Interdisziplinärer Summit 2023: Highlights vom ACR

Im Rahmen des 6. Interdisziplinären Summit Ende November 2023 in Frankfurt am Main berichtete Prof. Dr. med. Ulf Müller-Ladner, Direktor der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Kerkhoff-Klinik, Bad Nauheim, von seinen Highlights der Konferenz des American College of Rheumatology, der ACR Convergence.

Im Rahmen des 6. Interdisziplinären Summit Ende November in Frankfurt am Main berichtete Prof. Dr. med. Ulf Müller-Ladner, Direktor der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Kerkhoff-Klinik, Bad Nauheim, von seinen Highlights der Konferenz des American College of Rheumatology, der ACR Convergence. Die Auswahl einiger weniger Highlights der vom 10. bis 15. November 2023 in San Diego abgehaltenen Konferenz sei, so der Experte, eine echte Herausforderung gewesen. Aus den insgesamt mehr als 3.000 Vorträgen und Postern wählte Prof. Müller-Ladner 11 Abstracts aus, die, wie er sagte, Neues zu Alltäglichem, Seltenem und Innovativem abdeckten. Einige dieser Highlights haben wir in diesem Artikel für Sie zusammengefasst. Eine Zusammenfassung ausgewählter Beiträge, sowie Videos der Vorträge finden Sie auf BiogenLinc.

Studie spricht für Fortführung der Anti-TNF-Therapie bei Remission1

Bei einer stabilen Remission unter einer Therapie mit Tumornekrosefaktor (TNF)Inhibitoren wird häufig von Ärzt*innen und Patient*innen ein Absetzen der Therapie angestrebt. In der multizentrischen, randomisierten Studie ARCTIC REWIND aus Norwegen wurde das Ausschleichen der Therapie mit einer Fortführung der Anti-TNF-Therapie bei 99 RA-Patient*innen untersucht. Die Teilnehmer*innen befanden sich zu Studienbeginn für mindestens 12 Monate in anhaltender Remission unter stabiler Anti-TNF-Therapie und wurden über drei Jahre beobachtet. Während in der Gruppe, die die Therapie ausschleichen ließ, die Mehrzahl der Patient*innen im Beobachtungszeitraum mindestens einen Schub erlitt, war dies mit stabiler Anti-TNF-Behandlung nur bei wenigen Patient*innen der Fall: Nach 3 Jahren waren 25 % (95 %-KI 13–38) in der Gruppe, die die Dosis reduzierte, frei von Schüben, verglichen mit 85 % (96 %-KI 70–93) unter stabiler TNF-Therapie. Obwohl die meisten Patient*innen bei der nächsten Visite nach einem Schub wieder eine Remission erreichten, war das Ausschleichen der Anti-TNF-Therapie während der gesamten Studie mit deutlich niedrigeren Boolean-2.0-Remissionsraten verbunden. Prof. Müller-Ladner sprach sich, ebenso wie die Studienautoren, angesichts dieser Ergebnisse für die Fortführung der TNF-Therapie bei Remission aus, merkte aber einschränkend an, dass stabile Dosisreduktionen in der Studie nicht untersucht wurden.

JAK-Inhibitoren mit vielversprechenden Ergebnissen beim VEXAS-Syndrom2

Das VEXAS-Syndrom (kurz für: vacuoles, E1 enzyme, X-linked, autoinflammatory, somatic) ist eine systemische autoinflammatorische Erkrankung, die erstmals im Jahr 2020 beschrieben wurde, und die durch eine somatische Mutation an Position 41 im X-chromosomalen Gen UBA1verursacht wird.3 Bisher existieren für das VEXASSyndrom noch keine kontrollierten Therapiestudien. Eine multizentrische, retrospektive Studie, die im Rahmen des nationalen französischen VEXASStudienregisters zwischen November 2020 und August 2023 durchgeführt wurde, verglich alle seitdem beim VEXAS-Syndrom eingesetzten DMARDs hinsichtlich Abbruch- und Ansprechrate. Sowohl der Verbleib auf der Therapie als auch die Ansprechrate von 30 % nach 6 Monaten waren unter JAK-Inhibitoren am höchsten.
Angesichts der Ergebnisse und der hohen Krankheitslast der Betroffenen sprach sich Prof. Müller-Ladner klar für den Einsatz von JAK-Hemmern bei Patient*innen mit einem VEXAS-Syndrom aus.

Langwirksame intraartikuläre Injektionen bei Kniearthrose4

Intraartikuläre Injektionen ins Kniegelenk mit Hyaluronsäure oder Kortikosteroiden sind gängige Praxis in der Behandlung der Gonarthrose.5 In einer Phase-II-Studie brachte eine Suspension des Glucokortikoids Fluticasonpropionat mit einer verlängerten Wirkstofffreisetzung (EP-104IAR) eine signifikante Verbesserung der Schmerzsymptomatik bei Patient*innen mit Kniegelenksarthrose über einen Zeitraum von 14 Wochen sowie eine signifikant höhere Anzahl an Respondern im Vergleich zu Vehikel. Die Einzeldosis EP-104IAR zeigte damit eine länger andauernde Wirksamkeit als alle anderen bisher bekannten intraartikulären Injektionen, so Prof. Müller-Ladner.

Rheumatoide Arthritis: Hemmung der B-Zell-Aktivatoren6

Mehrere der von Prof. Müller-Ladner vorgestellten Highlights widmeten sich B-Zellen als therapeutischem Ziel. Im Gegensatz zu auf dem Markt verfügbaren B-ZellHemmern, wie Rituximab, die direkt gegen CD20 auf der Oberfläche von B-Zellen gerichtet sind, richtet sich das neuartige Fusionsprotein Telitacicept gegen die B-ZellAktivatoren BlyS (ein B-Lymphozyten-Stimulator) und APRIL (ein Proliferationsinduzierender Ligand).6,7 In einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie mit RA-Patient*innen erreichten nach 24 Wochen 60 % der mit Telitacicept behandelten Personen einen ACR20 im Vergleich zu 26,9 % unter Placebo. Gleichzeitig traten keine unerwarteten Nebenwirkungen auf. Dies übertreffe sogar seine Erwartungen, ordnete Prof. Müller Ladner die Studienergebnisse ein.

Target langlebige Plasmazellen: Hoffnung bei schwerem Morbus Sjögren?8

Der Experte zeigte anschließend die Daten von zwei gegen Rituximab refraktären Patientinnen mit schwerem Morbus Sjögren, die mit dem beim multiplen Myelom zugelassenen Wirkstoff Daratumumab behandelt wurden.9 Daratumumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen das Oberflächenmolekül CD38 auf Plasmablasten und Plasmazellen. Das Besondere an Daratumumab sei, so der Rheumatologe, dass es die langlebigen Plasmazellen, welche durch Rituximab nicht erfasst werden, ins Visier nehme. Die untersuchten Patientinnen sprachen auf Daratumumab mit reduzierten Leveln von Triglyceriden und anti-GPIHBP1 Antikörpern (glycosylphosphatidylinositol anchored high density lipoprotein binding protein 1) und im anderen Fall mit einem geringeren Rheumafaktor-Titer an. Nach Ansicht von Prof. Müller-Ladner könnte in einem solchen Therapieansatz die Zukunft der B-ZellTherapie liegen, möglicherweise gleichwertig mit der CAR-T-Zell-Therapie.

CAR-T-Zell-Therapie für alle?10,11

Das Prinzip der CAR-T-Zell-Therapie besteht – vereinfacht gesagt – darin, Patient*innen T-Zellen zu entnehmen und die entnommenen T-Zellen gentechnologisch so zu verändern, dass diese einen chimären Antigenrezeptor (CAR) exprimieren, der gegen bestimmte Zielstrukturen von Zielzellen gerichtet ist.12 Werden die so erzeugten CAR-T-Zellen den Patient*innen per Infusion verabreicht, sind die CAR-T-Zellen in der Lage die Zielzellen zu erkennen und die Abwehr des Immunsystems gegen die Zielzellen zu aktivieren.12 Eingesetzt wird der Therapieansatz bereits bei B-Zell-Erkrankungen, etwa akute lymphatische Leukämie (ALL), und wird derzeit auf seine Wirksamkeit in mehreren chronisch-entzündlichen Erkrankungen untersucht.13,14

Eine offene, multizentrischen, Phase-1/2-Studie bewertete die Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil von YTB323, einer CAR-T-Zelltherapie, die auf CD19 auf B-Zellen abzielt, bei Patient*innen mit schwerem refraktärem systemischem Lupus erythematodes.10 Die ersten drei Patient*innen, deren Daten beim ACR bereits vorlagen, zeigten in unterschiedlichen Parametern ein Ansprechen auf die Therapie. Dabei traten keine schweren Nebenwirkungen und kein Immuneffektorzellenassoziiertes Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) auf. Bei zwei Patient*innen kam es zu einem Zytokin-Release Syndrom welches jedoch mit Tocilizumab behandelt wurde und vollständig abklang.10

Prof. Müller-Ladner brachte auch die Daten der ersten drei Patient*innen einer Studie mit, die die Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil einer CAR-T-Zell-Therapie bei Patient*innen mit refraktärem Antisynthetase-Syndrom untersuchte.11 Auch hier fiel das Fazit positiv aus: Zwei der drei Patient*innen befanden sich nach einem Jahr in Remission, während die Ergebnisse der Nachuntersuchung der dritten Patientin noch ausstanden.11

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Referenz

  1. Kjørholt K et al. 3-year Results of Tapering TNFi to Withdrawal Compared to Stable TNFi Among Rheumatoid Arthritis Patients in Sustained Remission: A Multicenter Randomized Trial. ACR Convergence 2023. Abstract number: L07.
  2. Hadjadj J et al. Efficacy and Safety of Targeted Therapies in VEXAS Syndrome: Retrospective Study from the French VEXAS Group. ACR Convergence 2023. Abstract number: L03.
  3. Beck DB et al. Somatic mutations in UBA1 and severe adult-onset autoinflammatory disease. N Engl J Med. 2020;383(27):2628–2638. doi: 10.1056/NEJMoa2026834
  4. Helliwell J et al. EP-104IAR (Extended-Release Fluticasone Propionate forInjectable Suspension): Topline and Key Secondary Resultsfrom a Phase 2 Randomized, Double-blind, Vehicle-Controlled Trial in Subjects with Knee Osteoarthritis. ACR Convergence 2023. Abstract number: L04.
  5. Stöve J et al. S2k-Leitlinie Gonarthrose. Stand Januar 2018. AWMF-Registernummer: 033-004.
  6. Wang L et al. Telitacicept, a Human Recombinant Fusion Protein Targeting and Neutralizing B Lymphocyte Stimulator (BlyS) and a Proliferation-Inducing Ligand (APRIL), in Rheumatoid Arthritis (RA) Patients with an Inadequate Response to Methotrexate (MTX): A Randomized, Double-Blind, Phase 3 Study. ACR Convergence 2023. Abstract number: L20.
  7. Fachinformation MabThera® V. Aktueller Stand.
  8. Nocturne G et al. Efficacy of anti-CD38 Treatment with Daratumumab in Two Cases of Refractory and Severe Sjögren Disease. ACR Convergence 2023. Abstract number: 2191.
  9. Fachinformation Darzalex®. Aktueller Stand.
  10. Cortés Hernandez J et al. An Open-label, Multicenter, Phase 1/2 Study to Assess Safety, Efficacy and Cellular Kinetics of YTB323, a Rapid Manufacturing CAR-T Cell Therapy Targeting CD19 on B Cells, for Severe Refractory Systemic Lupus Erythematosus: Preliminary Results. ACR Convergence 2023. Abstract number: L13.
  11. Taubmann J et al. Efficacy and Safety of Car-T-Cell Treatment in Refractory Antisynthetase Syndrome – Data of the First Three Patients. ACR Convergence 2023. Abstract number: 2463.
  12. Feins S et al. An introduction to chimeric antigen receptor (CAR) T-cell immunotherapy for human cancer. Am J Hematol. 2019 May;94(S1):S3-S9.
  13. Sun D et al. CAR-T cell therapy: A breakthrough in traditional cancer treatment strategies (Review). Mol Med Rep. 2024 Mar;29(3):47.
  14. Blache U et al. CAR T cells for treating autoimmune diseases. RMD Open. 2023 Nov 23;9(4):e002907.

Biogen-236611 V1.0 03/2024