Kardiale Amyloidose – eine häufig unterschätzte Erkrankung als Ursache einer Herzinsuffizienz

In Deutschland leiden rund 2,5 Millionen Betroffene an einer Herzinsuffizienz. Die häufigsten Ursachen sind eine koronare oder hypertensive Herzerkrankung. Es gibt jedoch weitere Ursachen, die nicht vergessen und unterschätzt werden sollten. Dazu gehört auch die kardiale Amyloidose.

Herzinsuffizienz ist eines der größten Probleme des Gesundheitswesens weltweit. Die Prävalenz liegt bei 1 bis 3 % der erwachsenen Bevölkerung und steigt auf 10 bzw. 30 % bei den über 70- bzw. 85-Jährigen – Tendenz steigend aufgrund des demografischen Wandels.1 Neben der Herausforderung einer zunehmenden Prävalenz ist die Herzinsuffizienz – unabhängig von der Ätiologie – mit einer hohen Morbidität und Mortalität assoziiert:2

Um die Morbidität und Mortalität der Herzinsuffizienz langfristig zu verändern, muss das Verständnis für eine frühzeitige Diagnose und Therapieeinleitung verbessert werden. Hierfür sollte grundsätzlich immer die Ätiologie der Herzinsuffizienz, also die zugrundeliegende Erkrankung, identifiziert werden, um die Therapie bestmöglich und kausal gestalten zu können. Häufige Ursachen einer Herzinsuffizienz sind die koronare, die hypertensive oder die Klappendefekt-bedingte Herzerkrankung. Doch in der niedergelassenen Praxis für Allgemeinmedizin sollte der Blick auch auf seltenere Ursachen gelenkt werden, vor allem bei Patient:innen, die nicht auf die medikamentöse Standardtherapie der Herzinsuffizienz ansprechen.

Sehen Sie in Ihrer Praxis diese Patient:innen mit Herzinsuffizienz, bei denen die Standardtherapie keinen hinreichenden Einfluss auf die Herzinsuffizienz-Symptomatik hat? Dann lohnt sich ein entscheidender zweiter Blick sowie eine kardiologische Abklärung, denn hinter den Symptomen kann sich die häufig unterdiagnostizierte Erkrankung namens Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie (ATTR-CM) verbergen. Dabei handelt es sich um eine systemische Speichererkrankung, die durch Bildung und Ablagerung von Amyloidfibrillen verursacht wird.3,4

Die Prävalenz der ATTR-CM als Ursache der Herzinsuffizienz wird immer noch unterschätzt. Studien belegen, dass die Erkrankung häufiger vorzukommen scheint, als bisher gedacht:5,6

Diese Daten verdeutlichen, dass besonders bei älteren Patient:innen mit Herzinsuffizienz eine kardiale Amyloidose in Erwägung gezogen werden sollte. Deshalb wurden für die tägliche Praxis sogenannte Red Flags definiert, um die Diagnose frühzeitg abzusichern.7–10 Dazu gehören neben den typischen kardialen Symptomen wie Kurzatmigkeit, mangelnde körperliche Belastbarkeit und periphere Ödeme vor allem auch ein (beidseitiges) Karpaltunnelsyndrom als extrakardiale Manifestation, die bereits mehrere Jahre zurückliegen kann. Auffälligkeiten im EKG (u. a. relative Niedervoltage, Pseudoinfarktmuster, Vorhofflimmern) und das Nichtansprechen auf die Standard-Herzinsuffizienztherapie sind schließlich weitere Warnsignale, die eine umgehende kardiologische Überweisung unabdingbar machen. In der kardiologischen Praxis stellt der echokardiografische Befund einer verdickten Herzwand ≥ 12 mm ein weiteres Red Flag für eine ATTR-CM dar.7–10

Die frühzeitige kardiologische Abklärung einer ATTR-CM als infiltrative Ursache einer Herzinsuffizienz ist vor allem deshalb entscheidend, um zeitnah die zugelassene Kausaltherapie einzuleiten und somit die Prognose der Patient:innen deutlich zu verbessern.11–13 So kann durch eine frühzeitige Diagnose der Ätiologie der Herzinsuffizienz die Mortalitätsrate dank moderner Therapieoptionen reduziert werden.

Schauen Sie genau hin, um eine Herzinsuffizienz ohne Therapieansprechen und mit verkannter Ursache zu einer behandelbaren Herzinsuffizienz mit bekannter Ursache und Entität zu machen. Die Zusammenarbeit zwischen Hausärzt:innen und Kardiolog:innen ist entscheidend, um den Diagnoseweg bei ATTR-CM zu verkürzen und die Lebenszeit der Patient:innen zu verlängern.

Quellen

  1. Seferovic PM et al. Eur J Heart Fail 2020;22(4):638–645.
  2. Deutscher Herzbericht 2020. Online veröffentlicht unter: https://www.herzstiftung.de/service-und-aktuelles/publikationen-und-medien/herzbericht (letzter Zugriff 15.07.2022).
  3. Maurer MS et al. Circulation 2017;135(14):1357–1377.
  4. Sekijima Y et al. Curr Pharm Des 2008;14(30):3219–3230.
  5. González-López E et al. Eur Heart J 2015;36(38):2585–2594.
  6. Castaño A et al. Eur Heart J 2017;38(38):2879–2887.
  7. Garcia-Pavia P et al. Eur Heart J 2021;42(16):1554–1568.
  8. Yilmaz A et al. Clin Res Cardiol 2021;110(4):479–506.
  9. McDonagh TA et al. Eur Heart J 2021;42(36):3599–3726.
  10. Maurer MS et al. Circ Heart Fail 2019;12(9):e006075.
  11. Grogan M et al. J Am Coll Cardiol 2016;68(10):1014–1020.
  12. Vyndaqel® 61 mg, Fachinformation nach aktuellem Stand.
  13. Maurer MS et al. N Engl J Med 2018;379(11):1007–1016.