Clusterkopfschmerz: Das vernichtende Stechen im Kopf

Wie ein Messer im Auge, als ob man mir das Gehirn aufbohrt, so beschreiben Betroffene den Clusterkopfschmerz. Die Belastung ist extrem - wer damit in die Praxis kommt, braucht dringend professionelle Hilfe.

Man nennt ihn auch „suicide headache“: Die Attacken beim Clusterkopfschmerz sind unerträglich - bis zu 47 Prozent aller Betroffenen denken an Suizid.1 Das Syndrom gehört zu den trigemino-autonomen Kopfschmerzen (TAK), die die International Headache Society (IHS) beschreibt.2 Mit einer Prävalenz von 0,1 bis 0,2 Prozent - ein bis zwei Betroffene von 1000 – ist der Clusterkopfschmerz im Vergleich zu Migräne oder Kopfschmerzen vom Spannungstyp vergleichsweise selten. Da der Schmerz aber so extrem ist, muss immer intensiv behandelt werden. Clusterkopfschmerzen können in jeder Lebensphase auftreten, häufig kommen sie aber im mittleren Alter vor. Anders als bei Migräne und Spannungskopfschmerz sind überwiegend Männer betroffen: Das Verhältnis Männer zu Frauen beträgt drei zu eins.3

Clusterkopfschmerz erkennen: typisches Muster, auffälliger Rhythmus

Zu erkennen ist der Clusterkopfschmerz an seinem charakteristischen Auftreten: Er ist überaus stark und immer einseitig. In der Regel kommt der Schmerz in Episoden von einigen Wochen, die restliche Zeit sind die Patienten und PatientInnen kopfschmerzfrei. Die Attacken dauern zwischen 15 und 180 Minuten an, sie sind damit deutlich kürzer als bei der Migräne. In dem aktiven Zeitraum können bis zu acht starke Kopfschmerz-Attacken am Tag erfolgen. Häufig treten die Kopfschmerz-Attacken nachts auf, jahreszeitlich vor allem im Frühjahr und im Herbst. In der episodischen Form können Betroffene daher monatelang frei von Schmerzen sein, dann kehren die Attacken wieder. Sie reißen Patienten nachts aus dem Schlaf, belasten schwer und zermürben. Dazu gehören Begleitsymptome des autonomen Nervensystems am Kopf, unter anderem rote Bindehaut, Augentränen, Naselaufen, Schwitzen im Gesicht, verengte Pupillen (Miosis) oder Lidödem. Sie erscheinen ebenfalls einseitig, und zwar immer auf der Schmerzseite (ipsilateral). Von chronischem Clusterkopfschmerz spricht man bei Auftreten über ein Jahr ohne Pause oder bei schmerzfreien Phasen, die kürzer als drei Monate sind.4 10 bis 15 Prozent aller Betroffenen leiden daran.

Hintergrund und Diagnose des Clusterkopfschmerzes

Hintergrund ist wahrscheinlich eine Dysfunktion des Hypothalamus: Dies erklärt den auffälligen zirkadianen und jahreszeitlichen Rhythmus sowie die parasympathischen Symptome. Weiterhin spielt das Neuropeptid Calcitonin Gene-related Peptide (CGRP) eine wichtige Rolle in der Kopfschmerzentwicklung. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass während der akuten Attacke die CGRP-Spiegel erhöht sind und sich nach erfolgreicher Behandlung wieder normalisieren.5

Bei der Erstdiagnose ist die Anamnese und eine klinisch-neurologische Untersuchung zu erheben, laut bisheriger S1-Leitlinie der DGN auch mit Beachtung der Lokalregion und des ophthalmischen Astes des N. trigeminus. Anders als bei Migräne oder Spannungskopfschmerz ist in der Regel eine Bildgebung mit zerebralem MRT erforderlich. So müssen vor allem Tumore und Pathologien im Sinus cavernosus ausgeschlossen werden, das gilt besonders für Patienten über 60. Differentialdiagnostisch muss auch an ein Glaukom gedacht werden, das zu Schmerzen hinter dem Auge führen kann.6

Charakteristischer Unterschied zur Migräne sind begleitende Unruhe und Bewegungsdrang: So berichten Patienten, das sie bei einer Clusterkopfschmerz-Attacke herumlaufen, während Migräne-Betroffene den Wunsch nach Ruhe haben und sich hinlegen. Bewegungsdrang gehört zu den diagnostischen Kriterien des Clusterkopfschmerzes. 7

Therapie der Attacke: Patienten brauchen sofort Hilfe

Der Clusterkopfschmerz ist nicht ursächlich heilbar, in der Regel treten Clusterkopfschmerz-Episoden immer wieder über viele Jahre auf. 8 Anfälle können akuttherapeutisch und präventiv behandelt werden. Bei Auftreten einer Clusterkopfschmerz-Attacke brauchen die Betroffenen sofort Hilfe. Erstlinien-Therapie ist die Inhalation von Sauerstoff und die subkutane oder nasale Anwendung von Triptanen. Das Inhalieren von Sauerstoff hat keine Nebenwirkungen. Doch sprechen nicht alle Patienten darauf an, sondern nur 80 Prozent, auch ist die Anwendung des Geräts mit Maske unter Umständen unhandlich. Sauerstoff sollte aber in jedem Fall probiert werden.9 Mindestens 20 Minuten ist dabei zu inhalieren, eine Maske mit Reservoir ist effizient (Non-Rebreather-Maske).10 Sehr gut helfen Triptane, oral gegeben braucht der Wirkstoff aber zu lange, bis er ins Blut gelangt. Triptane werden daher mit Spritzen oder Pens zur Selbstinjektion unter die Haut gegeben, alternativ als Nasenspray mit Zolmitriptan, angewendet auf der schmerzfreien Seite. Auch Lidocain-Spray kann die Attacke bremsen, es wird, anders als Zolmitriptan, ins Nasenloch auf der Schmerzseite gesprüht.

Die Prophylaxe erfolgt unter anderem mit dem Kalziumkanalblocker Verapramil, Topiramat oder Lithium. CGRP-Antikörper werden erprobt, sind in Deutschland aber nicht für die Behandlung des episodischen oder chronischen Clusterkopfschmerzes zugelassen. Bei schweren Fällen und therapierefraktären Patientinnen oder Patienten kann ein Einzelfallantrag bei der Krankenkasse gestellt werden. Eine Kurzzeit-Prophylaxe kann auch mit Cortison erfolgen, ist aber keine Dauerlösung.11

Einige Off-Label-Optionen bestehen, sollten aber von erfahrenen Spezialisten oder in Schmerz-Kliniken angewendet werden. Operative Verfahren sowie die Neurostimulation des Ganglion sphenopalatinum oder des Rückenmarks werden ebenfalls erprobt.12 In den letzten Jahren zeigte sich vermehrt die psychische Beeinträchtigung durch den Clusterkopfschmerz.13 Hier kann auch eine psychotherapeutische Unterstützung oder eine Selbsthilfegruppe weiterhelfen.

Hier finden Sie weitere Informationen und Patientenbroschüren zum Thema.

Quellen

  1. Koo et al., Demoralization predicts suicidality in patients with cluster headache; The Journal of Headache and Pain, Volume 22, Article number: 28, 2021
  2. IHS, ICHD-3 - Internationale Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen 3, 2018, deutsche Fassung https://ichd-3.org/de/3-trigemino-autonome-kopfschmerzerkrankungentak/
  3. S1-Leitlinie Clusterkopfschmerz Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), 2015 – 2020, wird gerade überarbeitet, s. AMWF https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-036
  4. Olesen, J., Headache Classification Committee of the International Headache Society (IHS) The International Classification of Headache Disorders, Asbtracts. Cephalalgia, 2018. 38(1): p. 1-211.
  5. May, A., et al., Cluster headache. Nature Reviews Disease Primers, 2018. 4(1): p. 1-17.
  6. Die S1-Leitlinie der DGN von 2015 listet weitere Differenzialdiagnosen auf, darunter Arteriitis temporalis, Meningitis Sinusitis sowie weitere TAk-Formen wie das SUNA-Syndrom, s. dort
  7. S1-Leitlinie Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen der DGN, wie oben
  8. Deutsche Hirnstiftung https://hirnstiftung.org/alle-erkrankungen/clusterkopfschmerz/
  9. Kliniken Köln, Neurologie Merheim. https://www.kliniken-koeln.de/Merheim_Neurologie_Kopfschmerz_Cluster.htm?ActiveID=2593#patho
  10. Video der DMKG mit PD Dr. Ruth Ruscheweyh von der LMU München
  11. Obermann, M., et al., Safety and efficacy of prednisone versus placebo in short-term prevention of episodic cluster headache: a multicentre, double-blind, randomised controlled trial. The Lancet Neurology, 2021. 20(1): p. 29-37.
  12. Wilbrink, L.A., et al., Safety and efficacy of occipital nerve stimulation for attack prevention in medically intractable chronic cluster headache (ICON): a randomised, double-blind, multicentre, phase 3, electrical dose-controlled trial. The Lancet Neurology, 2021. 20(7): p. 515-525.
  13. Kamm, K., A. Straube, and R. Ruscheweyh, Cluster Headache Impact Questionnaire (CHIQ)–a short measure of cluster headache related disability. The journal of headache and pain, 2022. 23(1): p. 1-10.