S1-Leitlinie: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne
Am 5. September 2025 haben DGN und DMKG die Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ aktualisiert. Sie definiert klare Empfehlungen für Akut- und Prophylaxetherapie, ergänzt durch neue Substanzklassen und nichtmedikamentöse Verfahren.
Migräne zählt zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen und beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich. Am 5. September 2025 veröffentlichten die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) die aktualisierte S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“. Sie ersetzt die Version von 2022 und spiegelt den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Evidenz wider.
Wesentliche Neuerungen
Akuttherapie
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Triptane: Unter den Triptanen gelten Eletriptan, Rizatriptan und Sumatriptan als am wirksamsten in der Akuttherapie.
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Fixkombination Sumatriptan/Naproxen: Die Kombination von 85 mg Sumatriptan und 500 mg Naproxen zeigte in Studien eine höhere Rate an Schmerzfreiheit nach 2 Stunden sowie anhaltender Schmerzfreiheit über 24 Stunden im Vergleich zur Monotherapie – bei akzeptablem Nebenwirkungsprofil.
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Lasmiditan: Dieser Serotonin-1F-Rezeptoragonist (50, 100, 200 mg) ist wirksamer als Placebo. Vergleichsstudien zu Triptanen liegen nicht vor. Vorteil: keine vasokonstriktiven Eigenschaften, daher geeignet für Patient:innen mit Kontraindikationen gegen Triptane. Einschränkung: zentrale Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Schwindel. Für mindestens 8 Stunden nach Einnahme gilt ein Fahr- und Maschinenverbot.
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Rimegepant: Der orale CGRP-Rezeptorantagonist (75 mg) ist in der Akuttherapie wirksam und gut verträglich. Vergleichsstudien mit Triptanen fehlen bisher.
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Nichtmedikamentös: In der Akuttherapie als auch in der Prophylaxe erwies sich Remote Electrical Neuromodulation (REN) als wirksam sowie auch die transkutane Stimulation des N. trigeminus im supraorbitalen Bereich.
Prophylaxe
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CGRP-Antikörper: Monoklonale Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor sind wirksam bei episodischer und chronischer Migräne. Sie zeichnen sich durch sehr gute Verträglichkeit aus. Auch wenn in den ersten 12 Wochen keine Wirkung eintritt, ist ein späteres Therapieansprechen möglich.
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Vergleichsstudie: In einer randomisierten Studie war Erenumab wirksamer und besser verträglich als Topiramat.
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Risikopatient:innen: Patient:innen mit erhöhtem Risiko für vaskuläre Erkrankungen sollten nach derzeitigem Kenntnisstand nicht mit CGRP-Antikörpern oder Gepanten behandelt werden.
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Rimegepant: Neben der Akuttherapie ist Rimegepant auch in der Prophylaxe der episodischen Migräne wirksam und zugelassen. Eine Studie zeigte eine vergleichbare Wirksamkeit zu Galcanezumab.
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Atogepant: Eine einmal tägliche Gabe von 60 mg ist bei episodischer und chronischer Migräne wirksam, auch bei Patient:innen mit Medikamentenübergebrauch.
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Propranolol: In der Prophylaxe der chronischen Migräne erwies es sich als vergleichbar wirksam wie Topiramat.
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Beginn trotz Medikamentenübergebrauch: Eine prophylaktische Therapie mit Topiramat, Onabotulinumtoxin A, einem Gepant oder einem CGRP-Antikörper kann auch unter bestehendem Medikamentenübergebrauch eingeleitet werden.
Patientenleitlinie
Parallel wurde eine Patientenleitlinie veröffentlicht, die die Inhalte allgemeinverständlich zusammenfasst. Sie soll Betroffene stärken und die gemeinsame Entscheidungsfindung unterstützen.
Die S1-Leitlinie aktualisiert das Behandlungsspektrum für Migräne. Neben klassischen Substanzen treten neue Wirkstoffklassen, fixierte Kombinationen und apparative Verfahren hinzu. In der Prophylaxe bieten CGRP-Antikörper, Gepante und langjährig eingesetzte unspezifische Substanzen wie u.a. Propranolol und Amitriptylin ein breites Spektrum. Nichtmedikamentöse Maßnahmen runden das Angebot ab. Ziel ist eine individuell zugeschnittene, evidenzbasierte Versorgung, die die Lebensqualität von Betroffenen spürbar verbessern kann.