Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Kopfschmerzen: das Dresdner Kinder- und Jugendkopfschmerzprogramm

Mädchen und Frauen sind häufiger von Kopfschmerzen betroffen als Jungen und Männer. Eine aktuelle Studie im Rahmen des ambulanten multimodalen Dresdner Kinder- und Jugendkopfschmerzprogramms (DreKiP) bestätigt den bisher wenig untersuchten Einfluss des Geschlechts auf die Wirksamkeit von Kopfschmerztherapien.

Primäre Kopfschmerzen, insbesondere Migräne und Spannungskopfschmerz, sind die häufigste Schmerzerkrankung bei Kindern und Jugendlichen und führen oft zu Einschränkungen im Alltag und in der Schule1-3. In Deutschland stehen für diese Altersgruppe jedoch nur wenig evidenzbasierte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung und es gibt bisher keine ausreichenden Versorgungsstrukturen. Um individuelle Therapieansätze für junge Betroffene zu ermöglichen, wurde in Dresden ein interdisziplinäres, multimodales ambulantes Therapieprogramm entwickelt (DreKiP). Im Rahmen des Programms wurde eine Studie durchgeführt, die geschlechtsabhängig therapiebedingte Unterschiede untersuchte4.

Mädchen häufiger und stärker von Kopfschmerzen betroffen

140 Kinder und Jugendliche nahmen zwischen 2018 und 2022 am Therapieprogramm DreKiP teil. Die Teilnehmenden wurden vor Beginn des 15-stündigen Gruppenprogramms sowie 6 und 12 Monate nach dessen Abschluss evaluiert. Es wurden Daten zu kopfschmerzbedingten Einschränkungen der Alltagsfähigkeit, Kopfschmerzhäufigkeit, -intensität und schmerzbedingter Alltagseinschränkung erhoben und getrennt für Mädchen und Jungen erfasst. Für die aktuelle Studie wurden die Daten von 91 Patientinnen und Patienten (9–19 Jahre, 71,4 % weiblich) analysiert.

Die Ergebnisse zeigen, dass Mädchen deutlich häufiger und stärker von Kopfschmerzen betroffen sind als Jungen: Sie litten im Durchschnitt an 14,6 Tagen pro Monat unter Kopfschmerzen, während Jungen nur an 9,4 Tagen betroffen waren. Zudem waren die Mädchen durch die Kopfschmerzen tendenziell stärker im Alltag beeinträchtigt, gemessen mit dem Pediatric Pain Disability Index (P-PDI). In der Wirksamkeit des DreKiP-Gruppenprogramms zeigten sich dagegen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede: „Wir konnten eine signifikante Reduktion der Kopfschmerzfrequenz und eine Verbesserung der Alltagsfunktion sowohl bei Mädchen als auch Jungen feststellen“, berichtet Prof. Dr. Gudrun Goßrau, Leiterin der Kopfschmerzambulanz am Uniklinikum Dresden und Seniorautorin der Studie. Die Ergebnisse passen zu den Ergebnissen internationaler Kopfschmerzstudien, die Geschlechterunterschiede bei der migränebedingten Alltagseinschränkung an Erwachsenen belegen5.

Spezifische Präventions- und Behandlungsprogramme für Mädchen

Die Prävalenz von Kopfschmerzen bei Mädchen und Frauen ab der Pubertät ist etwa drei- bis viermal höher als bei Männern5. Die Gründe sind bis heute nicht umfassend geklärt. Diskutiert werden multifaktorielle Ursachen, darunter hormonelle Faktoren, genetische Prädispositionen, aber auch psychosoziale Einflüsse, die vor allem Mädchen und Frauen betreffen, wie z. B. soziale Überforderung oder Missbrauch. Die Autoren empfehlen, die höhere Betroffenheit von Mädchen in zukünftigen Präventions- und Behandlungsprogrammen zu berücksichtigen. „Unsere Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, geschlechtsspezifische Ansätze in der Kopfschmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen zu entwickeln“, betont Prof. Goßrau.

Das DreKiP hat den 2. Platz des MSD Gesundheitspreises 2024 belegt.

Mehr praxisrelevantes Wissen finden Fachkreise online im Migräne- und Kopfschmerz-Guide unter www.mk-guide.org, einem Projekt der DMKG-Initiative „Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen

Literatur

  1. Benore E et al. “Longitudinal Analysis of Patient-Reported Outcomes From an Interdisciplinary Pediatric Pain Rehabilitation Program for Children With Chronic Migraine and Headache.” Headache vol. 58,10 (2018): 1556-1567. doi:10.1111/head.13389
  2. Pawlowski C et al. “National Trends in Pediatric Headache and Associated Functional Limitations.” Clinical pediatrics vol. 58,14 (2019): 1502-1508. doi:10.1177/0009922819875560
  3. Albers L et al. “Headache cessation by an educational intervention in grammar schools: a cluster randomized trial.” European journal of neurology vol. 22,2 (2015): 270-6, e22. doi:10.1111/ene.12558
  4. Zaranek L, Sobe H, Richter M et al. Geschlechtsspezifische Ergebnisse des Dresdner Kinder- und Jugendkopfschmerzprogrammes DreKiP [Gender-specific results of the Dresden children and adolescents headache program DreKiP]. Schmerz. 2024;38(2):107-117. https://doi.org/10.1007/s00482-023-00756-z
  5. Chen Z, Kong X, Yang C et al. Global, regional, and national burden and trends of migraine among youths and young adults aged 15–39 years from 1990 to 2021: findings from the global burden of disease study 2021. J Headache Pain 25, 131 (2024). https://doi.org/10.1186/s10194-024-01832-0