Der andere Blick auf die Haut: Ein Wrap-up von der Fortbildungswoche 2022

Im Rahmen der 28. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie (FOBI) in München richteten drei namhafte Expert*innen im Symposium „Der andere Blick auf die Haut – Bemerkenswerte Themen im Fokus“ ihre Aufmerksamkeit auf komplizierte und außergewöhnliche Fälle in der Dermatologie. Wir haben die Highlights für Sie in einem Beitrag zusammengefasst.

Vom 11. bis 16. Juli 2022 fand die 28. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie (FOBI) in München statt. Im Rahmen eines von Biogen organisierten Symposiums unter dem Titel „Der andere Blick auf die Haut – Bemerkenswerte Themen im Fokus“ sprachen drei Expert*innen über komplizierte und außergewöhnliche Fälle in der Dermatologie. Die Teilnehmer*innen konnten der Veranstaltung sowohl live vor Ort folgen als auch per Stream teilnehmen.

Hidradenitis suppurativa/Acne inversa – Neuerungen der europäischen Guidelines

Prof. Dr. med. Christos C. Zouboulis, Chefarzt der Hochschulklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Städtisches Klinikum Dessau, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane sprach in seinem Vortrag über Neuerungen der europäischen Leitlinie zu Hidradenitis suppurativa/Acne inversa. Eine der wichtigsten Änderungen im Vergleich zur bisherigen Leitlinie von 2015 wird sein, dass zukünftig ein völlig anderes Konzept zur Einteilung der Schweregrade zum Einsatz kommen wird.1 Unterschied man bis vor wenigen Jahren bei der Einteilung des Schweregrades nicht zwischen einer aktiven entzündlichen Erkrankung und einer inaktiven (nicht-entzündlichen) Erkrankung, so stünden heute zwei unterschiedliche Scores zur Verfügung, an denen sich die Therapie orientiere:
Die Hurley-Klassifikation definiere dabei die Entscheidung zur Operation, so der Experte. Sie reiche von Grad I, mit einzelnen oder multiplen isolierten entzündlichen Läsionen, bei der eine Operation noch nicht indiziert sei, bis zu Grad III, wo eine radikale Operation angezeigt sei. Der Schweregrad der entzündlichen Erkrankung wird unabhängig davon durch das International Hidradenitis Suppurativa Severity Score System (IHS4) definiert. Der Score teilt die Erkrankung in die Stufen mild (1–3), mittelschwer (4–10) und schwer (≥11) ein. Der IHS4 diene so auch der Bewertung des Krankheitsverlaufs und des Ansprechens einer Therapie. Bei mittelschwerer und schwerer Hidradenitis suppurativa/Acne inversa sei eine konventionelle systemische Therapie mit Clindamycin (iv) oder Tetracyclin (po) sowie eine Therapie mit dem Tumornekrosefaktor (TNF)-Inhibitor Adalimumab2 das Mittel der Wahl.

Auch für die Zukunft der Therapie sieht Prof. Dr. Zouboulis viel Potenzial: Aufgrund der Vielfalt der involvierten Entzündungsmediatoren ergäben sich auch ebenso viele Ansatzpunkte für die medikamentöse Therapie.4 In näherer Zukunft seien zwei Interleukin (IL)-17-Inhibitoren aussichtsreiche Kandidaten auf eine Zulassung zur Behandlung der Hidradenitis suppurativa/Acne inversa. Darüber hinaus könnten auch ein IL-36 und ein Januskinase (JAK)-Inhibitor folgen.

Der Wunsch der Fachgemeinschaft für die Zukunft, so Prof. Dr. Zouboulis, sei zudem eine Kombinationstherapie aus mehreren Biologika, die sich auf der einen Seite gegen klassische Entzündungszellen richteten und auf der anderen Seite gegen eine "falsche" Aktivität von Keratinozyten, die früh im Krankheitsverlauf eine Rolle spielten und Entzündungen tradierten. Damit sei zu hoffen, dass sich in Zukunft Entzündungsreaktionen viel schneller kontrollieren ließen, so Prof. Dr. Zouboulis.

Ekzeme im Kindesalter – viele Differenzialdiagnosen

Prof. Dr. med. Regina Fölster-Holst, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, sprach in ihrem Vortrag über die Differenzialdiagnose von Ekzemen im Kindesalter. Zwar sei eine Neurodermitis (atopisches Ekzem) eine häufige Ursache. Es gebe jedoch eine Vielzahl an ekzematösen Diagnosen, die die Differenzialdiagnostik und eine frühe Diagnose manchmal erschwerten. Oft lasse sich erst nach Beobachtung des Verlaufs eine endgültige Diagnose stellen. In solchen Fällen schlug die Expertin die Behelfsdiagnose „Eczema infantum“ (ekzematöse Läsionen, die keiner klassischen Ekzemerkrankung zuzuordnen sind) vor. Sie müsse jedoch mit einer Aufklärung der Eltern einhergehen und später (Kontrolluntersuchung nach 4 Wochen) durch eine definitive Diagnose ersetzt werden.4

Andere klassische Ekzemerkrankungen, z. B. ein Kontaktekzem oder eine seborrhoische Dermatitis seien der Neurodermitis im Frühstadium oft sehr ähnlich. Um ein atopisches Ekzem von einer seborrhoischen Dermatitis zu unterscheiden, genüge in manchen Fällen jedoch schon ein Blick auf die Windelregion. Diese sei beim seborrhoischen Ekzem besonders betroffen, bei der Neurodermitis jedoch sei dieser Bereich oft ekzemfrei. Daneben kämen aber auch Infektionen oder Infestationen, wie eine Skabies, als Ursache für Ekzeme in Frage. Letztere ließe sich beim Blick durch das Dermatoskop leicht diagnostizieren. Darüber hinaus müsse man auch an Immundefektsyndrome (z. B. Hyper-IgE-Syndrom, Omenn-Syndrom, Netherton-Syndrom), Erkrankungen durch Keratinisierungsstörungen, maligne Erkrankungen (z. B. Langerhanszell-Histozytiose) sowie metabolische/nutritive Erkrankungen (z. B. Biotinmangel) denken. Möglich sei auch eine durch Medikamente ausgelöste sog. "Drug Reaction with Eosinophilia and Systemic Symptoms" (DRESS), so die Expertin.

Arzneimittelexanthem – Metamizol häufigster Auslöser in Deutschland

Prof. Dr. med. Maja Mockenhaupt, Projektleiterin des Dokumentationszentrums schwerer Hautreaktionen (dZh) und Geschäftsführende Oberärztin der Klinik für Dermatologie und Venerologie, Universitätsklinikum Freiburg legte in ihrem Vortrag „Plötzlich sind da Blasen – welche Rolle spielen Multimorbidität und Multimedikation“ den Fokus auf das Arzneimittelexanthem.

Eine mit Blasenbildung einhergehende Form, das generalisierte bullöse fixe Arzneiexanthem (GBFDE), welches sich durch begrenzte, runde oder ovale Plaques mit darauf sich entwickelnden Blasen sowie Erosionen auszeichne, sei in Deutschland besonders häufig durch Metamizol ausgelöst. Dies zeigten aktuelle Daten des dZh, so Prof. Dr. Mockenhaupt. Daneben kämen Cotrimoxazol – welches noch vor einigen Jahren der häufigste Auslöser war – und in geringerem Maße auch Analgetika wie Naproxen oder Paracetamol in Betracht.5
Wichtig sei, dass bei einem Großteil aller Fälle bereits zuvor ein milderes Ereignis in der Vorgeschichte dokumentiert war.6 Mit jeder erneuten Exposition könne die Schwere der Reaktion weiter zunehmen.6

Für das meist schwerer verlaufende Stevens-Johnson-Syndrom (SJS), welches sich zur noch ausgeprägteren, häufig auch letal verlaufenden toxisch epidermalen Nekrolyse (TEN) ausweiten kann, seien andere Medikamente mit hohem Risiko bekannt. Hier seien insbesondere Allopurinol, die Antiepileptika Carbamazepin, Lamotrigin, Phenytoin, aber auch antibakterielle Sulfonamide und Sulfasalazin wie auch nicht-steroidale Antirheumatika vom Oxicam-Typ zu nennen.6 Die häufig eingesetzten Beta-Blocker oder ACE-Hemmer seien jedoch glücklicherweise ohne Risiko für ein SJS/TEN.

Die Latenz zwischen Medikationsbeginn und Auftreten der Reaktionen unterscheidet sich ebenfalls stark. Sie ist sehr kurz für GBFDE, beträgt aber 1-4 Wochen für SJS/TEN, wobei es sich hier immer um den ersten Einnahmezyklus handelt. Welches Medikament eine Arzneimittelreaktion auslöse, sei allerdings aufgrund der Multimedikation bei älteren Patient*innen oftmals nicht sofort eindeutig zu erkennen. Hier gelte es daher, genau hinzusehen und ggf. auf einen Algorithmus wie z.B. den ALDEN (algorithm for causality assessment epidermal necrolysis) in Fällen von SJS/TEN, zurückzugreifen, um die Ursache aufzuspüren und in Zukunft zu vermeiden.7

Einen Rückblick auf die MUC FOBi 2022 finden Sie hier auf der Website der Fortbildungswoche.


Quellen

  1. Zouboulis CC et al. European S1 guideline for the treatment of hidradenitis suppurativa/acne inversa. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2015 Apr;29(4):619-44. doi: 10.1111/jdv.12966. Epub 2015 Jan 30. PMID: 25640693.
  2. Fachinformation ImraldiTM. Stand April 2022.
  3. Zouboulis CC et al. What causes hidradenitis suppurativa ?-15 years after. Exp Dermatol. 2020 Dec;29(12):1154-1170. doi: 10.1111/exd.14214. PMID: 33058306.
  4. Fölster-Holst R et al. Eczema infantum and its prognosis. Acta Derm Venereol. 2004;84(5):410-12. PMID: 15503364.
  5. Paulmann M, Mockenhaupt M. Schwere Hautreaktionen: klinisches Bild, Epidemiologie, Ätiologie, Pathogenese und Therapie. Allergo J Int 2019; 28:311-326
  6. Mockenhaupt M et al. Stevens-Johnson syndrome and toxic epidermal necrolysis: assessment of medication risks with emphasis on recently marketed drugs. The EuroSCAR-study. J Invest Dermatol. 2008 Jan;128(1):35-44. doi: 10.1038/sj.jid.5701033. Epub 2007 Sep 6. PMID: 17805350.
  7. Sassolas B et al. ALDEN, an algorithm for assessment of drug causality in Stevens-Johnson Syndrome and toxic epidermal necrolysis: comparison with case-control analysis. Clin Pharmacol Ther. 2010 Jul;88(1):60-8. doi: 10.1038/clpt.2009.252. Epub 2010 Apr 7. PMID: 20375998.

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