Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizien

Aktuell arbeiten Delegierte der DGIM-Kommission an über 70 Leitlinien der internistischen Schwerpunktgesellschaften mit. Die S2k-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz“ der Deutschen Gesellschaft Pneumologie und Beatmungsmedizin ist eine davon.

Professor Dr. Stefan Kluge
© Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Mit dem Einsatz der Nichtinvasiven Beatmung (NIV) als Therapieform der akuten respiratorischen Insuffizienz werden vor allem bei der hyperkapnischen, zu geringeren Anteilen auch bei der hypoxämischen Insuffizienz die Reduktion der Intubationsrate, der Mortalitätsrate, der Aufenthaltsdauer auf Intensivstation sowie im Krankenhaus und der Behandlungskosten erwartet. Bei gegebener Indikation sollte die NIV daher als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz eingesetzt werden, um Komplikationen einer invasiven Beatmung zu vermeiden. Die Domäne der NIV sind im Wesentlichen Erkrankungen, die zum Versagen der Atempumpe führen. Hierbei wird die Atemarbeit durch NIV effektiv übernommen.
Bei einer akuten hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz mit einem pH < 7,35 soll bei fehlenden Kontraindikationen NIV eingesetzt werden.

Studien zur Wirksamkeit der NIV bei akut exazerbierter COPD gibt es nunmehr seit > 30 Jahren. Die NIV geht bei dieser Indikation mit einer Reduktion der Intubationshäufigkeit, der Sterblichkeit und der Krankenhausaufenthaltsdauer einher. Dabei gibt es formal keine untere Grenze für den pH-Wert, unter der ein NIV-Versuch unangemessen wäre. Allerdings ist das Versagensrisiko der NIV umso größer, je niedriger der pH-Wert ist. Deshalb wird ein äußerst engmaschiges Monitoring mit rascher Möglichkeit der Intubation und invasiven Beatmung bei fehlender Besserung gefordert. Bei leichtgradiger akut exazerbierter COPD mit einem pH-Wert ≥ 7,35 besteht keine Indikation für eine akute nicht -invasive Beatmung. Neben den Blutgasen und ggf. der transkutanen CO2-Messung sind Dyspnoeempfindung und Atemfrequenz die klinisch relevanten Verlaufsparameter zur Beurteilung der Beatmungsqualität in der Adaptationsphase. Anhand dieser lässt sich bereits 1–2 Stunden nach Beginn der NIV zwischen Respondern (Abnahme dieser Parameter) bzw. Non-Respondern (ausbleibende Abnahme bzw. Zunahme dieser Parameter) unterscheiden. Insbesondere der Anstieg des pH-Wertes innerhalb der ersten 4 Stunden ist ein Marker für den Erfolg der NIV. In NIV-Pausen ist der Einsatz der High-Flow-Sauerstoff-Therapie bei besserem Komfort und günstigerem Einfluss auf Dyspnoe und Atemfrequenz möglich, die High-Flow-Sauerstofftherapie sollte jedoch nicht als Primär-Therapie eingesetzt werden.

Absolute Kontraindikationen für den Einsatz der NIV sind weiterhin: 1.) Fehlende Spontanatmung, Schnappatmung, 2.) Fixierte oder funktionelle Verlegung der Atemwege, 3.) Gastrointestinale Blutung oder Ileus 4.) Nicht-hyperkapnisches Koma.

Bei Patienten mit hypoxämischer akuter respiratorischer Insuffizienz bei kardiogenem Lungenödem soll, neben oro-nasaler Sauerstoffgabe, frühzeitig eine CPAP-Therapie begonnen werden. Dies gilt auch für die Behandlung von Patienten in der Prähospitalphase oder in der Notaufnahme.

Die pulmonale Stauung infolge einer Linksherzinsuffizienz ist die häufigste Ursache der hypoxämischen akuten respiratorischen Insuffizienz. Im Vergleich zur Standardtherapie mit O2-Gabe führte CPAP zu einer Reduktion der Krankenhaussterblichkeit und der Intubationsrate, dabei kam es nicht zu einer signifikanten Änderung der Inzidenz von erneuten Myokardinfarkten. Dabei zeigen CPAP und NIV ähnliche Effekte und sind in dieser Indikation als gleichwertig anzusehen. Belastbare Daten hinsichtlich der Effekte einer Highflow Sauerstofftherapie bei akutem Lungenödem im Hinblick auf die Sterblichkeit, eine primäre Highflow Sauerstofftherapie bei hypoxämischer ARI als Folge eines kardiogenen Lungenödems kann aktuell nicht empfohlen werden.

CPAP/NIV bei akutem Lungenversagen (ARDS) kann in einem milden oder moderaten Stadium und bei ausgewählten Patienten ohne oder mit nur geringgradigen zusätzlichen Organversagen eingesetzt werden. Bei mittelschwerem bis schwerem ARDS (PaO2/FiO2 < 150 mmHg) kann im Einzelfall ein Therapieversuch mit CPAP/ NIV und/oder High-Flow unternommen werden.

Die Datenlage zur Anwendung von CPAP bzw. NIV bei der hypoxämischen akuten respiratorischen Insuffizienz (außerhalb der Indikation kardiogenes Lungenödem) ist insgesamt schwierig zu werten, da eine Hypoxämie bei einer Vielzahl verschiedener Erkrankungen als gemeinsames Symptom resultieren kann und nur wenige Studien prospektiv CPAP bzw. NIV an homogenen Kollektiven mit der gleichen Grunderkrankung (z. B. ambulant erworbene Pneumonie oder Thoraxtrauma mit Lungenkontusion oder sekundäres ARDS bei Sepsis) untersucht haben. Zusätzlich gibt es Hinweise, dass die Art des NIV-Interfaces (Helm versus Gesichtsmaske) einen Einfluss auf den Therapieerfolg haben könnte. Bei Patienten mit schwerer Hypoxämie (PaO2/FiO2 < 100 mmHg) liegen klare Daten für einen Nachteil durch die nichtinvasive Beatmung vor, mit dem Risiko der verzögerten Intubation und erhöhten Sterblichkeit. Neben der Schwere des aktuellen Krankheitsbildes ist das Ausmaß der Oxygenierungsstörung ein wichtiger Prädiktor für das NIV- Versagen. Der Einsatz von CPAP/ NIV bei ARDS soll ausschließlich unter kontinuierlichem apparativem und klinischem Monitoring und ständiger Intubationsbereitschaft erfolgen.

Die Leitlinie (AWMF- Register-Nr. 020-004) wurde im März 2023 auf der Homepage der AWMF publiziert, die Langfassung kann unter diesem Link eingesehen werden: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-004