DGRh 2021: Individualisierte Rheuma-Therapie in sich verändernden Zeiten

Tumornekrosefaktor (TNF)-Inhibitoren sind inzwischen fest in der Behandlung zahlreicher rheumatischer Erkrankungen etabliert. Beim Symposium "Individualisierte Rheuma-Therapie in sich verändernden Zeiten - Was bleibt, was kommt, was geht?" am 16. September 2021 im Rahmen der diesjährigen DGRh-Jahrestagung nahmen Experten unterschiedliche Aspekte des Sicherheitsprofils...

Tumornekrosefaktor (TNF)-Inhibitoren sind inzwischen fest in der Behandlung zahlreicher rheumatischer Erkrankungen etabliert. Beim Symposium "Individualisierte Rheuma-Therapie in sich verändernden Zeiten - Was bleibt, was kommt, was geht?" am 16. September 2021 im Rahmen der diesjährigen DGRh-Jahrestagung nahmen Experten unterschiedliche Aspekte des Sicherheitsprofils einer Therapie mit TNF-Inhibitoren anhand von Praxisdaten in den Fokus.

Real-World-Daten: Problemlose Umstellung auf Biosimilars

Biosimilars machen heute einen Großteil der verschriebenen TNF-Inhibitoren aus.1 Die Ergebnisse der mittlerweile zahlreichen Switch-Studien ergaben keinerlei Hinweise auf Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit oder Verträglichkeit zwischen Biosimilar und Referenzprodukt.2 Das bestätigten auch die von Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Direktor der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie der Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim, vorgestellten Real-World-Daten.

Der Experte stellte eine Interimsanalyse von Real-World-Daten aus dem PROPER-Register vor, in der der klinische Verlauf 24 Wochen vor und 48 Wochen nach der Umstellung vom Referenz-Adalimumab auf das Biosimilar SB5 erfasst wird.3,4 Insgesamt sollen etwa 1.000 Patient*innen mit unterschiedlichen rheumatischen Erkrankungen Patient*innen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) eingeschlossen werden. Die vorgestellten, bereits verfügbaren Daten für Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) (n = 112) und Psoriasis-Arthritis (PsA) (n = 33) bestätigten die Ergebnisse der klinischen Studien. In beiden Patientengruppen waren die Aktivitätsparameter konstant stabil, und es sei kein Wirkverlust nach einer Umstellung nachzuweisen (Abb. 1).

Abb. 1: PROPER-Register: Krankheitsaktivität (DAS28) im Verlauf (mod. nach 3)

COVID-19: Unter TNF-Inhibitoren weniger schwere Verläufe

Dr. Rebecca Hasseli-Fräbel, Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim präsentierte Daten des bundesweiten Online-Registers

„Covid19-rheuma.de.5 Auf der von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und Expert*innen der Universität Gießen ins Leben gerufenen Plattform werden kontinuierlich Daten von Patient*innen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und einer SARS-CoV2-Infektion aus ganz Deutschland gesammelt. Derzeit stehen Daten von 3.276 Patienten zur Verfügung (Stand Oktober 2021). Häufigste Indikationen waren eine Rheumatoide Arthritis und Spondyloarthritis. Zum Zeitpunkt der Zwischenauswertung (Juli 2021) erhielten 654 Patienten einen TNF-Inhibitor.5

Vieles deute darauf hin, dass die Effekte einer immunmodulatorischen Therapie auf den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung von der Art der eingesetzten Medikation abhingen. So sei der Einsatz von TNF-Inhibitoren eher mit einem positiven Effekt auf die Prognose der Patienten verbunden, wie Hasseli-Fräbel anhand von ersten deskriptiven Daten aus dem Register zeigte. Dies decke sich auch mit Ergebnissen der internationalen „COVID-19 Global Rheumatology Alliance physician registry“.6 In dieser Kohorte erhielten von den 2.869 an COVID-19 erkrankten Patienten etwa die Hälfte (1.388) einen TNF-Inhibitor. Von diesen Patienten, die im Durchschnitt 55,2 Jahre alt waren, mussten 85,4 % nicht hospitalisiert werden und nur 7,4 % benötigten Sauerstoff oder eine Beatmungsunterstützung. Lediglich 2,6 % der Patienten verstarben.6

Fakt und Vorurteil – Kontraindikationen für TNF-Inhibitoren

Unstrittig sei eine Kontraindikation bei latenten und akuten Infektionen sowie bei Multipler Sklerose (mit wenigen Ausnahmen), erläuterte Prof. Dr. Bimba Franziska Hoyer, Klinik für Innere Medizin I Sektion Rheumatologie, Universitätsklinikum Kiel.

Differenzierter sei die Lage bei Herzinsuffizienz: Hier seien TNF-Inhibitoren lediglich bei einer schweren Ausprägung (NYHA 3 und 4) unter erhöhter Vorsicht und mit Einschränkungen indiziert. Bei der RA hingegen wirkten die TNF-Inhibitoren möglicherweise sogar kardioprotektiv. Eine bekannte chronische Herzinsuffizienz sei somit keine grundsätzliche Kontraindikation, sondern erfordere in erster Linie eine engmaschige Überwachung der Patienten, so Hoyer. Beim viel diskutierten Thema Lymphomrisiko zeigten sich anhand der Daten aus einem britischen Register keine Anhaltspunkte für ein derartiges Sicherheitssignal.7

Auch beim Thema Schwangerschaft beruhigte die Expertin: “In den allermeisten Fällen ist es kein Problem, den TNF-Inhibitor während der Schwangerschaft zu nehmen. Für Adalimumab und Infliximab wurden entsprechende Anpassungen der Fachinformationen vorgenommen.”, so Hoyer.

Insgesamt, so Prof. Hoyer, ließen sich die meisten Mythen zu Kontraindikationen für TNF-Inhibitoren entkräften.


Referenzen

  1. Arbeitsgemeinschaft proBiosimilars, Marktdaten September 2021. Link: https://probiosimilars.de/publikationen/marktdaten/. Letzter Zugriff: 10.11.21
  2. Leitfaden der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ): Switch-Studien mit Biosimilars. 2. Auflage. Stand Januar 2021. Link: https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/LF/PDF/Biosimilars-Suppl.pdf. Letzter Zugriff: 11.11.21
  3. Müller-Ladner U et al. DGRh 2021; Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocRA.35. Link: https://www.egms.de/static/en/meetings/dgrh2021/21dgrh128.shtml Letzter Zugriff: 22.10.2021
  4. Fachinformation Imraldi. Stand: Juli 2021
  5. Deutsches COVID-19-Register für Patienten mit entzündlich-rheumatischer Erkrankung. Link: https://www.covid19-rheuma.de. Letzter Zugriff 22.10.2021
  6. Sparks JA et al. Ann Rheum Dis 2021; 80:1137-1146
  7. Mercer LK et al. Ann Rheum Dis 2017; 76: 497-503

Biogen-142275 v1.0 DE 11/2021