Primäre Kopfschmerzen zeigen oft eine geschlechtsabhängige Prävalenz: Während Männer öfter von Clusterkopfschmerzen (einseitig auftretende, besonders starke Kopfschmerzen, „Suizidkopfschmerzen“) betroffen sind, leiden Frauen im Schnitt dreimal häufiger an Migräne.
Die Migräneprävalenz verändert sich über die Lebensspanne: Im Kindesalter tritt Migräne etwa gleich häufig bei Jungen und Mädchen auf. Ab der Pubertät zeigen sich Geschlechterunterschiede. Grund dafür ist die Hormonfluktuation bei Frauen während der reproduktiven Jahre.
Schwankungen der Geschlechtshormone bei Frauen treten nicht nur im Laufe des Lebens, sondern auch während jedes Zyklus, der bei jeder Frau individuell zwischen 25 und 35 Tagen liegt, auf. Dadurch können Migräneattacken im zeitlichen Zusammenhang zur Menstruation vorkommen. Ursache ist das Absinken des weiblichen Hormons Östrogen. Zahlreiche für die Entstehung der Migräne relevante Gehirnareale, Hirngefäße, die Dura mater sowie das Hinterhorn des Rückenmarks exprimieren Östrogen-Rezeptoren. Durch eine Veränderung des Östrogenspiegels wird folglich eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit induziert.
Die Internationale Kopfschmerzklassifikation unterscheidet zwischen rein menstrueller Migräne und menstruationsassoziierter Migräne:
Wie Studien zeigen, sind perimenstruelle Migräneattacken gravierender, länger andauernd und therapiefraktärer als Attacken in anderen Zyklusphasen. Entsprechend können Patientinnen vor allem mit Naproxen zur Kurzzeitprophylaxe oder einem lang wirksamen Triptan behandelt werden. Eine weitere Option können hormonelle Kontrazeptiva sein.
Hormonelle Kontrazeptiva stabilisieren den Östrogenspiegel. Nach sorgfältiger, individueller Risiko- und Nutzenabwägung können sie daher eingesetzt werden, um die Attackenfrequenz zu reduzieren. Ungefähr ein Drittel der betroffenen Frauen berichtet von einer Verbesserung; ein Drittel bemerkt keine Veränderung und ein Drittel erfährt eine Verschlechterung. Besserungen können häufig mit kombinierten Präparaten im Langzyklus oder einer Gestagen-Monotherapie erzielt werden. Kombinierte orale Präparate im klassischen 21-7-Zyklus sind dagegen häufiger mit einer Verschlechterung assoziiert.
Vorsicht ist zudem bei Patientinnen mit Migräne mit Aura geboten. Sowohl östrogenhaltige Verhütungsmittel als auch Migräne mit Aura erhöhen das Schlaganfallrisiko. Betroffenen Patientinnen werden folglich östrogenfreie Kontrazeptiva empfohlen und hormonelle Verhütungsmittel sollten nur unter strenger Risiko-Nutzen-Abwägung verordnet werden.
Der steigende Östrogenspiegel kann mit Beginn einer Schwangerschaft Migräne bei Frauen positiv beeinflussen. Mehr als die Hälfte der Patientinnen mit Migräne berichten von einer deutlichen Besserung, bis hin zum vollständigen Ausbleiben der Attacken während einer Schwangerschaft.
Die Besserung ist meist jedoch nicht von Dauer, da der Östrogenspiegel nach Entbindung wieder sinkt. Patientinnen mit Migräne berichten dann oftmals von einer erneuten Zunahme der Attackenfrequenz und -intensität.
Die Perimenopause ist von starken Hormonfluktuationen geprägt. Grund dafür ist der progrediente Verlust der ovariellen Follikelfunktion. Entsprechend kommt es vor allem bei Frauen mit menstruationsassoziierter Migräne zu einer steigenden Attackenfrequenz.
In der postmenopausalen Phase stabilisiert sich der Östrogenspiegel schließlich. Mehr als 70 Prozent der Patientinnen berichten über eine Verbesserung ihrer Migräne.
Fazit: Das häufige Auftreten von Migräne bei Frauen ist keine Hysterie, sondern lässt sich wissenschaftlich belegen. Der Östrogenabfall während des Menstruationszyklus, der Perimenopause oder nach einer Geburt ist ein häufiger Triggerfaktor für Migräne. Entscheidend ist dabei nicht der absolute Hormonspiegel, sondern die Hormonfluktuation.