Videosprechstunde: Worauf Sie achten müssen

Onlinesprechstunden erleben einen Boom. Sie einzurichten, ist nicht schwer – sofern Sie wichtige Aspekte bei der rechtssicheren Dokumentation berücksichtigen.

Während der Corona-Pandemie ist die Zahl der Videosprechstunden deutlich gestiegen1. Schon mehr als die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland bietet ihren Patienten diese digitale Form des Kontaktes an2. Was sie schätzen, sind die unbestrittenen Vorteile, die die elektronische Medizin bietet:

Vor allem Hausärzte, aber nicht nur sie bieten die elektronische Sprechstunde an. Alle ärztlichen Fachgruppen können dies tun, mit Ausnahme von beispielsweise Laborärzten, Nuklearmedizinern und Radiologen. Auch wenn Experten empfehlen, dass Videosprechstunden die direkte persönliche Begegnung nur ergänzen und nicht ersetzen sollten, darf mittlerweile sogar der erste Arzt-Patienten-Kontakt online stattfinden.

Videosprechstunde mit Online-Diagnose und Online-Krankschreibung

Ärztinnen und Ärzte, die bereits Videosprechstunden nutzen, wissen es: Vieles lässt sich effizient am Bildschirm besprechen. Hierzu zählen unter anderem:

Wenn es vertretbar ist, dass ein Patient zu Hause bleibt, sparen Sie als Arzt oder Ärztin wertvolle Zeit, die denjenigen zugutekommt, die tatsächlich Ihre Hilfe in der Praxis benötigen. Je nach den gerade aktuell gültigen Covid-Pandemie-Bestimmungen darf sogar die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit online erfolgen und Sie können auch eine Online-Krankschreibung vornehmen, sofern Ihnen der Patient bereits bekannt ist.

Die erforderliche Technik für die Videosprechstunde ist oft schnell installiert oder sogar schon vorhanden: Computer, Tablet oder Smartphone, ausgerüstet mit Mikrofon, Kamera und Lautsprecher. Unverzichtbar ist eine gute Internetverbindung. Außerdem müssen Sie sich als beratender Arzt oder beratende Ärztin in einem geschlossenen Raum befinden, der einen störungsfreien Ablauf und den Schutz der Privatsphäre des Patienten sicherstellt. Handelt es sich um einen Pflegebedürftigen, sollte bei ihm zu Hause oder im Heim während der Onlinesprechstunde eine betreuende Pflegekraft anwesend sein.

Sprechstunde online mit dem richtigen Anbieter

Vor dem ersten Start muss die Arztpraxis einen Videodienst-Anbieter beauftragen, der für einen reibungslosen technischen Ablauf sorgt. Wichtig ist, dass dieser Anbieter zertifiziert ist, damit bestimmte Sicherheitsstandards gewährleistet sind3. So sind Sie verpflichtet sicherzustellen, dass zum Beispiel alles, was Sie und Ihr Patient miteinander besprechen, vor Dritten geschützt ist. Eine Liste mit zertifizierten Anbietern von Videodiensten ist im Internet bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erhältlich4.

Nur wenn Sie einen zertifizierten Anbieter nutzen, können Sie die in der Onlinesprechstunde erbrachten ärztlichen Leistungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) abrechnen. Der KV müssen Sie mitteilen, für welchen Videodienst-Anbieter Sie sich entschieden haben. Patientinnen und Patienten brauchen sich dagegen nicht registrieren zu lassen. Der Anbieter übermittelt Ihnen alle notwendigen Informationen, mit denen Sie sich in die digitale Sprechstunde einwählen können. Patienten erhalten den Zugang über die Website der Praxis oder ebenfalls über den Videodienst-Anbieter. Waren sie bisher noch nie in der Praxis, halten sie ihre elektronische Gesundheitskarte in die Kamera und bestätigen mündlich, dass sie krankenversichert sind.

Sprechstunde online: Der Arzt muss den Patienten aufklären

Um rechtlich abgesichert zu sein, sollten Sie vor der ersten digitalen Sprechstunde Kontakt mit Ihrer beruflichen Haftpflichtversicherung aufnehmen oder einen Blick in die Vertragsunterlagen werfen: Die Versicherung sollte auch Videosprechstunden abdecken.

Zu Beginn jeder Onlinesprechstunde müssen sich auf beiden Seiten alle im Raum Anwesenden vorstellen. Außerdem

Dass diese mündlichen Aufklärungen erfolgt sind, sollte unbedingt in der Patientenakte vermerkt werden.

Revisionssichere Patienten-Dokumentation

Die gesetzliche Verpflichtung, dass Ärzte und Ärztinnen alle Anamnesen, Diagnosen, Untersuchungsergebnisse und Maßnahmen genau dokumentieren, gilt natürlich für jede Sprechstunde, also auch per Bildschirm. Ebenso sollten Sie festhalten, ob Sie während der Onlinesprechstunde eine Weiterbehandlung oder Wiedervorstellung empfohlen und ob Sie den Patienten oder die Patientin an eine andere Stelle überwiesen haben. Diese Dokumentation sollten Sie möglichst zeitnah erstellen – am besten unmittelbar nach dem Online-Kontakt. Sie dient Ihrem Schutz, falls Ihnen Behandlungsfehler vorgeworfen werden.

Eine wichtige Voraussetzung, um rechtlich abgesichert zu sein, ist eine Praxissoftware, die die Anforderung erfüllt, „revisionssicher“ zu sein. Sie sorgt dafür, dass alle Änderungen und Ergänzungen in der elektronischen Dokumentation gespeichert werden und dass alle bisherigen Einträge erhalten bleiben. Jede Veränderung in der Patientenakte ist nur dann zulässig, wenn der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt. Auch der Zeitpunkt jeder Änderung muss festgehalten werden. Ansonsten kann es bei späteren Beschwerden oder Vorwürfen gegen den Arzt zu erheblichen Beweisproblemen kommen.

Videosprechstunde: Abrechnung wie in der Praxis

Videosprechstunden lassen sich anhand der ärztlichen Gebührenordnung (GOÄ) ebenso abrechnen wie Leistungen, die in der Praxis stattfinden. Vor allem die GOÄ-Ziffer 1 (Beratung, auch mittels Fernsprecher) oder 3 (eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung, auch mittels Fernsprecher) bieten sich hier an. Die Ziffer 3 GOÄ gilt für eine Beratung, die länger als zehn Minuten dauert. Wenn Kassenpatienten in einem Quartal zwar in die Videosprechstunde, nicht aber in die Praxis kommen, kann die KV bei der Vergütung einen prozentualen Abschlag auf die Pauschale vornehmen. Je nach Fachgruppe fällt er unterschiedlich hoch aus: 20 Prozent sind es bei Haus- und Kinderärzten, bei Innerer Medizin und bei Orthopäden beträgt der Abschlag 25 Prozent und bei HNO- sowie Augenärzten 30 Prozent.

Für Sie als betroffene Ärztinnen und Ärzte sind solche Einbußen unerfreulich – aber es gibt für Sie auch eine gute Nachricht: Obwohl für Ärzte ansonsten ein Werbeverbot gilt, dürfen Sie Ihre Onlinesprechstunden aktiv anbieten. Wenn laut Heilmittelwerbegesetz (HWG) „nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist“, darf für die Fernbehandlung ausnahmsweise geworben werden. Idealerweise geschieht das auf der eigenen Website5,6.

Quellen

  1. Umfrage des Digitalverbandes Bitkom, März 2020
  2. Arzt & Wirtschaft, 11.01.2021, abrufbar unter: https://www.arzt-wirtschaft.de/praxis/cme-fortbildungen/aktuelles-zur-videosprechstunde-chancen-und-grenzen-der-patientenversorgung/
  3. Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), abrufbar unter: https://www.kbv.de/media/sp/Anlage_31b_Videosprechstunde.pdf
  4. https://www.kbv.de/media/sp/liste_zertifizierte-Videodienstanbieter.pdf
  5. Digitale-Versorgung-Gesetz, in Kraft getreten Dezember 2019; Näheres unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bgh-arztbesuch-sprechstunde-video-digital-werbung-online-medizin/
  6. Heilmittelwerbegesetz (HWG) §9, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/heilmwerbg/__9.html