical advice: The potential for health co-benefits and climate change mitigation. An exploratory study. Science direct. https://doi.org/10.1016/j.joclim.2021.100072