Hormonelle Kontrazeption und Psychopharmaka: Gibt es Wechselwirkungen?

In der gynäkologischen Praxis tauchen immer wieder Fragen zu möglichen Wechselwirkungen von hormonellen Kontrazeptiva und Psychopharmaka auf – vier Beispiele.

Vier Fragen aus der Praxis:

  1. Kann ich einer Patientin, die wegen einer psychiatrischen Erkrankung das atypische Antipsychotikum Aripiprazol einnimmt, ein orales Estrogen-Gestagen-Kombinationspräparat verordnen? Welche Wechselwirkungen zwischen Aripiprazol und oralen Kontrazeptiva sind zu beachten?
  2. Schränkt eine gleichzeitige Valproat- und Olanzapin-Therapie die Auswahl von oralen Kontrazeptiva aufgrund von Arzneimittelinteraktionen ein?
  3. Ist die Wirksamkeit der Antibabypille während einer Behandlung mit Sertralin vermindert?
  4. Bei welcher psychopharmakologischen Begleitmedikation ist Vorsicht bei der Verordnung von oralen Kontrazeptiva geboten?

Die Antworten:

Im Fokus stehen hier pharmakokinetische Wechselwirkungen. Pharmakodynamische Wechselwirkungen sind ebenfalls denkbar, denn Psychopharmaka beeinflussen auch durch Sexualhormone gesteuerte Funktionen (z. B. Appetit, Körpergewicht). Umgekehrt haben Sexualhormone auch psychische Wirkungen (z. B. auf die Stimmung).

Bei der Frage nach möglichen pharmakokinetischen Wechselwirkungen richtet sich der Blick auf die substanzspezifischen Wege der Verstoffwechslung, v.a. auf etwaige hemmende oder induzierende Effekte der Arzneimittel auf die beteiligten Enzymsysteme. Die zur oralen Kontrazeption angewendeten Estrogene und Gestagene werden hauptsächlich in der Leber über Cytochrom P450 (CYP) 3A4 metabolisiert.

Zu Frage 1:

Zu Frage 2:

Zu Frage 3:

Zu Frage 4:

Abgesehen von Johanniskraut scheint also die Interaktionsgefahr zwischen hormonellen Kontrazeptiva und den gebräuchlichen Psychopharmaka, die häufig zur Behandlung von Depressionen, Angstzuständen und anderen psychischen Störungen eingesetzt werden, gering zu sein. Allerdings ist die Datenlage dazu insgesamt dürftig und „in den meisten Fällen … (immer noch) unklar“.4

Bisherige (dürftige) Evidenz zeigt wenig Grund zur Besorgnis

Diese Einschätzung entspricht dem Ergebnis einer 2016 im Fachjournal Contraception publizierten Arbeit.5 Aus den analysierten Studien ergibt sich den Autoren des systematischen Reviews zufolge zwar kaum Anlass für Bedenken. Allerdings halten sie die Evidenz qualitativ und quantitativ für begrenzt. Für nichtorale Präparate zur hormonellen Verhütung fehlen spezifische Daten gänzlich. Angesichts der jeweils sehr häufigen Anwendung von oralen Kontrazeptiva und Psychopharmaka besteht hier definitiv noch Forschungsbedarf.

Referenzen:

  1. Stichtenoth DO, Heck J. Hormonelle Kontrazeptiva und Antipsychotika. Keine CYP-abhängige Verminderung der antikonzeptiven Wirksamkeit. Niedersächsisches Ärzteblatt 2019;2
  2. Meine T, Stichtenoth DO. Dämpfer. Wirkabschwächung oraler Kontrazeptiva durch Valproat und Olanzapin? Niedersächsisches Ärzteblatt 2013;3
  3. Exner L, Stichtenoth DO. Hemmungslos. Wirkabschwächung hormoneller Kontrazeptiva durch Antidepressiva? Niedersächsisches Ärzteblatt 2013;5
  4. Lupp A. Orale Kontrazeptiva: Risikoreiche Interaktionen. Dtsch Arztebl 2016;113(11)[18]. doi:10.3238/PersGyn.2016.03.18.05
  5. Berry-Bibee EN et al. Drug interactions between hormonal contraceptives and psychotropic drugs: a systematic review. Contraception 2016 Dec;94(6):650-67. doi:10.1016/j.contraception.2016.07.011