'JAKademie': Stellenwert der JAK Inhibition in Rheumatologie und Gastroenterologie

Nach dem großen Erfolg des Vorjahres fand dieses Jahr vom 3. bis zum 4. Februar 2023 erneut die 'JAKademie interdisziplinär' in Frankfurt statt. Einige Highlights aus den insgesamt 15 Vorträgen mit anschließenden Podiumsdiskussionen lesen Sie in diesem Beitrag.

Chronisch-entzündliche Erkrankungen stellen sowohl in der Rheumatologie als auch in der Gastroenterologie ein Gebiet voller klinischer Herausforderungen, aber auch neuer Entwicklungen dar. Eine Besonderheit dieser spannenden Veranstaltung lag darin, dass Experten beider Fachbereiche ihre Perspektiven einbrachten.

Selektivität: Nicht alle JAK Inhibitoren sind gleich geschaffen

Zu Beginn des Veranstaltungssamstages zeigten zwei spannende Vorträge die bedeutsamen Unterschiede zwischen den derzeit verfügbaren JAK‑Inhibitoren auf. Prof. Reinhard E. Voll, Ärztlicher Direktor der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie am Universitätsklinikum Freiburg, legte dar, warum die unterschiedlich ausgeprägte Hemmung der vier Vertreter der Enzymfamilie – JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2 (Tyrosinkinase 2) – von klinischer Relevanz sein kann.1
Seit November 2021 steht mit Filgotinib der erste präferenzielle JAK1‑Inhibitor zur Behandlung erwachsener Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa (CU) zur Verfügung.2a Aus der präferenziellen JAK1‑Hemmmung und der damit einhergehenden schwächeren Affektion von JAK3 leite sich beispielsweise eine im Vergleich zu anderen Jakiniben geringere Supprimierung von natürlichen Killerzellen ab, so Voll.4,5 Zudem ist eine geringere Auswirkung auf INFγ (Abwehr viraler Erreger), IL4 und die GM-CSF-Signaltransduktion beschrieben.6 All dies zusammen könnte die vergleichsweise niedrigeren Raten von schweren Infektionen und Herpes zoster-Reaktivierungen unter Therapie mit Filgotinib erklären, die von einer integrierten Sicherheitsanalyse aus sieben Studien berichtet wurden.7,8
Als weiteren klinisch relevanten Aspekt griff er heraus, dass die bevorzugte Hemmung von JAK1 und die vermutlich geringere Wirkung auf JAK2 überdies ursächlich dafür sein könnte, dass eine Anämie – die als Folge der JAK2‑Hemmung verstanden wird – im 'FINCH'-Studienprogramm zu Filgotinib nur selten auftrat, es wurde sogar ein leichter Anstieg des Hämoglobins dokumentiert.5

Metabolisierung und Elimination bei einzelnen JAK Inhibitoren ebenfalls unterschiedlich

Auch hinsichtlich der Metabolisierung und des Wechselwirkungspotenzials bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen JAK‑Inhibitoren. Prof. Theo Dingermann, Emeritus vom Institut für Pharmazeutische Biologie und ehemaliger Vizepräsident der Goethe-Universität Frankfurt am Main, stellte in diesem Zusammenhang die von den Cytochrom (CYP)‑P450-Enzymen unabhängige Verstoffwechselung von Filgotinib heraus, die ein geringes Interaktionsrisiko bedeutet.2,9 Die kumulativen in vivo- und in vitro-Daten unterstützen die gleichzeitige Verabreichung von Filgotinib mit den bei Rheumatoider Arthritis (RA) häufig verwendeten Medikamenten, ohne dass eine Dosisanpassung erforderlich ist.9 Die Ausscheidung von Filgotinib erfolgt überwiegend (zu 87 %) renal.2 Hier zeigt sich laut Dingermann eine Dosisflexibilität als vorteilhaft, die bei mittlerer und schwerer Niereninsuffizienz angepasst werden kann.1

Umfassende Krankheitskontrolle für einen Teil der CU Erkrankten bereits jetzt möglich

Einer der Leiter der Veranstaltung 'JAKademie', Prof. Axel Dignaß, Chefarzt der Medizinischen Klinik I (mit den Schwerpunkten Gastroenterologie, Hepatologie, Onkologie und Infektiologie) des Agaplesion Markus Krankenhauses Frankfurt am Main, sprach über das neue Therapieziel der „umfassenden Krankheitskontrolle“ bei Colitis ulcerosa. Oft gehen die Behandlungsziele sowie die Wahrnehmung der Krankheitslast zwischen Arzt und Patient auseinander. Selbst in Remission handelt sich um eine Erkrankung, welche das private und berufliche Leben und die Lebensqualität stark beeinträchtigt.10 Das neu definierte Therapieziel einer „ganzheitlichen Remission“ umfasst daher sowohl Aspekte aus ärztlicher als auch aus Patientensicht.
In einer Post‑hoc-Analyse der zulassungsrelevanten Studie 'SELECTION' erreichten am Ende der Induktionsphase, in Behandlungswoche 10, unter Filgotinib 200 mg im Vergleich zu Placebo signifikant mehr Patienten diesen kombinierten Endpunkt aus klinischer und biologischer Remission, endoskopischer Verbesserung und gesundheitsbezogener Lebensqualität (gemessen am Inflammatory Bowel Disease Questionnaire, IBDQ).1,11,b Dieses Ergebnis konnte am Ende der Erhaltungsphase, nach 58 Wochen Therapie, bestätigt werden. Die Resultate wurden auch anlässlich des 18. Jahreskongresses der European Crohn's and Colitis Organisation (ECCO) Anfang März in Kopenhagen vorgestellt.

Komorbiditäten bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen

Prof. Bernhard Schieffer, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Gießen/Marburg (UKGM), sprach aus seiner Sicht als Kardiologe über das Thema Patientensicherheit. Er ging hierbei darauf ein, wie unzureichend kontrollierte Entzündungsprozesse (beispielsweise durch inadäquate Therapie der Grunderkrankung) zu einer Erhöhung des kardiovaskulären Risikos beitragen können.1

Anschließend diskutierten mehrere Experten den Einsatz von JAK‑Inhibitoren bei Patienten mit kardiovaskulärem Risiko. Hierbei setzten sie aktuelle Real World-Daten in den Kontext des durch den Europäischen Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) laufenden Artikel‑20-Verfahrens, welches die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) ein Jahr zuvor eröffnet hatte. Das Ergebnis war zum Zeitpunkt der Veranstaltung noch nicht, doch ist mittlerweile, bekannt. Woran sich nichts ändert: Die Wahl – ob JAK-Inhibitor oder Biologikum – war schon immer das Produkt einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung, die insbesondere die Komorbiditäten und Risikofaktoren für maligne und kardiovaskuläre Erkrankungen berücksichtigt. Hierbei kommen auch Unterschiede zwischen den Patientenkollektiven zum Tragen. So sind Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen meist jünger und bringen bereits dadurch weniger verkomplizierende Faktoren mit (Begleiterkrankungen, Polypharmazie) als RA‑Patienten.1,12

Abschließend ging es in mehreren Vorträgen um mögliche Prädiktoren in der Therapie chronisch-entzündlicher Erkrankungen sowie um Strategien der Therapiedeseskalation bzw. des Absetzens aus rheumatologischer und gastroenterologischer Sicht.1

Ausblick: 'JAKademie interdisziplinär' 2024

Die 'JAKademie interdisziplinär' wird im kommenden Jahr vom 2. bis 3. Februar 2024 erneut in Frankfurt stattfinden. Zusätzlich wird ein Teil der Veranstaltung im Livestream übertragen. Die Teilnahme ist kostenfrei. Die Veranstaltung wird bei der Landesärztekammer Hessen zur Zertifizierung eingereicht.

aJyseleca ist angezeigt zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa bei erwachsenen Patienten, die auf eine konventionelle Therapie oder auf ein Biologikum unzureichend angesprochen haben, nicht mehr darauf ansprechen oder diese nicht mehr vertragen haben.

bJeder der folgenden Punkte musste erreicht sein: a) klinische Remission definiert als pMCS (Ausschluss endoskopische Domain) ≤ 2 und kein Subscore > 1), b) biologische Remission definiert als fäkales Calprotectin < 150 μg/g, c) Inflammatory Bowel Disease Questionnaire (IBDQ)-Remission definiert als IBDQ > 170 und d) endoskopische Verbesserung definiert als Mayo endoskopischer Subscore ≤ 1.


Quellen

  1. Galapagos Biopharma Germany GmbH. JAK-Inhibition im Therapiespektrum der Rheumatologie und Gastroenterologie. Pressemitteilung. (2023).
  2. EMA. Fachinformation Jyseleca. Stand März 2023. https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/jyseleca-epar-product-information_de.pdf.
  3. Winthrop, K. L. et al. Integrated safety analysis of filgotinib in patients with moderately to severely active rheumatoid arthritis receiving treatment over a median of 1.6 years. Ann Rheum Dis 81, 184–192 (2022).
  4. Di Paolo, J. et al. Evaluation of Potential Mechanisms Underlying the Safety Observations of Filgotinib in Clinical Studies in RA. ACR 2019. Poster 0059. ACR Meeting Abstracts https://acrabstracts.org/abstract/evaluation-of-potential-mechanisms-underlying-the-safety-observations-of-filgotinib-in-clinical-studies-in-ra/.
  5. Schwartz, D. M. et al. JAK inhibition as a therapeutic strategy for immune and inflammatory diseases. Nat Rev Drug Discov 16, 843–862 (2017).
  6. Traves, P. G. et al. JAK selectivity and the implications for clinical inhibition of pharmacodynamic cytokine signalling by filgotinib, upadacitinib, tofacitinib and baricitinib. Annals of the Rheumatic Diseases 80, 865–875 (2021).
  7. Hofmann-Aßmus, M. Rheumatoide Arthritis: Filgotinib mit gutem Sicherheitsprofil. Orthop. Rheuma 24, 62–62 (2021).
  8. Genovese, M. C. et al. Integrated Safety Analysis of Filgotinib Treatment for Rheumatoid Arthritis from 7 Clinical Trials. Scientific Abstracts. Poster Presentation. Annals of the Rheumatic Diseases 79, 324–325 (2020).
  9. Namour, F. et al. Clinical Confirmation that the Selective JAK1 Inhibitor Filgotinib (GLPG0634) has a Low Liability for Drug-drug Interactions. Drug Metab Lett 10, 38–48 (2016).
  10. Dubinsky, M. C. et al. Ulcerative Colitis Narrative Global Survey Findings: The Impact of Living With Ulcerative Colitis-Patients’ and Physicians’ View. Inflamm Bowel Dis 27, 1747–1755 (2021).
  11. Schreiber, S. et al. Filgotinib Improved Health-Related Quality of Life and Led to Comprehensive Disease Control in Individuals with Ulcerative Colitis: Data from SELECTION. J Crohns Colitis jjad018 (2023) doi:10.1093/ecco-jcc/jjad018.
  12. Everhov, Å. H. et al. Incidence and Treatment of Patients Diagnosed With Inflammatory Bowel Diseases at 60 Years or Older in Sweden. Gastroenterology 154, 518-528.e15 (2018).